Radio Bob! rockt die 125. Kieler Woche vom 22.06. – 30.06.2019

Die Weltstars fehlen zum Jubiläum

Eventname: 125 Jahre Kieler Woche

Bands: ca. 400

Ort: Kiel, Schleswig-Holstein

Datum: 22. – 30.06.2019

Kosten: (fast alle) kostenlos

Genre: Alle

Link: http://www.kieler-woche.de/

Seit heute Nacht ist sie vorbei, die 125. Kieler Woche.

3,5 Millionen Besucher waren zu Gast an zehn sonnengefluteten Tagen an der Förde.
Die Bilanz: Sonnenbrand, wunde Füße und einen Sack voller Eindrücke!

Kleinkunst an jeder Ecke!

Warum dieser Eventbericht? Weil es mit Radio Bob! zum dritten Mal ein Rockcamp auf dem Segel- und Volksfest gegeben hat, das einem Festival gleicht. Während auf dem Fest an der gesamten Förde fast 1.300 Kleinkünstler und 400 Bands aller Genres Konzerte geben, konzentriert sich das wesentlich interessante Geschehen um den Rock, Hardrock und Metal in dem vom Wacken Open Air organisierten Rockcamp. 16 Großbühnen bieten den Gästen in der gesamten Innenstadt eine ordentliche Auswahl an Bands aller Stilrichtungen. Auf einer Partymeile von rund zehn Kilometern geht es wirklich von landestypischer Folklore bis zum Death Metal.
Seit Jahrzehnten organisieren die Schleswig-Holsteinischen Radiosender auf dem größten Event im Norden Europas davon eigene Bühnen. Da sind die öffentlich-rechtlichen Sender mit dem NDR, aber auch die privaten mit der Regiocast-Gruppe vertreten. Regiocast, das sind hier im Norden der Sender Radio Schleswig-Holstein (R.SH), Delta Radio und Radio Bob!, seit dem Ausstieg von Radio Nora. Jeder Sender bedient auf seiner Bühne seine spezielle Zielgruppe. Ausgerechnet in diesem Jubiläumsjahr konnte der NDR keine Bühne stellen, da an seinem angestammten Ort ein neues Fährterminal gebaut wird. Sie engagierten sich stattdessen auf der stadteigenen Bühne am Rathausplatz und vermitteln Sternchen, die sich die Stadt nicht leisten könnte. Neu war auch die Patenschaft von Rock-Antenne Hamburg mit einer Bühne. Hier kamen aber nur Coverbands zum Einsatz, diese bleiben deshalb unerwähnt.

Früher überboten sich die Sender teilweise mit Hochkarätern und Internationalen Stars. Die blieben in diesem Jahr zu Hause. Allein viermal Manfred Mann´s Earth Band, Fisher Z oder Mike & The Mechanics um Genesis-Gitarrist Mike Rutherford. 2003 traten die Pretenders um die charismatische Frontfrau Chrissie Hynde auf. 2006 die Simple Minds, 2008 Bad Religion, 2009 Foreigner, 2011 Human League. Selbst in jüngerer Zeit gab es noch Prominenz. 2016 Nina Hagen, 2017 Bob Geldorf oder 2018 Apocalyptica. 2019 zur 125. Kieler Woche blieben diese Hochkaräter aus. Warum? Passt es nicht in den Tourplan? Zu teuer? Auch gewohnte Wiederholungstäter, wie die beliebten Torfrock oder Lotto King Karl, fehlten. Wie das Torfrock-Management mitteilte, gab es zwar gute Vorgespräche, einen Abschluss aber nicht – dafür eben das Rockcamp zum dritten Mal. Schaun mer mal wie die Woche so lief:

Freitag, 21.06.2019

Am Tag vor der offiziellen Eröffnung geht es schon los. Als wenn die Nordlichter es mit Ihren Gästen nicht abwarten können, hat sich der sogenannte Soundcheck zu einem der populärsten Tage entwickelt. Natürlich zieht es uns an die Kiellinie. Dies ist eine kilometerlange Promenade direkt am Wasser, die ganze Förde entlang. Hier hat sich das Rockcamp etabliert. Direkt in der Nachbarschaft zum Regierungsbezirk ist es an prominenter Stelle aufgebaut. Ab 19:00 Uhr beginnt das Treiben in der ganzen Stadt. Hier lässt man sich Zeit, denn der Opener beginnt erst eine halbe Stunde später. Die Berliner Band Kensington Road eröffnen mit ihrem Indie-/Alternative-Rock das Programm. Das Quartett hatte ihr drittes Album Lumidor im Gepäck, das sogar in die deutschen Charts einstieg. Ein knalliger, saftiger Sound, dominiert von Stefan Tomeks kräftiger Stimme katapultiert Tracks wie White Noise, Here We Go Now oder Blacktop in die Ohren der Zuhörer. Bei der Laufkundschaft dürften sie einige neue Freunde gewonnen haben, die Fläche war rappelvoll.

