Ein Blick über den musikalischen Tellerrand: Max und Jonas alias Das Lumpenpack im Interview

„Rockmusik ist einfach fucking großartig!“

Artist: Das Lumpenpack

Herkunft: Stuttgart, Deutschland

Genre: Rock, Pop, Comedy

Label: Roof Records

Link: http://www.daslumpenpack.de

Bandmitglieder:

Gesang – Jonas Meyer
Gitarre und Gesang – Max Kennel
Gitarre und Keyboard – Jason Bartsch
Bassgitarre – Lola Schrode
Schlagzeug – Alex Eckert

Max Kennel und Jonas Meyer gründeten im Jahr 2012 Das Lumpenpack. Ob mit Poetry-Slam zum Start ihrer Karriere oder zuletzt in Musikclubs – jahrelang war das sympathische Duo auf der Bühne unter sich. Mit dem „neuen Rest der Band“ und ihrer musikalischen Jahresabrechnung WZF?! im Gepäck, geht es für Das Lumpenpack endgültig raus aus dem Kleinkunsttheater und rauf auf die große Bühne.

Time For Metal / Florian W.:
Hallo an die Jungs und Mädels von Das Lumpenpack. Bevor wir zu den ernsten Themen Musik, Corona und Konfetti kommen, erst mal folgende Fragen vorweg: Stichwort 7 von 10: Welche empfehlenswerte Serie habt ihr zuletzt auf Netflix gesehen und welche war eine herbe Enttäuschung?

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Aktuell gucken wir beide Damengambit und sind sehr begeistert, ich ganz besonders, weil ich seit Kindesbeinen ein riesiger Schachnerd bin.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
The Trial of the Chicago 7 ist gerade ein Wahnsinnsfilm auf Netflix.

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Und die neue Staffel von The Alienist fällt dafür eher unter sehr herb enttäuschend.

Time For Metal / Florian W.:
Jetzt noch die wichtigste Frage: Welche Serienfigur würdet ihr gerne verkörpern und warum?

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Alleine um in den Genuss der bedingungslosen Freundschaft von Charles Boyle zu kommen, muss die Antwort hier Jake Peralta aus Brooklyn 99 sein.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
In der aktuellen Situation wäre es toll, Pettersson von Pettersson Und Findus zu sein. Autarker Selbstversorger abseits der Zivilisation mit viel Fantasie, Material und Werkzeug. Die Rentnerversion von Fynn Kliemann, ohne den 48 Stunden Tag.

Time For Metal / Florian W.:
Angefangen mit Poetry-Slam, habt ihr die letzten Jahre vor allem musikalisch die Bühnen unsicher gemacht. Mit verzerrten Gitarren und eurem neuen Song WZF?! im Gepäck landet ihr also im Interview mit Time For Metal. Wie wäre es für euch, in den nächsten Jahren die Bühnen der großen Metalfestivals wie z. B. Wacken zu stürmen?

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Das wäre groß! Gerade Metalfans und Leute, die sich in diesem Kosmos bewegen, sind unserer Erfahrung nach superfreundlich und aufgeschlossen.

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Und es wirkt – zumindest von unserer Perspektive aus – so, als ginge es da noch viel mehr um die Musik und nicht um das Event an und für sich, was wir auch sehr gutheißen.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Außerdem scheint da ein gewisser Grad an Selbstironie und Bereitschaft über sich selbst zu lachen, vorhanden zu sein, was ein großer Pluspunkt ist, wenn man sich bei uns im Publikum wiederfindet.

Time For Metal / Florian W.:
Unzählige Views und Streams für eure Hits Guacamole und Hauch Mich Mal An, ein Auftritt vor Tausenden Menschen auf dem Open Flair, diverse Preise und Auszeichnungen und hohe Chartplatzierungen. Gab es einen Meilenstein auf eurem Weg, der euch persönlich am meisten bedeutet?

