Artist: Don Airey
Herkunft: Sunderland, England
Genre: Hard Rock
Bandmitglieder:
Keyboards und Gong – Don Airey
Gitarre – Simon McBride
Gesang – Carl Sentance
Gesang – Mitchel Emms
Bass – Dave Marks
Drums – Jon Finnigan
Strings, Trompete — Steve Bentley-Klein
Bereits vor einigen Wochen gab der Deep Purple-Keyboarder im Headquarter von EarMusic in Hamburg eine Interviewrunde. Dank Kai Manke habe ich einen der begehrten Slots bekommen und mich mega gefreut, den Keyboarder persönlich zu treffen. Zwar war ich 2019 auf seinem Konzert in Hamburg und konnte im Anschluss ein paar Worte mit ihm wechseln, aber so von Angesicht zu Angesicht ist das schon etwas anderes. Thema soll seine neue Scheibe Pushed To The Edge sein, aber natürlich gibt es auch einige Fragen zu seinem Job bei Deep Purple und zu seinem Gitarristen Simon McBride, der seit 2022 bei Deep Purple die Gitarrenarbeit übernommen hat. Zufällig erfahre ich, dass auch er ein neues Album herausbringt (Recordings 2022-2025 – Review hier), und ich durfte auch mit Simon ein Interview führen. Das ist bereits etwas früher erschienen, und ihr kommt über den folgenden Link dorthin.
Hier soll es nun aber um Don Airey gehen, der „gentlemanlike“ zu meinen Fragen Stellung bezieht. Nach einer kurzen Vorstellung meinerseits geht es los.
Time For Metal / Kay
Hallo Don, es ist mir eine Freude und auch eine Ehre, mit dir hier sitzen zu dürfen. Deep Purple ist meine Lieblingsband, und nun darf ich ihren Keyboarder interviewen. Das ist zwar nicht der Hauptgrund, aber auch nicht voneinander zu trennen.
Don Airey
Hallo, ich freue mich auch und bin gespannt, welche Fragen es so gibt. Hauptthema soll natürlich meine neue Platte sein. Hast du sie bereits hören können?
Time For Metal / Kay
Ja, das durfte ich bereits. Und nach dem ersten Durchgang hatte ich ein eher gemischtes Gefühl. Es gibt einige gute Songs darauf, aber auch einige, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftige Tracks. Auch ein wenig Jazz habe ich an der einen oder anderen Stelle herausgehört.
Don Airey (lacht)
Die Jazz-Polizei! Ist es so schlimm?
Time For Metal / Kay
Nein, nicht schlimm, aber unerwartet. Teilweise ein wenig jazzig? Du hast ja in frühen Jahren in einer Jazzband angefangen. Danach ging es dann mit diversen anderen Künstlern weiter. Meine Recherche ergab, dass du bei Colosseum II, Black Sabbath, Dio, Ozzy, ach ja, Judas Priest, Bruce Dickinson und wer weiß noch wem mitgewirkt hast. Du sollst auf mehr als 300 Platten zu hören sein.
Don Airey
Das kann gut sein, aber ich denke, es sind mehr. Es waren schon recht viele, und ich habe bereits eine Menge erlebt.
Time For Metal / Kay
Das habe ich wohl gelesen. Dein erstes Soloalbum hast du 1989 aufgenommen. Es ist K2 – Tales Of Triumph And Tragedy. Es folgten 2008 A Light In The Sky – da warst du bereits seit sechs Jahren bei Deep Purple – und 2011 All Out. Deine erste Platte mit Deep Purple war 2002 Bananas, die als Vinyl-Ausgabe heute für teures Geld gehandelt wird. Sie ist sehr selten, zumindest als Vinyl.
Don Airey
Wirklich? Das hätte ich nicht gedacht.
Time For Metal / Kay
Doch, leider! Das ist die einzige Vinyl-Platte, die mir in meiner Sammlung noch fehlt. Ich habe auch deine Werke alle bei mir stehen – allerdings nur als CD. Keyed Up folgte 2014, und 2018 kam One Of A Kind, bei dessen Tour ich euch in Hamburg gesehen habe. Da war ja auch bereits Simon McBride dabei, den man damals so gar nicht auf dem Schirm hatte. Heute ist er bei einer der größten Hardrock-Bands der Welt. Du sollst dafür mitverantwortlich sein.
Don Airey
Ich bin da bestimmt nicht ganz unschuldig dran. Ian Gillan hatte eine Tour mit Orchester, Band und so weiter im Gepäck. Dafür brauchte er eine Begleitband und hat mich gefragt – da hat dann natürlich Simon mitgespielt. Wir waren in Budapest, Warschau und so weiter.