Thundermother mit Andi Feldmann

21:00 Uhr, die Moderatoren von Radio Bob! kündigen das erste Highlight an. Thundermother entern die Bühne und geben mächtig Gas. Whatever, ihr größter Hit, steht als erstes auf der Setlist. Wie immer als zweiten Song bringt Gitarristin Filippa Nässil den Song Cheers. Hier ist der Name Programm. Mal schnell ’ne Flasche Bier auf Ex geleert und dann damit die Gitarre gespielt. Läuft! Brösel alias Rodger Feldman steht als Einheizer auf der Bühne, nachdem die Securitys ihn aus dem Fotograben vertrieben haben. Plötzlich steht auch Bruder Andi Feldmann auf der Bühne, greift sich ein Mikro, packt eine Mundharmonika aus und spielt zu Revival mit. Lautstarker Szenenapplaus, der bestimmt 5.000 Besucher für den Kultschrauber und ein paar Küsschen der Schwedinnen sind, ist der Lohn. In ihrem eineinhalbstündigen Programm verstecken die Mädels weiterhin alle ihre Hits, die von der Menge abgefeuert werden. It’s Just A Tease oder Hellevator, nichts wird ausgelassen. Die neue Bassistin Majsan Lindberg kommt immer mehr aus sich heraus und wird auf der Bühne immer sicherer.

Nach dem Konzert ist vor dem Konzert. Das gilt auf der Kieler Woche erst recht so. So bleibt meinem Kumpel, der wieder extra aus NRW zur Kieler Woche angereist ist, nichts anderes übrig, mir in die Pumpe zu folgen. Wenn die anderen Bühnen schließen müssen, geht es hier erst los. Im Roten Salon dürfen bis mitten in die Nacht Nachwuchsbands und Newcomer ihr Programm vorstellen. Die diesjährige Showbox eröffnet Pay Pandora um 23:00 Uhr. Die Vier sind mittlerweile schon bekannt, so ist die Kellerlocation gut gefüllt. Schließlich waren sie auch schon Support bei Status Quo. Die Hardrockband aus Heide rockt den Keller mit ihrem eigenen Programm. Sie machen ordentlich Werbung für Ihr Crowdfunding-Projekt zur Finanzierung Ihrer ersten regulären CD. Da sie einige im Publikum mit einem Thundermother-Shirt sehen, beginnen sie den Abend entgegen ihrer Gewohnheiten mit einem hervorragenden Whatever-Cover.

Inner Axis

Auch die nächste Band, die Kieler Inner Axis, durften schon als Support von Iced Earth ran und erlangten so unsere Aufmerksamkeit. Allerdings ist ihr zweites Album We Live By The Steel nicht unser Ding. So verlassen wir die Schwerter schwingenden Metaller und machen Feierabend.

Und sonst: Alles richtig gemacht, als Rockfan nichts verpasst. Auf dem Rathausplatz war Kelvin Jones mit seinem Pop zu Gast, auf der Jungen Bühne die Kieler Newcomer Gordon Shumway, die einen hörenswerten Punk spielen.

 

Tatort Kieler Woche: Axel Prahl

Samstag, 22.06.2019

Es ist der Eröffnungstag und demzufolge ist die Stadt mit knapp einer Million Leute verstopft. Was ein Wunder, die Sonne scheint und Party geht immer. Musikalisch halten sich die Organisatoren zurück, um nicht noch mehr Chaos an den markanten Punkten zu erhalten. So ist auf der Rockcamp-Bühne Riff/Rock, eine AC/DC-Coverband, sowie Rogers aus Düsseldorf mit ihrem Deutsch-Punk zu Gast. Ich darf mir beides ersparen und entfliehe dem ganzen Chaos. Für ein anderes Magazin darf ich zu dem Tatort-Kommissar Axel Prahl auf die Krusenkoppel. Das ist ein Amphitheater und keine 200 Meter vom Rockcamp entfernt. Hier ist er mit seinem Inselorchester zu Gast, spielt zweieinhalbstunden deutschsprachigen Poprock mit maritimen und sozialkritischem Hintergrund.

