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Die Schweiz – eine ernst zu nehmende Metalszene?

Fünf hoffnungsvolle, aufstrebende Bands

Die Schweiz ist mit nur 41.284 km² ein kleines Land – aber in manchen Dingen ist sie ganz groß! Wer an die Schweiz denkt, der denkt an Geld, teure Uhren, Schokolade, Käse, die Schweizer Alpen, DJ Bobo, herrliche Landschaften, Sehenswürdigkeiten. Niemand käme nur annähernd auf die Idee, bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft zuallererst die Rock- und Heavy Metal Szene zu nennen.

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Wer an gut gemachten Rock- und Heavy Metal denkt, dem kommt die Schweiz nicht unbedingt als erstes Land in den Sinn, sondern eher die USA, Skandinavien oder auch die Szene vor der eigenen Haustür. Wenn überhaupt Schweiz, dann fallen einem einige wenige große und legendäre Bands ein, wie z.B. Celtic Frost, Messiah, Crystal Ball, Krokus, The Young Gods, Coroner, Gotthard, Drifter, Eluveitie, Poltergeist, CoreLeoni, Shakra, Samael, Hellhammer, China, Cataract …, doch gräbt man etwas tiefer, stellt man schnell fest, die Schweiz verfügt über eine gut funktionierende und spannende Rock- und Heavy Metal Szene. Mit den genannten Bands hatte man teilweise schon früh einen prägenden Einfluss auf die Metalgeschichte, doch auch heute noch bewegen sich einige von den genannten und noch viel mehr Underground-Bands der Schweiz sich zielstrebig auf das Level der sogenannten Metalgiganten zu. Seit Jahren schon boomt der Rock- und Metal Zirkus und so ist es an der Zeit, einen Blick auf die dortige Szene zu werfen und eine Reihe von Bands vorzustellen. Mit gewissen Abständen werde ich mir immer wieder einige interessante Bands der unterschiedlichsten Genres herauspicken und hier näher vorstellen.

Gomorra

Herkunft: Brugg, Aargau
Stil: Heavy Metal / Power Metal
Links: http://www.gonoreas.ch und https://www.facebook.com/Gomorraband/

Eingefleischte Metalfreaks werden sicherlich schon mal über den Namen Gomorra gestolpert sein, nicht zuletzt, weil es sich um die Band der aktuellen Destruction Klampfenbestie Damir Eskic handelt. Die aufstrebende Band gründete sich bereits 1994 unter dem Namen The Gonorrheas und ist seitdem in unterschiedlichsten Besetzungen aktiv, benannte sich dann zum Jahrtausendwechsel um in Gonoreas und ist seit 2019 unter Gomorra unterwegs. Das aktuelle Line-Up besteht aus Jonas Ambühl (Vocals), Damir Eskic (Guitar), Dominic Blum (Guitar), Nico Ardüser (Bass) und Stefan Hösli (Drums). Selbst bezeichnet man sich als Heavy Metal / Power Metal Band, doch das trifft es nur teilweise, denn die Schweizer sind vielschichtig unterwegs und machen gerne auch mal Ausflüge in den Speed Metal und verarbeiten Thrash- und selbst Blueselemente. Selbst vor Balladen mit Akustikgitarre schreckt der Fünfer nicht zurück, Behind The Wall (2018). Nachdem man bis zum Jahr 2000 nur zwei Demos auf den Markt werfen konnte, ging nach dem Jahrausendwechsel so richtig die Post ab. Seitdem veröffentlicht man in regelmäßigen Abständen EPs und Alben. Hat man sich bis dato nur in der Schweiz die Finger wund gespielt, öffneten sich mit den ersten Alben auch die Grenzen für erste Auslandseinsätze. Spätestens seit Veröffentlichung des Albums Apocalypse (2011) sind Gonoreas / Gomorra aus der Schweizer Metalszene nicht mehr wegzudenken und spielen vor ausverkauften Häusern. Auch spielte man im Vorprogramm renomierter Acts wie z.B. Night Demon, Destruction, Iced Earth, Ex-Accept-Shouter David Reece, Burning Witches, Stratovarius, Metal Church und Ex-Iron Maiden Fronter Blaze Bayley. Ab 2012 erkämpfte man sich auch Auftritte auf diversen Festivals, wie z.B. dem Metalfest oder dem Bloodstock Festival. Für den Song The Mask Of Shame (2013) vom gleichnamigen Album arbeitete man sogar mit Destruction Fronter Schmier zusammen, der dem Song eine herrlich thrashige Note verleiht. Das letzte Album Minotaur veröffentlichte man im Dezember 2018. Liebhaber von Bands wie Brainstorm, Iced Earth, Enola Gay, Communic, Vicious Rumors, Mystic Prophecy und Agent Steel sollten ruhig mal ein Ohr riskieren.