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Gefühlt gibt es keine Meilensteine oder Quantensprünge, wenn man direkt Teil einer Entwicklung ist, die für uns total generisch wirkt. Aber im Nachhinein betrachtet war unser erster Auftritt auf dem Open Flair 2014 enorm wichtig für uns, da wurde uns irgendwie klar, dass wir mehr sein können und wollen als ein Comedy- oder musikalischer Kultur-Act.

Time For Metal / Florian W.:
Warum sollten unsere Leser unbedingt Das Lumpenpack hören?

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Weil man, glaube ich, richtig Spaß haben kann, wenn man sich drauf einlässt. Es ist vielleicht manchmal ein bisschen anstrengender und schwerer zugänglich als Musik, die man sonst so hört, aber es ist in sich total konsistent und auf gewisse Art und Weise kompromisslos im Bezug auf Spaß.

Time For Metal / Florian W.:
Als mir ein Kumpel eure Musik empfohlen hatte, dachte ich beim Bandnamen erst an eine Mittelalterband. Wie seid ihr zum Lumpenpack geworden?

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Haha, ohne Quatsch, wir warten seit Jahren darauf, dass wir mal versehentlich auf einen Mittelaltermarkt gebucht werden.

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Aber es ist so schwierig, die Herkunft des Namens zu definieren, das war irgendwann eine Kurzschlussreaktion, als wir anfingen aufzutreten und plötzlich gefragt wurde, wie wir denn heißen.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Und damals hatten wir grade eine große Streiche-Spielen-Phase, und Max Und Moritz werden bei Wilhelm Busch einmal als Lumpenpack bezeichnet – ich glaube, da werden sie kurz darauf in der Mühle klein gemahlen – und dann haben wir uns einfach dafür entschieden. Bis heute warten wir auf unseren Mühlen-Moment.

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Konnte ja auch niemand ahnen, dass wir dann etliche Jahre mit dem Namen rumlaufen, war uns damals ja null bewusst.

Time For Metal / Florian W.:
Am 16.03.2020 habt ihr für eure Fans ein besonderes Quarantäne-Konzert aus dem menschenleeren Kölner Gloria Theater gespielt und gestreamt. 10.000 € wurden von euch via Crowdfunding angepeilt. Zum Schluss kam eine sagenhafte Summe von über 140.000 € zusammen. Hand aufs Herz, wie viel Geld geht für Konfetti drauf?

Spaß beiseite, ihr habt daraufhin das Veranstaltungslabel Quarantine`s Over ins Leben gerufen. Würdet ihr etwas mehr darüber erzählen?

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Erst mal hat uns der Erfolg völlig umgehauen, das waren absurde Tage, wir hatten echt Angst, dass wir mit den 10.000 € zu hoch greifen und wir uns am Ende blamieren, aber dann hat das so eine krasse Dynamik entwickelt. Und final haben ja 25.000 Leute live online das Konzert verfolgt und es wurde diese unglaubliche Summe.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Gleichzeitig waren wir damals noch der Hoffnung, dass im Herbst 2020 wieder ein normaler Konzert- und Showbetrieb stattfinden kann. Deshalb wurde das Geld an verschiedene Veranstalter, Locations und Clubs verteilt mit der Ursprungsprämisse unmittelbar nach dem Ende des Ausnahmezustands gut bezahlte, aber für die Zuschauer günstige Shows zu veranstalten. Denn nicht nur sind die Läden während der Maßnahmen geschlossen, sondern auch der Vorverkauf für die Shows danach steht ob der Unsicherheit quasi still. 

Das Lumpenpack / Max Kennel:
So wollten wir das quasi ankurbeln, aber die Situation hat sich seitdem ordentlich gewandelt und wir haben den Läden freie Hand gelassen, wie sie das Geld einsetzen. So haben manche angefangen, ihre Shows, die sie jetzt im September vor verringertem Publikum spielen konnten, querfinanziert, andere Events wurden wie geplant abgewickelt. Insgesamt kommt das Geld aber bei den richtigen Leuten an, nicht nur den Künstlern, sondern auch und vor allem den Leuten hinter Ton- und Lichtpulten, den Stagehands etc. pp. Für die die jetzige Situation teils viel schlimmer als für die Auftretenden ist.