Maschines Late Night Show

Nach dem Konzert gehe ich trotzdem noch einmal rüber. Hier darf Wacken-Urgestein Maschine Nitrox mit den beiden Bands seine Late-Night Show bestreiten. Interviews mit den Bands und Trinkspiele mit dem Publikum sind immer eine gute Unterhaltung.
Auf dem Heimweg liegt wie gestern auch Die Pumpe. Ich gönne mir noch einen Absacker und hole den Auftritt von Gordon Shumway nach, die zufällig hier heute noch einen Gig haben dürfen.

Und sonst: Nach der offiziellen Eröffnungsfeier auf dem Rathausplatz gibt dort Cassandra Steen ihren Soul-/Pop zum Besten. Ansonsten unterhalten an jeder Ecke und auf den anderen Bühnen Party- und Coverbands das Feierwütige Folk. Nix Namhaftes sonst unterwegs…

Sonntag, 23.06.2019

Wir lassen den Sonntag ruhig angehen. Zu um 19:00 Uhr fahren wir in die Stadt, um das erste Konzert anzugehen. Wir haben The Bland aus Schweden ausgewählt. Sie spielen Folkpop/Americana im Stile der 70er Jahre. Eigentlich ganz gut und entspannend, doch sind wir dafür heute nicht in der Stimmung. Wir brechen ab und gehen schon früher ins Radio Bob! Rockcamp um deren Eigenkreation, die Radio Bob! Band als Einheizer mit zu bekommen. Das hätten wir uns lieber erspart. Als Cover-Band sind die Jungs musikalisch ja ganz gut, aber sorry, der Sänger ging gar nicht. Nicht nur, dass er seinen Einsatz öfters mal verpasste und stimmlich nicht zur Musik passte, zumindest die Melodien sollte man einhalten. Wir schlendern ein wenig über den angrenzenden Mittelaltermarkt und warten auf den Hauptakt des Tages: The New Roses.

The New Roses spielen nach 2017 das zweite Mal auf der Kieler Woche. Radio Bob hat geladen und so reisen die Rosen nach einem umjubelten Konzert in Regensburg nach Kiel. Jeder geografisch etwas Bewanderte sollte wissen, das ist nicht mal eben um die Ecke. So treffen die vier Wiesbadener müde aber motiviert in Kiel ein. Sie beginnen um 21:00 Uhr mit dem Opener Every Wild Heart. Timmy mit gewohnt kratziger Stimme, Urban die stabile Bank an den Drums im Hintergrund, Hardy mit tief hängendem Bass und beau Norman an der Gitarre (hat mächtig lange Haare bekommen), rocken das gut gefüllte Rock Camp. Forever Never, Dancing On A Razor Blade und 2nd 1st Time schließen sich an. Die Interaktion mit dem Publikum funktioniert und so ist es vor der Bühne dann schnell voll. Alle feiern diese Truppe, die durch unermüdliches Touren immer bekannter geworden sind. Das zahlt sich aus und so durften sie in diesem Jahr bei einigen Gigs von Kiss und auch von den Scorpions eröffnen. Im August kommt dann das auch das neue Album. Norman Bates wirft das eine oder andere Solo gekonnt in die Menge und beweist seine spielerischen Qualitäten. Natürlich ist auch der treueste Fan Debbie Rädel mit dabei. Sie hat es sich nicht nehmen lassen und ist nach Kiel gekommen um ihre Schützlinge zum 65. oder 70. Mal zu sehen. Auch für uns ist es bereits das zehnte oder elfte Mal, aber die Musik ist einfach mitreißend und die vier Sympathen tun ihr übriges. Klar darf der Mitsinganteil nicht fehlen und bei Ist A Long Way wird das mit dem Kieler Publikum getestet. Im Verlaufe des Sets kommt dann noch eine akustische Variante dran. Dabei kommt das schöne raue Timbre von Timmy Rough so richtig zur Geltung. Leider ist der Auftritt viel zu schnell vorbei. Mit dem neuen Track Down By The River und den folgenden Whithout A Trace, der Thirsty und dem Bob Seeger Cover Old Time Rock’n’Roll verabschieden sie das Publikum in die laue Sonntagnacht. Es war wieder toll. Leider haben die Vier kaum Zeit, denn sie müssen bereits heute zurück. So können wir nur ein paar wenige Worte wechseln, aber wir sehen sie im August in Wacken und in Hamburg im Oktober wieder. Einen Absacker nehmen wir diesmal vor der NetUse Bühne am Hauptbahnhof. Wir lassen uns von der überraschend guten Sweet-Coverband Ballroom Blitz in die Siebziger zurück versetzen.

