Rock Am Ring 2024 vom 07.06 bis 09.06.2024 am Nürburgring – Sonntag

Metal am Ring

Veranstaltung: Rock Am Ring 2024

Ort: Nürburgring, Nürburg

Webpräsenz: Website, Instagram, Facebook

Datum: 07.06. – 09.06.2024

Kosten: 249 € (Standardpreis)

Veranstalter: Eventimpresents GmbH & Co. KG

Besucher: ca. 80.000

Bands††† (Crosses), 311, Against The Current, Antilopen Gang, Asinhell, Atreyu, Avenged Sevenfold, Babymetal, Beartooth, Betontod, Billy Talent, Biohazard, Blackout Problems, Body Count Ft. Ice-T, Broilers, Cemetery Sun, Corey Taylor, Counterparts, Die Ärzte, Dogstar, Donots, Dropkick Murphys, Electric Callboy, Enter Shikari, Fear Factory, Fit For A King, Green Day, Guano Apes, H-Blockx, Hanabie, Hatebreed, Heriot, James And The Cold Gun, Jazmin Bean, Kraftklub, Kreator, Kvelertak, Landmvrks, Leoniden, L.S. Dunes, Machine Head, Madsen, Måneskin, Marsimoto, Neck Deep, Of Mice & Men, Parkway Drive, Pendulum, Pennywise, Pinkshift, Polyphia, Queens Of The Stone Age, Querbeat, Royal Blood, Royal Republic, Scene Queen, Schimmerling, Skindred, Sondaschule, Team Scheisse, The Interrupters, The Last Internationale, The Scratch, Thy Art Is Murder, Trettmann, Underoath, Wanda, Wargasm, While She Sleeps

Abgesagt: Bad Omens, Malevolence, Mudvayne, Jazmin Bean

Freitag und Samstag sind geschafft, der Sonntag vom Rock Am Ring 2024 wartet auf uns. Puristen könnten sich heute sogar fast auf einem Metalfestival wähnen. Das Programm bietet viele Schmankerl, die sich allerdings gerne überschneiden.

Utopia Stage

Måneskin, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.
Måneskin, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.

Måneskin sind heute unser einziger Ausflug zur Hauptbühne. Die italienische Band kann was, keine Frage, die Rocksongs sind eingängig, mitunter pompös. Dazu trägt die Truppe herrliche Outfits und imponiert mit einer musicalverdächtigen Show, die mit einem Muse-Auftritt mithalten kann. Aber ist das wirklich Headliner-Material? Beim Rock Am Ring ist das eine rhetorische Frage, die mit einem aus zehntausenden Kehlen geschrienen JA! beantwortet wird. Ein ganz großer Festivalmoment, dieses Konzert von Måneskin. Selbst das von der Bühne entfernteste Thekenpersonal singt mit, während im Publikum überall Hüpfzonen entstehen, bis sie ineinander übergehen und noch größere Ballungszentren für Begeisterung bilden. Die Band badet abwechselnd in der Menge oder zelebriert an einen Balztanz erinnernde Manöver auf der Bühne. Das Rock Am Ring wird zu einer sich selbst feiernden Einheit. Måneskin sind verdienter Headliner. Überwältigend!

Mandora Stage

„Können wir machen Spaß zusammen? Los fuckin’ gehts.“ Atreyu-Frontmann Brandon Saller weiß, dass er und seine Band nur 30 Minuten haben, um dem Publikum ein reichhaltiges Set in den Pit zu schmeißen. Es ist echt gut was los für den ersten Act des Tages. Atreyu sind topfit, posen wie die Weltmeister (Props Gitarrist Dan Jacobs) und halten sich fast nur auf dem Bühnensteg auf, der über Nacht für den späteren Auftritt von Parkway Drive installiert wurde. Aber warum nicht auch einfach ins Publikum gehen? Plötzlich ist Saller mittendrin und will zum Zentrum eines Circlepit werden. Der Wunsch wird ihm sofort erfüllt. Zum Abschluss gibt es bandinterne Gitarrensolo-Duelle, Stinkefinger für Lars Ulrich (?) und Herzchen fürs Publikum, das nach einer Zugabe verlangt. Die gibt es zwar nicht, dafür einen Saller, der Kollege Jacobs Huckepack von der Bühne trägt. Atreju mit eine der besten Shows beim diesjährigen Rock Am Ring.