Time For Metal / Florian W.:
Um der Tristesse der konzertfreien Zeit zu entgehen, habt ihr im Mai den Lumpenclub gegründet. Was bietet ihr euren Fans auf dieser Plattform an?

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Der Lumpenclub ist natürlich mit Abstand der beste Club der Welt. Wir machen dort einen wöchentlichen Podcast, einmal im Monat gibt es ein neues, unveröffentlichtes Lied von uns und wir geben den Leuten via Instagram und Discord viel detailliertere Einblicke rund um den Produktionsprozess der neuen Nummern und all das Drumherum, von dem man als Fan ja sonst quasi gar nichts mitbekommt.

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Was außerdem voll schön zu beobachten ist, ist, wie sich die Community untereinander vernetzt. Im Lumpenclub destillieren sich Fans, denen unsere Musik wirklich viel gibt, und die lernen sich kennen und werden plötzlich Freunde. Das ist toll, weil wir hautnah mitbekommen, wie wichtig das, was wir machen, für Leute ist. Grade ohne Livekonzerte ist das ein Gefühl, das einem ganz schnell verloren geht.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Absolut, man fragt sich schon, für wen man das eigentlich macht, wenn man das ganze Jahr über nur über Online-Meetings Songs schreibt und produziert, aber dank des Clubs wissen wir wieder sehr genau, wofür wir das machen.

Time For Metal / Florian W.:
Nach acht Jahren zu zweit auf der Bühne, seid ihr in Zukunft zu fünft. Unterstützt von Jason Bartsch (Gitarre und Keyboard), der euch in der Vergangenheit schon als Support begleitet hat, sind auch Alex Eckert (Schlagzeug) und Lola Schrode (Bass) neu im Team. Wie kam es dazu und wie viel Wahrheit steckt in der Tragödie Vom Rest Der Band?

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Ha, in der Tragödie steckt nicht viel Wahres, tatsächlich sind das jetzt unsere ersten Gehversuche mit einer ständigen Band im Rücken. Wir hatten schon mal ein paar Produktionen, wo wir für einzelne Songs begleitet wurden, aber jetzt geht es eben „full force“.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Vielleicht ist das der letzte Schritt unserer Metamorphose, die wie vorhin erwähnt mit unserem ersten Open Flair begann. Bis vor zwei Jahren saßen die Leute bei unseren Konzerten auf Stühlen, wir haben in Kleinkunsttheatern gespielt. Jetzt waren wir zwei Jahre lang zu zweit in Musikclubs unterwegs und inzwischen stößt das auch einfach größentechnisch an eine Grenze, wo wir zu zweit nicht mehr den Druck aufbauen können, den man vielleicht vor 500 Leuten noch mit einer Gitarre allein hinbekommt, aber da kommen jetzt immer mehr dazu. Das macht uns total glücklich, aber da muss man dann auch was bieten.

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Und außerdem macht es so viel Spaß. Klingt pathetisch, aber Rockmusik ist einfach fucking großartig. Und das wollen wir machen.

Time For Metal / Florian W.:
Wie sieht für euch der perfekte Steil-geh-Tag aus?

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Steil-geh-Tage sind allein von der Einstellung abhängig.

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Ja, es geht da viel darum, das Beste aus aktuellen Umständen zu machen. Aber natürlich hat ein perfekter Steil-geh-Tag meistens irgendwann auch mit Bier zu tun.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Und gutem Wetter.

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Laute Musik. Snacks.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Snacks!

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Mit viel Schlaf und trotzdem lange Wachbleiben!

Time For Metal / Florian W.:
Welches ist der peinlichste und welche der härteste Song in eurer Playlist?