Und sonst: Johannes Oerding tritt für R.SH an der Hörn auf. Dies verursacht einen derart großen Menschenauflauf, dass dort an der Partymeile gar nichts mehr geht. Michael Schulte auf dem Rathausplatz zieht dagegen nicht so, was wohl auch an der Konkurrenz gelegen haben dürfte.

Montag, 24.06.2019

Bevor es wieder zum Rockcamp geht, beginnen wir den Tag dort, wo er gestern aufgehört hat. Bei strahlendem Sonnenschein soll unser Programm um 17:30 Uhr mit Pay Pandora, der Nachwuchsband aus Heide beginnen. Als wir um 17:00 Uhr dort ankommen überrascht uns eine leere Bühne. Die Vier standen im Stau und kamen mit uns parallel an. Nun aber fix alles auf die Bühne geschleppt, einen Soundcheck von drei Minuten und: Pünktlich geht’s los! Frontfrau Chiara Tahnee hatte schon in der Pumpe mit einer Stimmbandreizung zu tun, heute geht es schon wieder besser. Noch etwas rau beginnt sie ihr Set, bei dem wieder die neu entstehende CD im Vordergrund steht. Im letzten Jahr hatte das Rockcamp noch eine zweite Bühne, dort lernten wir die Band kennen. Feierten sie vor ein paar Tagen erst das fünfjährige Bandjubiläum, haben sie jedoch im vergangenen Jahr einen gewaltigen Schub gemacht. Mittlerweile 27 eigene Songs stehen im Programm, zehn davon sollen es heute sein. Setlisten sind bei der Band allerdings oftmals Schall und Rauch, so auch heute. Als Chiara einen befreundeten Musiker im Publikum sieht, bittet sie ihn kurzerhand zum Duett auf die Bühne. Ihre Stimme fängt sich mit Fortdauer des Gigs und auch hier dürften sie in der Laufkundschaft einige neue Bewunderer gefunden haben.

Nach Pay Pandora treten Child In Time auf. Die Deep Purple-Coverband hat auf dieser Bühne seit Jahren den Montags-Slot um 19:30 Uhr und ist hier immer gern gesehen. Die Bühne ist recht groß und so haben die Akteure genügend Bewegungsfreiraum, um ihre Musik, besser die Deep Purple-Klassiker der früheren Phase, entsprechend zu präsentieren. Arne Danklefsen beginnt auch gleich mit dem schnellen Pictures Of Home. Matze Orlitz wird auch gefordert, denn bei dem Stück sind flinke Finger gefragt. Weiter geht es mit Burn. Das Stück aus der dritten Besetzungsphase begeistert die doch zahlreichen Zuhörer am frühen Abend. Die Hammondorgel wabert im Hintergrund und verleiht den besonderen Charme der Musik. Früher von David Coverdale gesungen, schafft es Arne, dem recht nahezukommen. Basser Ufo Becker schlägt derweil souverän cool die vier Saiten an, während im Hintergrund Nils Dawert die Felle bearbeitet. Von den Soundproblemen mit den Monitorboxen bekommt das Publikum nichts mit und so geht es munter weiter mit Woman From Tokyo und Perfect Strangers. Das Zusammenspiel von Hammond und Gitarre wird in bester Manier zelebriert und nicht selten entwickelt sich daraus ein Battle, wie beim überragendem namensgebenden Track Child In Time. Der ist wie immer ein Highlight, da Arne es versteht, dem Song die Magie und die Stimme zu verleihen, die schon früher Ian Gillan in Perfektion beigesteuert wurde. Bei Lazy, einem stark bluesig angehauchten Stück der Machine Head Ära, darf Christian Muuß noch mal sein Tastengeschick zeigen. Das einzige was fehlt, sind die Jon Lordschen Ausbrüche an der Orgel, die damals das gesamte Instrument zu den wahnwitzigsten Rückkopplungen veranlasst hat. Aber dem vor ihm stehenden Kleinod sollte man das nicht mehr zumuten. So behandelt er sein Instrument mit der nötigen Vorsicht und macht trotzdem einen tollen Job. Ein weiteres Highlight ist When A Blind Man Cries, bei dem Matze voller Gefühl der Stratocaster die Töne entlockt. Das nur als B-Seite erschienen Stück ist eine der schönsten Balladen von den tiefen Purpurnen. Was nie fehlt ist Smoke On The Water, laut Arne eins der unbekannteren Stücke von Deep Purple, zumindest kündigt er das so an. Spätestens beim Einsetzen des Riffs sind die Menschen vor der Bühne aus dem Häuschen. Da darf dann auch ordentlich mitgesungen werden, was auf Anhieb gut und laut klappt. Dann wird es noch mal schnell mit Speed King und dem rasanten Highway Star. Mit Into The Fire verabschieden sich Child in Time für dieses Jahr von der Bühne am Bahnhof, von einem dankbaren und begeisterten Publikum. Nächstes Jahr sind sie bestimmt wieder da.