Deutliche voller ist das Publikum bei Of Mice & Men, das gar keine Aufforderung von Sänger Aaron Pauley braucht, um aktiv zu werden. Crowdsurfen und Wall of Death inbegriffen. Bemerkenswert, wie viele Altersgruppen die Band erreicht und wie viele Zuschauer:innen die Lieder mitsingen können. Pauley will Handzeichen, wer die Band bereits gesehen hat (viele), bedankt sich für den Publikumszuspruch und begrüßt all jene Menschen – „Welcome to the family“ – die erstmals zu einer Of Mice & Men Show gekommen sind. Das hat Spaß gemacht, doch irgendwie fehlte das gewisse Etwas.

Wer Thy Art Is Murder nicht kennt, dürfte sich kaum vorstellen können, was nach dem fröhlichen Intro We Like To Party der Venga Boys passiert, zu dem einige Besucher:innen Polonaise durch die ansehnliche Menschenmasse tanzen, die sich vor der Mandora Stage auf die Nacken-Apokalypse vorbereitet. Ja, der neue Sänger Tyler Miller klingt anders als Chris “CJ” McMahon, doch selbst Purist:innen müssen zugeben, dass der neue Fronter stimmlich überzeugen kann. Seine Ansagen kommen mitunter etwas zu prollig daher, doch „Let’s party“ versteht das Publikum ganzheitlich. Die Australier pflügen wie eine Naturgewalt übers Infield. Pure Brutalität. Erstmals steigen dichte Staubwolken vor der Bühne auf, weil sämtliche Pitwarrior durchdrehen. Miller fordert immer größere Pits. Drumherum kreisen Köpfe mit langen Mähnen und es fühlt sich nur richtig an, die Hand zu Devil Horns zu formen.

Ruhiger geht es bei Polyphia zu. Die Ausnahme-Band bereichert das Rock Am Ring mit ihrem genre-sprengenden instrumentalen Progressive Rock. Ungläubig bis hypnotisiert starren viele Besucher:innen den Bandmitgliedern auf die Finger, die fast übernatürlich auf den Griffbrettern herumtänzeln. Was sich mit einem Saiteninstrument machen kann, Polyphia machen es. Andere Leute stehen gelengweilt herum und zucken mit den Schultern. Doch immer wieder platzt es aus jemandem heraus: „Alter, ist das krass!“ Oder auch: „Ihr geilen Drecksstücke.“ Ja, sind schon Schnuckis, Polyphia. Während Scott LePage als Wortführer das Publikum zum Mitmachen animiert – auch bei instrumentalen Tracks lässt sich mitsingen –, steht musikalisch meist Tim Henson im Rampenlicht. Henson, Jahrgang 1993, spielt lächelnd und mit geschlossenen Augen. Er gehört derzeit zu den bekanntesten und sicher besten Gitarristen. Das weiß er auch. Dass LePage Crowdsurfer fordert und Polyphia reichlich davon ernten, erfreut nicht jeden. Auch die abschließende Wall of Death nervt jene Zuschauer:innen, die Polyphia entspannt genießen wollten. Ein Auftritt aus purer Spielfreude. Schade, dass die Hauptbühne herüberschallt.

Machine Head, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.
Machine Head, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.

Sorry Machine Head, wir haben uns Fear Factory reingezogen. Warum musstet ihr auch parallel spielen? Immerhin konnten wir noch eure Überhits Davidian und Halo mitnehmen. Imposantes Bühnenbild, das ihr da aufgebaut hattet. Erhöhtes Drumset, mächtiges Video-Backdrop, Logoteppich auf der Stage, viel Scheinwerferlicht, Glitzer und Pyro. Das war headliner-würdig, dabei ist es doch erst 21:20 Uhr. Der Mic Drop von Robb Flynn am Ende, genial.

Corey Taylor, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.
Corey Taylor, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.