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Puh, ich finde beide Kategorien total Definitionssache. Ich würde aber in Personalunion Hypa Hypa von Eskimo Callboy nominieren. Das hinterlässt mich jedes Mal total ratlos, ich finde es fürchterlich, peinlich, wundervoll und großartig gleichzeitig und eine für meinen Musikgeschmack sonst untypische Härte bringt es auch mit. Insgesamt dadurch ein Megasong, aber ich würde es nicht vorzeigen, wenn mich jemand fragen würde, was ich grade so höre.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Ich habe mich in den letzten Wochen intensiv in das neue Album von Biffy Clyro verliebt. Hatte vorher allerdings überhaupt keinen Bezug zur Band und ihrer Musik. In diesem Zusammenhang habe ich mich dann gefragt, ob und wie man zu dieser neuentdeckten Liebschaft steht. Peinlich oder cool? Pop oder Prog? Deine Expertise zählt, Florian: „Sind Biffy Clyro der peinliche Teil meiner Playlist?“ Härtester Song für immer Hallowed Be Thy Name – ich liebe das Twin-Guitar-Outro. Führe eine On-off-Beziehung mit Iron Maiden. Hyped mich.

Time For Metal / Florian W.:
Danke Jonas, dann greife ich deine Frage doch gleich mal auf. Biffy Clyro sind definitiv nicht peinlich! Alben wie Puzzle, Only Revolutions oder Opposites gehören für mich zu den ganz großen Platten des Alternative Rock. Dabei bringen die Schotten auch Anleihen aus Progressive Rock und Pop mit.

„Hilfe für die Lufthansa, Mitleid für die Kunst“, heißt es in eurem neuesten Song WZF?!. Wie hilflos fühlt ihr euch als Künstler in der aktuellen Situation?

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Hm, wir sind zum Glück in der total privilegierten Situation, dass wir einige wirklich gute Jahre hinter uns haben, daher geht es uns sicher besser als vielen anderen Künstlern, uns erschreckt eher, wie selbstverständlich das hingenommen wird, dass die wirklich umfassenden Staatshilfen für den Kulturbereich ausbleiben. Auftretende, Veranstalter, Clubs, es bleibt da gefühlt viel zu still.

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Es ist auch einfach ein Kampf gegen Windmühlen, daher ist schon eine gewisse Hilflosigkeit vorhanden. Man hat echt gute Hygienekonzepte entwickelt und einen scheinbar sicheren Spielbetrieb wieder aufgenommen und trotzdem muss man jetzt wieder schließen – das ist total ernüchternd.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Es nervt vor allem, dass es so unabsehbar ist, wann es wirklich weitergeht.

Time For Metal / Florian W.:
Songs wie Mein Hass oder die musikalische Jahresabrechnung WZF?! sind „Aufreger-Themen“, die aktuell viele Menschen beschäftigen. Welche Abrechnungen bekommen wir in Zukunft von euch zu hören?

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Puh, ich glaube, als Nächstes müssen wir erst mal wieder was total Banales und rein Spaßorientiertes machen, sonst haben die Leute bald eine falsche Erwartungshaltung an uns.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Total, wir sind ja keine ausschließlich politische oder diskursorientierte Band, sondern leben einfach in politischen Zeiten, die Diskurs notwendiger machen denn je.

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Wir wollen ja eigentlich keine Songs über Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker schreiben, aber es fühlt sich manchmal so an, als müssten wir´s.

Time For Metal / Florian W.:
Da ihr vermutlich nicht tagtäglich Interviews für Metalmagazine gebt, biete ich euch jetzt gerne die Gelegenheit, eine Frage an Time For Metal zu stellen. Was wolltet ihr schon immer von einem Online-Magazin wie uns wissen?

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Für alle metalspezifischen Fragen haben wir unseren Tontechniker, der ist ein wandelndes Metal-Lexikon.

Das Lumpenpack / Jonas Meyer:
Der liest das hier auch unter Garantie – hat ein Abo. Grüße an Sascha Sahnesound!

Das Lumpenpack / Max Kennel:
Der Mann mit dem laktosehaltigsten Sound nördlich vom Rio Grande.

Time For Metal / Florian W.:
Dem ist nichts mehr viel hinzuzufügen und ich danke euch für den ausführlichen Blick hinter die Kulissen von Das Lumpenpack. Ich hoffe, man trifft sich in Zukunft auf einem eurer Konzerte. Bleibt gesund!