Ugly Kid Joe

Wir ziehen weiter in das Rockcamp, um ein weiteres Highlight zu sehen. Ugly Kid Joe entstanden auch schon vor 30 Jahren in Kalifornien und starteten mit einem Crossover aus Hard Rock, Metal und Funk. Ausgerechnet der eingängige, ruhige Song Everything About You wurde der größte Hit der Combo. Der durfte natürlich auch im Rockcamp nicht fehlen. Einige sind sicher nur deshalb gekommen. Sänger Whitfield Crane spuckte gleich nach altem Brauch auf die Bühne, um sein Terrain abzustecken. Danach sprang er wie ein Jungspund auf den Boxen herum und suchte die Nähe zum Publikum. Gitarrist Klaus Eichstadt offenbarte dem Publikum, dass sein Vater aus Kiel stammt und per Stream dem Konzert beiwohnt. Bassist Cordell Crockett, Originalmitglied wie Crane und Klaus, hat sogar mal zwei Jahre hier in Kiel gewohnt. Die Welt trifft sich auf der Kieler Woche …

Und sonst: Auf der großen Bühne von R.SH gibt MC Fitti ein DJ-Set um der wartenden Menge einzuheizen – ein Kontrastprogramm zu Großstadtgeflüster, die danach folgen. Was auf den  anderen Bühnen so los war, braucht von uns keiner. Elektro, Jazz, Acapella, Folklore und die üblichen Partybands laden zum Tanztee.

Dienstag, 25.06.2019

TesserakT

Das Rockcamp ist heute fest in britischer Hand. Um 19:30 Uhr treten die Prog Metaller von TesserakT auf. Die uns bisher relativ unbekannte Band hat ihre Fans, und so ist die Fläche vor der Bühne relativ gut gefüllt. Die Briten um Sänger Daniel Tompkins beginnen mit relativ ruhigen Tönen, er kann aber auch tiefes Metalshouting. Die Musik ist durch ihre oftmals getragenen Passagen recht angenehm zu hören. Gründer Acle Kahney wollte die Truppe zunächst als Soloprojekt führen, hat sich dann aber umentschieden. Der langhaarige Gitarrist versteht es der Musik etwas besonderes zu geben. Aber nicht nur die ruhigeren Passagen sind da, auch gibt es brutale Drum-Attacken und mächtige Gitarrenwände. Es ist halt eben Progressive Metal, und da geht so einiges. Gespielt werden Songs aus dem neuesten Werk Sonder, das 2018 erschien. Natürlich sind auch ältere Sachen dabei, die vom Publikum begeistert angenommen werden. Nach einer knappen Stunde müssen die Fünf dann schon Feierabend machen.