Die Stimme, diese Körperhaltung, das Charisma. Corey Taylor erkennt man sofort – auch ohne Maske. Dennoch erfrischend, den Slipknot-Frontman oben ohne zu sehen. Beim Rock Am Ring hat er leichtes Spiel und will zu Beginn Licht im Infield, um seine „Family“ sehen. Die dankt es mit Pits, Headbangen, Dauerklatschen. Taylors Solostücke kommen gut an und er kann sich Späße wie die SpongeBob SquarePants Titelmelodie erlauben. Die meisten Zuschauer:innen hoffen allerdings auf Material von Stone Sour und Slipknot, zumindest verraten das die Publikumsreaktionen auf Stücke wie Before I Forget, Through Glass oder Duality. Mit letzterem verabschiedet sich Taylor in die mittlerweile eiskalte Nacht. Dafür herzerwärmend, wie Fans vor Freude (!) springen.

Parkway Drive, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.
Parkway Drive, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.

Parkway Drive haben mit Darker Still die Fanbase gespalten, doch bei den Liveshows sind sich weiterhin alle einig: Die Shows der Australier sind ein Ungetüm an urzeitlicher Power und noch mehr Pyro. Auch das Rock Am Ring reißen sie nieder. Obwohl die Bühne nahezu komplett in Flammen steht, grämen Fronter Winston McCall die eisigen Temperaturen zur Geisterstunde, die seiner Stimme zu schaffen machen. Über fehlende Gesangsunterstützung aus dem Publikum muss er sich natürlich genauso wenig beklagen wie über mangelnde Pitaction. Wer noch kann, verausgabt sich.

Orbit Stage

Ist das jetzt Doom, Sludge, Hardcore oder Post Metal? Von allem was! Die englische Band Heriot stampft die Orbit Stage platt. Unbarmherzig tief und langsam schleppt sich der Tieftöner voran, Basser Jake Packer würgt dazu fiese Growls ins Mikro, die mit dem Gebrüll von Sängerin/Gitarristin Debbie Gough das bisher härteste Brett vom Rock Am Ring bohren. Okay, Thy Art Is Murder hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Mandora Stage weggeballert. Egal, jetzt ist erst einmal Headbangen angesagt, leider recht einsam; das Publikum ist überschaubar. Was aber nicht heißt, dass nicht gefeiert wird. Im (kleinen) Moshpit geht es trotzdem heftig zur Sache. Und hey, auch ein Crewmitglied von Fear Factory zieht sich den Auftritt rein.

Hanabie, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.
Hanabie, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.

Wow, volles Haus bei Hanabie. Die japanische Band, die ihre Musik modebewusst als Harajuku-Core bezeichnet, profitiert zugegeben vom Exotenbonus. Musikalisch wird konventioneller Metalcore mit saftigen Breakdowns und elektronischen Spielereien geboten, was gepaart mit dem dynamischen Auftritt der vier Frauen richtig gut ins Bein geht. Frontfrau Yukina und Gitarristin Matsuri sowie Hettsu am Bass sind ständig in Bewegung, gestikulieren mit den Händen und werfen beim Springen die Beine hinter die Körper. Das Rock Am Ring hat richtig Bock auf Hanabie. Wie lässt sich die Stimmung weiter anstacheln? „Germany loves Beer – 3, 2, 1…Prost!“ Germany antwortet mit einem einzigen Brunftschrei.

Eine extrem sadistische Fügung lässt Landmvrks und While She Sleeps parallel spielen. Wir entscheiden uns für die Franzosen auf der Orbit Stage, die locker eine größere Bühne hätten bespielen können. Landmvrks fackeln nicht lange, sorgen rasch für neue Rekorde beim Crowdsurfen und reißen mal schnell alles ein. Das bounct wie ein Flummi. Einige Meter hinter der tobenden Menge, die sich in einem riesigen Circle verausgabt, lässt ein Dude entspannt einen regenbogenbunten Drachen steigen.

Fear Factory, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.
Fear Factory, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.