Time For Metal / Kay
Ja, davon gibt es eine Aufnahme, die habe ich auch. Und dann?
Don Airey
Nach der Tour oder vielleicht auch schon währenddessen – ich weiß es nicht mehr so genau – sagte Ian: „Wenn wir mal einen neuen Gitarristen brauchen, dann kommt nur Simon infrage.“ Tja, und dann wurde Steve Morses Frau krank, und Simon ist erst mal als Ersatz eingesprungen, bis er 2022 festes Mitglied bei Deep Purple wurde.
Time For Metal / Kay
Und da macht er einen guten Job. Er ist etwas härter als Steve Morse, nicht so verspielt. Und bei dir spielt er auch noch weiterhin?
Don Airey
Ja, er hat ja auf meiner neuen Platte auch seinen Platz. Er hat halt seinen eigenen Stil, passt aber sehr gut zu Deep Purple.
Time For Metal / Kay
Besonders gut gefällt mir, wenn ihr in Duelle geht – wie früher schon bei Jon Lord und Ritchie Blackmore. Das ist besonders gut bei Out Of Focus, einem fast instrumentalen Stück, gelungen. Es ist eines meiner Favoriten auf der Platte.
Don Airey
Ja, das ist schon ein gutes Stück, und wir haben es live eingespielt. Das war nicht jeder für sich. Geplant war das nicht, aber es hat sich so ergeben. Weißt du, wo der Song herkommt? Der hat etwas mit der Band Focus zu tun. Die hatten in den Siebzigern einige Erfolge. Dieser Song ist eine Hommage an die Band, denn auch sie hatten damals einen hervorragenden Keyboarder: Thijs van Leer. Ich habe Carl das erzählt, und er hat dann tolle Lyrics dazu geschrieben.
Time For Metal / Kay
Ja, Hocus Pocus kenne ich noch gut. Ein Hit damals. Aber du bist ja ebenfalls ein Meister der Hammond-Orgel. Hast du die schon immer gespielt?
Don Airey
Ich habe mit klassischem Klavier angefangen, und mit 16 oder 17 habe ich mit der Hammond angefangen. Ich kann natürlich auch andere Tasteninstrumente. Damals, in den frühen Jahren, haben wir in kleinen Arbeiterclubs gespielt, und dort standen die immer herum. So bin ich dazu gekommen.
Ich erinnere mich noch an den Ivory Leaf Social Club in Sunderland – da gab es zwei Lesleys und ein PR40 Cabinet. Das waren die verrücktesten Instrumente, die ich je gespielt habe. Die waren zunächst so schwierig, dass ich gar nicht wusste, wie ich sie anmachen sollte. Das hat mir dann jemand gezeigt, und so bin ich nach der Schule dorthin und habe geübt. Das Schwierigste sind eigentlich die Pedale, aber das habe ich auch durch Übung hinbekommen.
Time For Metal / Kay
Und Jon Lord war ein Meister darin. Ich durfte ihn mal solo in Kiel sehen und ihn im Anschluss treffen – ein wahrer Gentleman. Er hat seine Hammond behandelt wie eine Gitarre, gestoßen, zum Beben gebracht. Aber dein Spiel ist ebenfalls beachtenswert. Du bist nur etwas ruhiger.
Don Airey (lacht)
Ich bin ja nun auch etwas älter (76 Jahre, Anm. des Interviewers) und dadurch ruhiger.
Time For Metal / Kay
Meine Freundin ist kein großer Fan der Hammond-Orgel. Wir sind das eine oder andere Mal bei Deep Purple-Coverbands wie Purpendicular, mit Ian Paice an den Drums, oder auch bei Demon’s Eye oder einer Heimatstadtband namens Time In Child. Und da ist natürlich auch immer die Hammond im Einsatz – das muss sie nicht immer haben.
Don Airey (sichtlich amüsiert)
So ist das mit Geschmack.
Time For Metal / Kay
Zurück zur neuen Scheibe. Du setzt ja wieder auf deine Stammband. Nur diesmal ist mit Mitchell Emms ein zusätzlicher Sänger dabei. Ansonsten macht ja Carl Sentance den Job.
Don Airey
Das ist richtig. Da ist Dave Marks am Bass, Jon Finnigan an den Drums, Simon, und dann Carl und Mitchell am Mikro. Mitchell ist über Simon dazugekommen. Der kannte ihn wohl schon lange, und so hat er das eine oder andere Lied gesungen.
Time For Metal / Kay
Seit wann wart ihr im Aufnahmeprozess?