While She Sleeps

Die nachfolgende Truppe stammt ebenfalls aus England. Stilistisch sind While She Sleeps aber anders unterwegs als die Vorgänger. Hier wird Metalcore der brachialen Art angeboten, so sagen es zumindest die Zuschauer. Das ist nicht so ganz mein Genre. Darüber zu schreiben ist so, als wenn man einem Hühnchen die Reportage über eine Legebatterie schreiben lässt. Aber ich will mal versuchen, objektiv zu bleiben. Es geht gleich richtig zur Sache als Sänger Lawrence ‚Loz‘ Taylor das Micro ergreift. Da ist Bewegung auf der Bühne. Die langen Haare meist im Gesicht, rotzt der den Text zu You Are We raus. Ihr seid ich. Das nehmen die Zuschauer gerne an, und so ist es nicht verwunderlich, dass durch den brachialen Sound und den hämmernden Rhythmus sich gleich ein Circle Pit bildet. Das Rockcamp hat auch Verstärkung in den Graben geschickt, denn hier wird gepogt und gemoshed, wie es sonst bei großen Festivals zu sehen ist. Auch eine Wall Of Death kommt zustande. Anti Social schließt sich an und da wird auch schon mal die halb leere, offene Wasserflasche von der Bühne ins Publikum gekickt. Gitarrist Mat Welsh setzt schon mal zu einem gewagten Sprung an, leider kam das für mich als Fotografen zu unerwartet. Bassist Aaran Mckenzie nutzt die vor der Bühne stehenden Lautsprecher als vorgelagerten Standplatz. Das geht gut ab und lässt die hohen Temperaturen noch höher steigen. Trotz allem sind die Zuschauer gefangen von diesem treibenden Metal, der von Bands wie Bring Me The Horizon, Slipknot oder Marilyn Manson beeinflusst ist. Nach Song drei Civil Isolation verlasse ich das Rund, denn mir ist das einfach zu laut und nicht wirklich mein Genre. Ich platziere mich etwas außerhalb bei einem kühlen Blonden und hier geht es lautstärkemäßig deutlich besser. Eins hat While She Sleeps auf jeden Fall geschafft – das Rockcamp zum Beben gebracht!

Den anschließenden Mambo Kurt bekommen wir schon nicht mehr mit. Schließlich sind wir Kieler und müssen morgen wieder arbeiten …

Mitze Katz lässt keine Peinlichkeit aus

Und sonst: Auf der Rathausbühne macht sich MiA lächerlich. Sie versucht, ihren Elektro Pop in ein Rock-Kostüm zu zwängen. Leider ist der Drummer Gunnar Spies damit scheinbar überfordert und spielt dem Bassisten hinterher. Mitze Katz, bürgerlich Maria Mummert, besticht nicht nur durch ihren einfallslosen Künstlernamen, sondern auch durch ihre Bühnenshow. Stimmlich zwischen Blümchen und Anette Humpe wechselt sie fast zu jedem Lied ihre bunten Klamotten. Mal in Glitzerjacke, mal mit Schulterpuscheln aus Absperrband lässt sie keine Peinlichkeit aus.

Beim R.SH geben die Pop-Größen Josh. und Ofenbach sich die Mikros in die Hand. Beim Gang in Richtung Heimat finden wir keine Absacker-Location. Die Big-Band der Freiwilligen Feuerwehr Amt Molfsee kann uns am Alten Markt nicht zum Bleiben überzeugen…

Mittwoch, 26.06.2019

Highlight: Emil Bulls

Mein Arbeitgeber meint es nicht gut mit mir. Ich schaffe es nicht pünktlich in das Rockcamp! So verpasse ich Orange Ate Kid. Ihr Post Hardcore hätte mich gereizt, live konnte ich die Band aus Hamburg bisher auch noch nicht sehen. Dafür entschädigen mich die Jungs von Emil Bulls, mit ihrem Alternativ Metal zu denen ich allerdings auch zu spät komme. Auf ihrer Festival-Sommer-Tour legen sie hier einen umjubelten Zwischenstopp ein. Von Anfang an wird das Gaspedal von Sänger Christoph von Freydorf und seinen Mannen durchgedrückt. Routiniert haben die Münchner die pogende Menge im Griff. Jedes Riff sitzt und sogar eine kleine Pyro-Show kommt zum Einsatz, von Freydorf überzeugt noch immer durch seinen für das Genre untypischen melodischen Gesang. Abgefeiert wird hauptsächlich zu Songs wie Miss Magnetic oder das Destiny-Child-Cover Survivor.

Und sonst: Rap mit Fatoni von Delta Radio sowie die Antilopen Gang auf der R.SH-Bühne an der Hörn, locken keine Massen. Funny van Dannen auf der Krusenkoppel hat gerade mal 900 Zuschauer. Macht die Kieler Woche Pause? Einzig United Four, eine lokale Partyband soll in der Pirate-World Gas gegeben und die Anhänger zum Bierkonsum animiert haben.

Stumpen beim Tätowieren

Donnerstag, 27.06.2019

Meine persönliche Kieler Woche-Pause, da ich lieber zu Dream Theater nach Berlin gefahren bin.