Schon wieder Qual der Wahl. Fear Factory oder Machine Head? Wir haben das aktuelle Line-Up von Fear Factory noch nicht live erlebt, also bleiben wir bei den Industrial-Metal-Pionieren. Die sind zugegeben nach bandinternen Querelen nicht mehr unbedingt en vogue und müssen neben Machine Head auch gegen die am Ring beliebten Kraftklub anspielen. Kurz vor dem Auftritt von Fear Factory ist es ziemlich leer vor der Bühne. Bis das Terminator Theme zum Intro erklingt, hat sich dann aber doch ein vorzeigbares Publikum eingefunden, dem Fear Factory mit dem Bass die Luft aus den Lungen drücken. Shock, der Name ist Programm. Gitarrist und Bandkopf Dino Cazares, mittlerweile das einzige Gründungsmitglied, bringt seine charakteristischen Riffs präzise und routiniert unter die Leute. Seinem zufrieden lächelnden Gesicht sieht man das Alter langsam an. Gelächelt wird auch im Publikum, das aktiver wird. Der „neue“ Sänger Milo Silvestro entlockt seiner Kehle nicht nur ordentliche Growls, sondern im Vergleich zu den letzten Jahren von Vorgänger Burton C. Bell den besseren Klargesang. Zudem hat sich Silvestro mittlerweile gut in die Rolle als Frontmann eingefunden und begrüßt alle zur „New Era of Fear Factory.“ Die Band spielt eine ausgewogene Setlist, die Soul Of A New Machine und Genexus ausklammert, und nur einen Track vom letzten Album Aggression Continuum umfasst. Manche mögen ihre Lieblingstracks vermisst haben, doch beim Blick in die Headbanger-Gemeinschaft sieht man vor allem glückliche Gesichter. Zum Abschluss gibt es das starke Zero Signal, zu dem die ersten Reihen kollektiven Nackensport betreiben. Grüße an Drummer Pete Webber, der vermutlich einige Kilos weggetrommelt hat.

Das letzte Biohazard-Album liegt über ein Jahrzehnt zurück, Auftritte der einflussreichen Band sind hierzulande rar geworden. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den Auftritt der Hardcore-Veteranen, die mit reichlich Verspätung beginnen. Technikprobleme. Wirklich gut wird der Sound leider nicht mehr. Die Vocals gehen nahezu komplett unter, alles klingt lasch. Die Fans freuen sich trotzdem über das Wiedersehen und feiern ihre Helden, die sich mächtig ins Zeug legen und für jahrzehntelange Treue danken. Gitarrist William Graziadei lässt sich auch das Bad in der Menge nicht nehmen. Respekt für den riesigen Circle, in dem die bisher breiteste Altersgruppe Schwerstarbeit leistet.

Body Count, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.
Body Count, Rock am Ring 2024, Pic by Sandro Griesbach.

Body Count geben beim Rock Am Ring den Rausschmeißer. Ich widerstehe angesicht der Temperaturen einem anheizenden Ice-T-Wortspiel und bitte darum, euch vorzustellen, wie ein abgekämpftes, aber maximal bodycountbockiges Publikum abgeht, als die Crossover-Thrasher mit Body Count’s In The House loslegen. Die Luft brennt. Danach hauen die rüstigen Herren das Slayer-Cover Raining Blood hinterher und ernten damit fast mehr Reaktionen als Kerry King am Freitag. Body Count geben mächtig Gas und unterstreichen die Stammtischweisheit „Man ist so alt, wie man sich fühlt.“ Frontman Ice-T schüttelt seine 66 Jahre einfach ab und kann zudem auf rappende Unterstützung von Sohn Little Ice zählen. Body Count polieren dem Publikum zu später Stunde mit der neuen Single Psychopath und vielen derben Klassikern ordentlich die Fresse und entlassen das Rock Am Ring mit einem beträchtlichen Brett.

Fazit Sonntag

Der Sonntag hielt für uns definitiv die beste Gesamtpackung parat. Insgesamt ein gelungenes Rock Am Ring, das sich als Festival mit einem breiten musikalischen Angebot und der entsprechenden Atmosphäre empfiehlt. Allerdings nichts für puristische Metalheads, doch das dürfte seit Jahren bekannt sein.

Apropos Jahre: Im kommenden Jahr feiert das Rock Am Ring 40-jähriges Jubiläum und hat bereits Slipknot als ersten Headliner bestätigt. Insgesamt sollen rund 100 Acts den Nürburgring zum Beben bringen, erstmals auf vier Bühnen. Der Vorverkauf hat bereits begonnen, 30.000 Tickets wurden laut Veranstalter schon in den ersten 24 Stunden verkauft.

Fotos: Sandro Griesbach