Don Airey
Wir haben bereits vor der Pandemie angefangen und zwischen den einzelnen Lockdowns aufgenommen. Dazu haben wir uns getroffen und zusammen eingespielt – links Simon, rechts Dave, und auch Jon im selben Raum. Das war schon eng und nicht ganz coronakonform, aber es ging, und die Aufnahmen sind dann live entstanden. Nicht jeder für sich und dann abgemischt. Nur die ganzen Verstärker standen in einem anderen Raum.
Time For Metal / Kay
Okay, stelle ich mir spannend vor. Wer hat die Songs geschrieben? Du?
Don Airey
Das ist unterschiedlich. Oftmals stammen sie aus meiner Feder, aber auch Carl, Mitchell sowie Simon haben Songs beigetragen.
Time For Metal / Kay
Also Gemeinschaftsarbeit.
Don Airey
Das kann man so sagen.
Time For Metal / Kay
Wo kommt Mitchell Emms denn her?
Don Airey
Mitchell ist ein Freund von Simon. Auch ich kenne ihn schon eine Weile, und er hat bei einem Auftritt beim Cambridge Rock Festival mitgemacht. Das war schon außergewöhnlich, und dann habe ich ihm angeboten, drei Songs auf der neuen Platte zu machen. So kam er dann dazu.
Time For Metal / Kay
Ah, okay. So kann das gehen. Wird er mit auf Tour gehen? Wird es überhaupt eine Tour geben?
Don Airey
Das kann ich noch nicht sagen. Da gibt es noch keine festen Planungen.
Time For Metal / Kay
Gibt es eine Geschichte zu der neuen Platte?
Don Airey
Eine Geschichte? Nein, eigentlich nicht. Nur eben die, dass wir die Platte wie einen Auftritt machen wollten. Nicht so: komponieren, einspielen, mixen und auf Platte bringen, sondern die Ideen der einzelnen Musiker direkt im Studio aufnehmen – fast wie live. Das war die einzige Geschichte. Dadurch sind alle Songs auch ziemlich lang, insgesamt immer über vier Minuten, aber auch über fünf und sechs Minuten Spielzeit.
Time For Metal / Kay
Das stimmt, Girl From Highland Park ist die Ausnahme, das ist nur drei Minuten lang.
Don Airey
Genau. Und das Schöne an all den Songs ist, sie folgen keinem Muster. Unterschiedliche Bewegungen – und in Moon Rising ist sogar ein anderer Track mit drin, bevor es mit dem eigentlichen Song weitergeht. Also, alles ist irgendwie nicht vorhersehbar.
Time For Metal / Kay
War es eigentlich schwierig, Simon wieder zu bewegen, mitzumachen?
Don Airey
Nein, überhaupt nicht. Ich habe ihn angerufen und gefragt, und er sagte gleich: „Ja, gern!“ Und so habe ich ihn mir geschnappt, bevor es ein anderer tut.
Time For Metal / Kay
Immerhin hat er ja einen wichtigen Job bei seiner Stammband. Und du auch.
Don Airey
Ja, aber zu dem Zeitpunkt war nicht so viel bei Deep Purple, und so passte das.
Time For Metal / Kay
Wenn du eine Platte machst, ist das Spaß an der Freude, oder verdienst du nicht genug?
Don Airey (grinst)
Nein, das ist schon okay, aber es macht mir einfach Spaß. Und bevor es nicht mehr geht, mache ich es einfach. Wir werden ja nicht jünger. Es ist nicht einfach nur ein Job, es ist eine Art Prozess: die Idee, dann die Musik, die Musiker, die Aufnahmeprozedur, das Marketing – alles zusammen ist dann die neue Scheibe, und es ist meine. Bei Deep Purple ist das etwas anders strukturiert, da machen sich schlaue Leute Gedanken drum. Da ist der Druck auch anders und das Budget größer. Bei mir ist das schon etwas anderes. Ich kann mir da Zeit lassen. Der Einzige, der da Druck macht, bin ich selbst.
Time For Metal / Kay
Da stecken bestimmt auch andere Strömungen dahinter. Aber wie lange willst du das noch machen? Inzwischen bist du auch schon 76, und da wird es ja vielleicht irgendwann mal Zeit für die Rente.
Don Airey
Soll ich dir was sagen? Ich bekomme schon Rente. (lacht) Nein, ich habe mal was vom Staat bekommen, aber ich fühle mich nicht wie ein Rentner. Das hält einen schon alles auf Trab. Nicht mehr ganz so wie vor zehn oder zwanzig Jahren, aber solange es noch geht …
Time For Metal / Kay
Das Schicksal eines Musikers – auf der Bühne gestorben. Nein, das soll ja nicht sein. Erinnert mich etwas an den Sänger von Manilla Road, Mark „The Shark“ Shelton. Der hatte abends einen Auftritt bei einem Festival in Norddeutschland und ist dann in der Nacht gestorben.