Gonoreas – The Mask Of Shame (2013):

Deep Sun

Herkunft: Aargau
Stil: Symphonic Metal / Power Metal
Links: https://www.deep-sun.com/index.php/de/ und https://www.facebook.com/DeepSun.official/

Auch Deep Sun sind in der Schweiz schon seit 2006 aktiv und sind insbesondere für Fans der großen Symphonic Metal Bands mit Female-Voices wie z.B. Nightwish, Within Temptation, Xandria, Epica, Sirenia und After Forever interessant. Die Band wurde von den beiden Brüdern Ermes und Eros Di Prisco gegründet, damals noch unter dem Banner 1 Hour. Im Jahr 2008 startete man einen Neuanfang und änderte den Namen in Deep Sun. Die beiden Bandgründer sind mittlerweile nicht mehr mit von der Partie, das aktuelle Line-Up ist seit 2011 aktiv und besteht aus Debora Lavagnolo (Vocals), Pascal Töngi (Guitar), Angelo Salerno (Bass), Tom Hiebaum (Keyboard) und Tobias Brutschi (Drums). Mit Frontfrau Debora hat man eine klassisch ausgebildete Sopranistin in den eigenen Reihen. Ein erstes Lebenszeichen gab man mit der EP Flight Of The Phoenix (2014) von sich. Die Band selbst versteht sich zuallererst als Liveband und hat somit in den letzten Jahren auch viele Konzerte gespielt, dennoch schaffte man nicht den Sprung über die nahe Grenze nach Deutschland. Das gelang dann erstmals im Jahr 2018, wo man auf dem Metalacker Festival im Schwarzwald spielen durfte. Jedoch konnte man bereits mit der zweiten Veröffentlichung Race Against Time im Jahr 2016 international auf sich aufmerksam machen und durchweg gute Reviews einfahren. Auch ergatterte man einen Plattenvertrag mit Massacre Records. Zwischenzeitlich teilte man sich die Bühne mit Größen wie z.B. Sepultura, Xandria und Eluveitie. Musikalisch bewegt man sich zwischen Symphonic Metal und Power Metal. Die Band will sich nicht einschränken lassen und tut nur das, worauf sie gerade Lust hat. So bietet auch das aktuelle Album Das Erbe Der Welt (2019) wieder die komplette Bandbreite zwischen symphonischen Songs, schnellem Power Metal, Heavy Midtempo-Nummern und auch gefühlvollen Balladen. Man schaut gerne über den Tellerrand hinaus und so hat man mit Das Erbe Der Welt auch eine deutschsprachige Ballade auf dem Album, oder mit The Raven ein 15-minütiges Epos, das jegliche Genregrenzen durchbricht.

Deep Sun – Worship The Worship (2019):

Black Diamonds

Herkunft: St. Gallen
Stil: Hardrock / Melodic Rock
Links: https://www.blackdiamondsrock.com und https://www.facebook.com/BlackDiamondsRock/

Hardrock hat in der Schweiz dank Bands wie Krokus, Gotthard und ähnlichen Kombos eine lange Geschichte. Somit ist es nicht verwunderlich, das junge Bands, wie die 2004 gegründeten Black Diamonds, versuchen, in die Fußstapfen der Alten zu treten. Vielen Bands waren die Fußstapfen zu groß, doch die Band aus dem St. Galler Rheintal hat definitiv das Zeug dazu, solch ein großes Erbe anzutreten. Namentlich sind das Michael Kehl (Vocals, Guitar), Andreas Rohner (Guitar), Andi Fässler (Bass) und Manuel Peng (Drums). Stilistisch orientiert sich die Band seit jeher am kernigen und dreckigen (Hard) Rock der 80er Jahre. 2008 erschien das erste Album First Strike, welches heute jedoch nicht mehr verkauft wird. Songs daraus fanden aber in überarbeiteter Version den Weg auf das aktuelle Werk Once Upon The Time (2017). 2013 folgte der zweite Streich Perfect Sin und letztendlich Once Upon The Time in 2017. Zwischendurch schrieb man dem Black Thunder MC die gleichnamige Clubhymne, wirkte in einem offiziellen Werbespot der Schweizer Bundesbahnen (SBB) mit und stand für eine komplette Episode der Schweizer Schrauber-Serie Pimp It Or Kick It vor der Kamera. Die vier Musiker haben ihre Seele dem Rock ’n‘ Roll verkauft und schaffen mit schöner Regelmäßigkeit Songs, die zum Mitfühlen und Mitsingen bewegen. Live rocken sie die Bühne, bis sich die Balken biegen und auch optisch geben sie ein durch und durch authentisches Bild ab. So teilten sie sich die Bühne bereits mit Roger Chapman, H.E.A.T., den Crazy Lixx, Crystal Ball oder auch Frei.Wild. 2018 eröffneten sie ganz kurzfristig das Bang Your Head Festival für die ausgefallenen Kickin` Valentina und lieferten eine hervorragende Visitenkarte ab.

