Jartse Tuominen – Untold Stories

“Fortgeschrittene Fahrstuhlmusik“


Artist:
Jartse Tuominen

Herkunft: Finnland

Album: Untold Stories

Spiellänge: 42:00 Minuten

Genre: Progressive, Jazz, Blues

Release: 18.03.2016

Label: Sledgehammer/MIG

Bandmitglieder:

Gitarre – Jartse Tuominen

Tracklist:

  1. Extraordinary
  2. Hybrid Fusion
  3. Mesa
  4. Time To Go
  5. Simppa Goes To Töysä
  6. Trouble Shuffle
  7. Untold
  8. Nine Lives
  9. Yeah Right
  10. Farewell

Jartse Tuominen – ein Mann, eine Stromgitarre.
Rein instrumental mit Verzicht auf Gesang proggt der Saitenbezwinger eine Dreiviertelstunde ganze zehn Songs zusammen und tauft die Kiste Untold Stories. Tuominen ist selbst ein eher unbekanntes, aber nicht unbeschriebenes Blatt. Der wohnhafte Texaner aus Finnland komponiert für Fernsehen und Werbespots, hat bei gut einhundert Alben seine Hexer-Finger im Spiel und verbucht sogar zwei Mal Gold durch Filmsoundtracks.Durch die hohen Erwartungen genug, da mal die musikalische Nase reinzuhalten.

Der erste Eindruck?
Das Hauptmenü eines Fußball-Spiels auf dem Super Nintendo.

Gerade der Synthesizer-Klang verstärkt den Eindruck der 80er-Jahre. Temperamentvoll und gut produziert führt Extraordinary nach dem rasanten Start auch in sanftere Gefilde. Noch gebrandmarkt von Assoziationen zu blauen Sega-Igeln fällt einem sofort das glasklare Handwerk von Tuominen auf. Vor virtuosem Tapping den Gitarrenhals hoch und runter und präzisesten 16tel-Noten kann man da schon mal den Hut ziehen. Und im Hintergrund obendrein markant jazzig die Hammond-Orgel. Ohne Bass-, Synthie- und Drum-Solo wäre bereits hier das pure Gitarrenspiel aber eher nervig. Das könnte die neun restlichen Songs noch durchaus anstrengend werden.

Hybrid Fusion kann mit kreativen Takten der Drums punkten, die Gitarrenmelodie der „Strophe“ (wenn man das so nennen kann) nervt aber bereits zu Beginn. Der Bridge-Part kommt da noch am angenehmsten weg. Ruhigere Gewässer fährt dafür Mesa an. Die Midtempo-Nummer bietet etwas Zeit zum Verschnaufen. Und Genießen. Schön, wenn Tuominen dutzende Noten in eine Sekunde packen kann – zur Geltung kommen die wenigsten davon. Gerade, wenn er es ruhiger angeht, entfalten sich die Melodien viel intensiver, wie man Mesa wunderbar entnehmen kann. Und noch langsamer – und deshalb stärker – untermauert Time To Go exakt dies. In der Ruhe liegt die Kraft. Nach Midtempo wird es nun balladiös. Zu Time To Go kann sich deshalb ein Gitarrenbauer schon mal begraben lassen. Bisher der Höhepunkt auf Untold Stories. Denn Simppa Goes To Töysä törnt durch all das hastige Sechssaiter-Gedudel wieder extrem ab. Ein paar gute Breaks retten den Song vor der Skip-Taste. Allgemein sollte Tuominen weniger fixiert auf die pure Präsenz der Gitarre komponieren, sondern den anderen Instrumenten mehr Raum zur Entfaltung lassen. Eben jene Abschnitte runden die Songs ab und sorgen für die nötige Kurzweil.

Sechster Song: Trouble Shuffle – Alles klar, Werbe-Jingle für Windeln. Nächster Song.

Untold beginnt mit sanftem Piano-Hall, Hamond-Orgel und Akustikgitarrenspiel. Wieder ein ruhiger Song und Zack! – kann er einen wirklich berühren. Vielleicht sollte Tuominen nur noch Schnulzen verfassen. Dann stolpert er scheinbar nicht über seine immensen Fähigkeiten, sondern zeigt, was er empfindet. Und das funktioniert.
Auch Farewell, der letzte Song auf Untold Stories, fällt ruhiger aus und kann sich hören lassen. Umso schwieriger haben es die beiden Titel davor. Nine Lives und Yeah Right wollen abermals ausrasten, strengen aber nur noch an, erinnern an schlechte Sitcom-Songs oder Motorrad-Rennspiele.
Slash von Guns’N’Roses hat vielleicht nicht im Ansatz das Können von Tuominen gepachtet, aber einige seiner Soli sind einfach unfassbar gute Melodien, die alleine für sich stehen können, wenn man bspw. an November Rain denkt. All das gönnerhafte Gefrickel nützt deshalb Tuominen und der gesamten Platte nichts – weniger ist manchmal doch mehr.

 

Fazit: Skills sind zweifellos vorhanden, nicht nur bei der Lead-Gitarre selbst. Auch Schlagzeug oder Tastendrücker im Hintergrund haben ihre Hausaufgaben gemacht, kommen aber viel zu kurz. Letztendlich ist Untold Stories doch ziemlich zügig durcherzählt und berauschend viel bleibt dabei nicht hängen. Jeder Donkey-Kong-Soundtrack bietet wohl zeitlosere Melodien und vermag sogar mit abgeranzter 16Bit-Romantik mehr zu berühren. Untold Stories hat viel Verstand, aber an vielen Stellen zu wenig Herz.

Anspieltipps: Mesa, Time To Go, Untold
Glenn V.
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