Don Airey
Na, ich hoffe doch, dass dies nicht so schnell passiert. Noch gibt es viel zu tun.
Time For Metal / Kay
Das hoffe ich doch. Immerhin hast du mit Deep Purple vier Nummer-eins-Alben hintereinander auf den Weg gebracht. Und da wäre ein weiteres ja schön …
Don Airey
Ja, mal abwarten, was kommt.
Time For Metal / Kay
Sag mal, was für Musik hört ein Don Airey, wenn er nicht eigene Songs spielt? Jazz, Blues, Classic Rock?
Don Airey
Es gibt da schon so einiges, aber ich bin da nicht so festgelegt. Aber Klassik hat es mir schon angetan. Gerade so aus der Romantik – Chopin und Schumann. Da fällt mir ein, ich war in einem meiner Lieblingshotels in Düsseldorf und sah dort an der Wand ein Bild von Robert Schumann hängen. Ich fragte bei der Abreise, ob das mit dem Hotel zu tun hätte. Sie sagten mir dann, dass er hier 1830 für sechs Monate lebte. Ich fragte, wie lange es dieses Hotel denn schon gibt, und die Antwort war: seit 1810. Schon interessant – und ich bin halt auch sehr interessiert an dieser Zeit, also alles, was mit der Romantik und der Pianomusik zu tun hat. Ich versuche mich auch oft darin.
Time For Metal / Kay
Und neuere Sachen? Wir sind ja ein Metal-Magazin und beschäftigen uns vorwiegend mit den härteren Sachen.
Don Airey
Das ist nicht so ganz meine Welt. Ich mag schon die Seattle-Sachen, Alice In Chains steht da ganz weit vorne, vor allem mit Layne Staley am Mikro. Aber auch Soundgarden und diese Bands – das hat mir schon gut gefallen in den Neunzigern.
Time For Metal / Kay
Oha, gar nicht so meine Musik. Ich bin da damals nicht mit klargekommen. Ich glaube, die Siebziger haben mich geprägt und auch die Achtziger mit ihrem NWoBHM. Die Neunziger haben mich so gar nicht erreicht. Death und Doom aus Skandinavien dann schon eher.
Don Airey
Ich weiß, es gibt da so einiges, aber da kann ich nicht mitreden.
Time For Metal / Kay
Ich bin ja mit den größten Bands aufgewachsen: Deep Purple, Uriah Heep, Black Sabbath, Led Zeppelin, aber auch Pink Floyd und ähnliche Bands. Dafür schlägt mein Herz heute noch. Und wenn ich dann Deep Purple – Made In Japan höre, dann weiß ich, warum. Gerade das Mark II Line-Up mit Jon Lord und Ritchie Blackmore ist mega. Ich habe von fast allen Mitgliedern von Deep Purple die Platten: Glenn Hughes, Joe Lynn Turner, David Coverdale usw. Nur Joe Satriani hat mich nie wirklich erreicht – er passte nicht zu Deep Purple. Und als dann auch noch Jon Lord aufhörte, war ich schon etwas traurig.
Don Airey
Ich ja nicht, obwohl ich damals nicht verstand, wieso man Deep Purple verlassen will. Er war einer der wichtigsten Männer der Band und hat in den Siebzigern mit Blackmore Musikgeschichte geschrieben. Für mich war es eine Chance, die ich natürlich gern ergriffen habe, aber verstanden habe ich es nicht. Da fällt mir ein: Es gibt von Satriani eine Version von Highway Star, die einfach unterirdisch ist. Ich werde richtig krank, wenn ich die höre. Keine Ahnung, was er da gemacht hat.
Time For Metal / Kay
Oh, ich werde mal schauen, ob ich das finde. Aber er war ja nicht so lange dabei, zum Glück. Tja, damit hast du meine Fragen und noch viel mehr beantwortet. Der nächste Kollege wartet bestimmt schon. Vielen Dank für die Zeit und die offenen Worte. Viel Glück mit deiner neuen Scheibe, und ich werde – sollte es eine Tour geben – vorbeikommen. Ich habe hier noch ein schönes Bild von dir und Simon. Vielleicht magst du das ja noch unterschreiben? Von Simon hole ich mir das Autogramm später.
Don Airey
Das ist ein gutes Bild. Ich danke auch und wünsche dir alles Gute.
Damit endet das Interview. Nachdem ein weiterer Kollege dran war, hat Don Airey noch ein kleines Ständchen im Foyer von earMUSIC auf dem Klavier zum Besten gegeben und auch noch Zeit für ein Bild gefunden.