Und sonst: Rappelvoll soll es erwartungsgemäß gewesen sein. Das Konzert von Knorkator auf der Bühne im Rockcamp steht nicht nur für eine astreine Show, sondern auch für astreinen Metal. „Die meiste Band der Welt“ aus Berlin stellte ihre neue Scheibe Widerstand ist Zwecklos vor. Keyborder Alf Ator und Sänger Herr Stumpen verzierten vorher noch die Körper ihrer Fans in einer Charity-Aktion zugunsten Lautstark gegen Krebs. Zuvor heizten die Elbrebellen dem Publikum ein.

Auf dem Rathausplatz gab es ein Wiedersehen mit der Big Band der Bundeswehr. Allerdings nicht mit Ex-Accept Frontmann Udo Dirkschneider sondern mit Klaus Lage. Wer´s toll findet … R.SH/Delta Radio präsentierte den Rapper Kool Savas. Auf der Krusenkoppel tanzte die Elektro-Pop-Kombo Laing und die anderen Bühnen teilten sich die üblichen Bands anderer Genres.

Freitag, 28.06.2019

Laith Al-Deen

Nachdem die Österreicher Kaiser Franz Josef einige ihrer Tourtermine absagen mussten, traf es auch den Kieler Woche-Gig im Rockcamp. Die Berlin/Gifhorner Band Brenner, die sowieso gerade in Hamburg weilte um auf den Harley Days zu spielen, sprangen kurzfristig ein. Mein Einsatz wurde allerdings woanders benötigt. Meine Haus- und Hofband Tears for Beers hatte ihren Einsatz auf dem Rathausplatz.

Tears for Beers um Mitternacht

Tears for Beers ist eine Speed-Folk-Band aus der Region. Überregional bekannt sind sie durch ihre legendären Wacken-Auftritte. Leider bekamen sie einen Slot nach Laith Al-Deen, der mit dem Symphonischen Orchester Kiel auf der Bühne stand. Wie erwartet, überzieht das Programm um den Deutschen Popsänger, und der Abbau des Materials des Orchesters dauert auch nicht nur fünf Minuten. Wir retten, was zu retten ist. Statt 75 Minuten bleibt der Band immerhin noch eine Spielzeit von fast 60 Minuten und das immerhin fast 2000 Personen umfassende Publikum wartet geduldig. Dafür entschädigt die Band mit einem Powerplay-Kurzprogramm. Alle ruhigeren Titel werden gestrichen und die üblichen Sprüche von Leader Lars Jensen bleiben auch aus. Immerhin bekommt Neuzugang Joy Smith einen Titel vom neuen Album The Last Ship zugestanden.

Bill Kaulitz von Tokio Hotel

Selbst der Absacker fällt aus, die Symphoniker haben uns einen leeren Kühlschrank hinterlassen. Nach dem Abbau falle ich um 02:00 Uhr doch schon ins Bett.

Und sonst: R.SH präsentiert die abgehalfterten Tokio Hotel. Ihre Zeit ist bereits zehn Jahre abgelaufen, die Zuschauer verlassen scharenweise den Platz. Auch Benne hat später keinen großen Erfolg, liefert aber zumindest einen soliden Auftritt ab. Der Rest ist wieder nicht nennenswert, zielt auf den kurzfristigen Spaß der Passanten.

Samstag, 29.06.2019

Demons & Wizards

Mein persönliches Kieler Woche-Highlight findet im Rockcamp statt. Einer der seltenen Auftritte von den Power Metallern Demons & Wizards, Iced Earth und Blind Guardian sind große Namen, das Rockcamp proppevoll. Die Kollaboration von Sänger Hansi Kürsch (Blind Guardian) und Gitarrist Jon Schaffer (Iced Earth) zeigt wieder einmal, dass Power Metal auch auf der Kieler Woche funktioniert. Die Urgesteine des Power Metal werden heute ebenso von den Urgesteinen der Fans begleitet. Der Altersdurchschnitt der Fans ist ebenso hoch wie das der getragenen Shirts. Iced Earth-Gitarrist Jake Dreyer spielt auch hier die zweite Gitarre. Hansi Kürsch konnte sich diesen Auftritt im Vorfeld nicht so recht vorstellen. Er erwartete Leute in Segel-Outfit und Marineuniformen, revidierte aber seine Meinung mit einem „Hammerhammergeil“. Superschnelle Dreieranschläge auf der Gitarre gepaart mit Hansi Kürschs Gesang ist ein explosives Gemisch. Komplexe Songs mit Tempowechseln, lauten und leisen Momenten wie beim Opener Heaven Denies oder das großartige The Gunslinger wechseln sich mit Wuchtmetall wie Terror Train ab. Ganz große Kunst aus Bombast und Härte ist die laut Kürsch apokalyptische Trilogie bestehend aus Tear Down The Walls, Gallow´s Pole und My Last Sunshine. Natürlich werden auch die Stammbands in der Setliste berücksichtigt. So dürfen sich die Fans über Burning Times von Iced Earth oder den Kultsong Valhalla von Blind Guardian freuen. Fiddler On The Green ist dann auch mit Mehrstimmigen Gesang und Twin-Gitarrensoli ein würdiger Abschluss des wohl einmaligen Konzertes der Band auf der Kieler Woche.