Black Diamonds – Thrillride (2017):

Abinchova

Herkunft: Luzern
Stil: Folk / Viking / Pagan / Melodic Death Metal
Links: http://www.abinchova.ch und https://www.facebook.com/Abinchova/

Die marcha abinchova findet im Jahr 893 ihre erste Erwähnung in einer geschichtlichen Urkunde. Auf dem ehemaligen Siedlungsgebiet des Alemannen Ebo steht heute die Luzerner Vorortsgemeinde Ebikon. In einem Keller dieses Dorfes gründete sich im Jahr 2005 die Folk Metal / Melodic Death Metal Band Abinchova. Vom damaligen Line-Up ist heute einzig und allein Violinistin und Sängerin Nora Lang noch in der Band aktiv. Das aktuelle Line-Up besteht aus Arnaud Hilfiker (Vocals), Manuel Wiget (Bass), Michael Maierhofer (Guitar), Mischa Blaser (Drums), Nora Lang (Violin, Vocals), Patricia Lang (Keyboard) und Serge Hauri (Guitar). Die Band ist das beste Beispiel dafür, dass Metal aus der Schweiz nicht zwangsläufig an Genregrenzen gebunden ist. Auch wenn man sich gewissermaßen dem Folk Metal verschrieben hat und man bei dem Genre zuallererst an die Landsleute von Eluveitie denken muss, so ist ein Vergleich beider Bands nur partiell sinnvoll. Zwar erzählen beide alte mythische Geschichten und geben sich volkstümlich, doch während Eluveitie auf ihre instrumentale Vielfalt und den Wechselgesang setzen, so stehen bei Abinchova Todes-Riffing, treibende Rhythmen und deutscher, an Eisregen und Equilibrium erinnernder, Männergesang im Vordergrund, der mal von einem Hauch Frauengesang, mal von einer lieblichen Geigenmelodie abgerundet wird. Die Band legt Wert auf Eigenständigkeit und korrekt müsste das Genre Melodic Folk Death heißen. Ab 2009 fanden regelmäßige Auftritte statt und das Demo Hörensagen wurde unter die Leute gebracht. Unter dem Namen Rauhnacht wurde eine eigene Konzertreihe in Luzern veranstaltet und 2011 wurde Versteckte Pfade in Eigenregie veröffentlicht. Zahlreiche Konzerte im In- und Ausland folgten, inkl. Festivalauftritte beim Metalcamp, beim Metalfest und beim Ragnarök. 2012 folgte die EP Handgeschrieben und 2014 das nächste Album Wegweiser. Es folgten Konzerte mit Eluveitie und Auftritte auf dem Free & Easy Festival und den MetalDays. Mit In Extremo und Blues Pills spielte man auf dem Eluveitie & Friends Festival, bevor es 2016 auf die 70.000 Tons Of Metal Cruise ging. Auf dem dritten Album Weltenwanderer (2018) erzählen Abinchova von mörderischen Strohpuppen und in den Wahnsinn getriebenen Liedermachern, bevor es erstmals mit Eluveitie nach Japan ging.

Abinchova – Schatzhüter (2018):

Freakings

Herkunft: Bubendorf, Basel-Landschaft
Stil: Thrash Metal
Links: https://www.freakings.ch und https://www.facebook.com/freakings/

Old school to the bone! lautet das Motto der Freakings aus Bubendorf. Die 2008 gegründete Thrash-Kapelle spielt auch gut 12 Jahre nach der Gründung noch immer in Originalbesetzung, als da wären Axeman, Speadfreak und Shouter Jonathan Brutschin, Bassist Toby Straumann und Brüderchen Simon Straumann, der Mann hinter der Schießbude. Authentische, widerstandsfähige Schweizer, eben Freakings – nicht einfach nur eine Band! Nun gibt es viele junge Bands, die Retro-Thrash spielen und dabei an Eigenständigkeit einbüßen, und es gibt Bands, die zwar traditionell, aber dennoch frisch und nicht altbacken klingen. Zu letzterer Spezies gehört auch das Schweizer Trio, das ungewohnt schnell, rasant, brutal und kompromisslos daherkommt. Drei extrem spielfreudige Rabauken, die für ihre Sache alles an kochendem Herzblut opfern, was die Pumpe nur hergibt. Schon als man 2011 mit No Way Out! das erste Album rausprügelte, war schnell klar, mit diesen Abriss-Buben muss man auch zukünftig rechnen. Man feilte an Fähigkeiten und Fertigkeiten und legte 2014 in Form von Gladiator noch kerniger nach. 2017 folgte mit Toxic End die perfekte Begleitmusik zum Weltuntergang, so handeln auch die meisten Songs von Krieg, Zerstörung und Terror. Mittlerweile liegt mit Rise Of The Violence (2019) der vierte Rundumschlag vor, der sich mit einer prägnanten Aussage zusammenfassen lässt; „eis voll i d`Pfrässi!“. Kein Thrash-Fan der richtig alten Schule bekommt bei den Freakings kein nasses Höschen! Wer sich live überzeugen will, die Band hat ihr eigenes kleines Festival, das Freakout Festival, bei dem das Kurhotel Guggenheim in Liestal am 4. Januar 2020 in Schutt und Asche gelegt wird. Neben den Freakings spielen Dead Born Vision, Hellvetica, Fusion Bomb und Ravager. Besser kommt ihr nicht ins neue Jahr!

Freakings – Time To Thrash (2019):

https://www.youtube.com/watch?v=fR1ITc2eVes

Fortsetzung folgt !!!