Pay Pandora geben noch einmal Gas

Ich hole mir noch einen Absacker am REWE-Unser Norden-Dorf am Schloßgarten, denn an der Jungen Bühne im Ratsdienergarten gibt es verständlicherweise keinen Alkohol. Mich erwartet der dritte KiWo-Auftritt von Pay Pandora. Ich treffe noch einen Bekannten, der auch in einer lokalen Rockband spielt. Sie konnten sich in einem Internetvoting nicht gegen Chiara und Friends durchsetzen. Nun wolle er sich mal anschauen, wer da so abgeräumt hat. Es überrascht ihn nicht. Die Newcomer geben noch einmal richtig Gas und begeistern das anwesende Publikum. Der Merch-Verkauf nach dem Auftritt beweist: Voller Erfolg!

Und sonst: Auf der R.SH/Delta-Bühne ist wieder Rap angesagt. Romano begeistert die Zuhörer mit ungewöhnlichen Texten, Ferris MC, früher mit Deichkind aktiv, enttäuscht hingegen mit einem DJ-Set. Feine Spaßmusik gibt es auf der Krusenkoppel. Das Ukulele Orchestra Of Great Britain begeistert wie immer die angestammte Hörerschar.

Sonntag, 29.06.2019

Ich hab die Füsse kaputt, eine Dienstreise vor der Brust und kein Geld mehr. KiWo ist teuer, vor allem bei diesen Temperaturen. Mein Gast ist abgereist und ich verfluche das Wetter. 33 Grad ist für einen älteren Norddeutschen definitiv zuviel. Wenn ich Karibik haben will, fliege ich nach Kuba! Dat is för ne Kieler Sprotte Räucherofen! Ich verzichte auf die letzten Konzerte, gehe mit meiner Freundin Essen sowie ein Guinness trinken und bleibe den Abend zu Hause.

Und sonst: Den Abschluss der Kieler Woche bestreiten im Rockcamp Kaizaa aus Nürnberg. Ihr deutschsprachiger  Punk´n´Roll bringt Spaß, ist aber nach zehn Tagen „Festival“ verzichtbar. Ebenso Motörizer, eine der wenigen Coverbands, die ich mag. Aber eben nur eine Coverband. Daran kann auch die Musik von Motörhead nichts ändern. Das anschließende Abschlussfeuerwerk hätte einiges herausgerissen, mein Gesundheitszustand sagt aber „Mach mal halblang“. Die anderen Bühnen bieten, wenn sie überhaupt noch Programm haben, nichts von Belang.

Fazit: Auf ein Neues in 2020! Zehn Tage live, umsonst und draußen, sucht trotz aller Widrigkeiten, Kritik und Einschränkungen seines Gleichen. Auch ohne die Internationalen Stars bringt es Spaß und die „kleineren“ Bands freuen sich über die Chance, vor großem Publikum zu spielen. Sich über die fehlende Prominenz aufregen, aber gleichzeitig mit einem Rucksack voller Getränke auf die KiWo zu gehen, geht gar nicht. Was denken sich die Leute, wovon das finanziert wird? Ansonsten freuen wir Nordlichter uns einfach wie auf dem Wacken Open Air oder anderen Festivals auf die Friedfertigkeit der Gäste und Besucher. 3,5 Millionen strömten durch die Stadt, ganze 85 Anzeigen wegen Tätlichkeiten in den zehn Tagen wurden geschrieben, das auch trotz Gästen aus aller Herren Ländern. Rechts hat hier nicht den Hauch einer Chance.

Danke an Kay L. für die Hilfe.