Twelve Foot Ninja – Vengeance

Der australische Ninja-Clan im 80s-Fieber

Artist: Twelve Foot Ninja

Herkunft: Melbourne, Australien

Album: Vengeance

Spiellänge: 34:19 Minuten

Genre: Progressive Rock, Progressive Metal, Alternative Rock, Fusion, Djent

Release: 15.10.2021

Label: Volkanik Music

Link: https://www.twelvefootninja.com/

Bandmitglieder:

Gesang – Kin Etik
Gitarre und Gesang – Rohan Hayes
Gitarre – Stevic Mackay
Schlagzeug – Shane Russell

Tracklist:

  1. Start The Fire
  2. Long Way Home
  3. Vengeance
  4. IDK
  5. Shock To The System
  6. Gone
  7. Culture War
  8. Dead End
  9. Over And Out (feat. Tatiana Shmayluk von Jinjer)
  10. Tangled

Bisher war mir nicht bewusst, dass ich unbedingt einen zwölf Fuß (ca. 3,65 Meter) großen Ninja in meinem Leben brauche. Doch das bekloppte Video zu Over And Out hat alles verändert: Ein Mann ohne Gesicht im australischen Busch, wiederkehrende Träume, ein Fährmann im finnischen Sumpf, zuckende Leute mit Strohköpfen, den Wald saugen, einen Hecht halten, Squash spielen mit Ziegen und ein Goblin, der verrückt nach der „Traumsoße“ Vegemite ist. Alles klar? Nein? Dann gibt es ergänzend hierzu noch die Beschreibung zum Video von Long Way Home: Die Kraft von AC/DC mit einem Hauch Surrealismus, als würde man eine Fleischpastete durchs Ohr essen. Jetzt dürfte alles klar sein.

Die Australier Twelve Foot Ninja haben für ihr drittes Album Vengeance nicht einfach nur Musik geschrieben, sondern gleich ein ganzes Imperium aufgebaut. Ein Videoclip, der mithilfe des Videospiels Uncle Brusnik’s Long Way Home freizuschalten ist. Ein Graphic Novel, welches von dem legendären Twelve Foot Ninja handelt, der durch alternative Dimensionen reist. Und zu guter Letzt ein High-Fantasy-Roman namens The Wyvern And The Wolf, der die Geschichte des verwaisten Samurai-Jungen Kiyoshi erzählt. Man sieht, dass die Australier der Generation Streaming ordentlich was bieten möchten. Mastermind Stevic Mackay sieht auf Vengeance trotz aller stilistischer Auslotung der Grenzen eine harmonische Struktur. Was erwartet den Hörer auf dem von den 80s geprägten neuen Album des Ninja-Clans?

Das Aufheulen eines tibetanischen Horns, welches aus menschlichen Oberschenkelknochen (!) gefertigt wird, führt uns in den musikalischen Wahnsinn von Start The Fire. Es folgen die bandtypischen Djentriffs. Tablas und Synthesizer weben sich wie selbstverständlich in den Sound ein. Sänger Kin Etik wandelt zwischen hypnotischem Gesang und markerschütternden Schreien. Absolut nichts für Schubladendenker und Radiohörer. Obwohl man erwähnen muss, dass die Ninjas dem Irrwitz niemals die Oberhand gewähren, sondern bei der von Mackay erwähnten Struktur bleiben. Tippelnde Beats schleichen sich in Long Way Home langsam an, bevor ein Orchester ertönt. Kin Etik lässt mit seinen Vocals den Weirdo raushängen und zementiert seine eigene Ausnahmestellung schon früh auf dem Album. Klassische Orchestrierung und dicke Gitarrenriffs liefern sich Duelle, die von Shane Russells Drums zur Höchstleistung getrieben werden.

Erschreckende Industrialsounds läuten den Titelsong ein. 90er Alternative und 2000er Nu Metal gesellen sich dazu. Ruhige Passagen sorgen für die nötige Erholung von den verzerrten Artefakten. Mit IDK folgt mein erstes Highlight. 8-Bit-Sounds und bratende Gitarren eröffnen für lässige Funk-Grooves. Die Achtziger sind zurück und werden von einer Djent-Keule getroffen. Auf dem Papier passen die genannten Genres unmöglich zusammen und dennoch schafft es die Band, die Grenzen verschwimmen zu lassen.

Es bleibt funky in Shock To The System. Wieder schaffen es die Ninjas, ihre Djent-Riffs auf geschmackvolle Art und Weise zu integrieren. Sie tragen einfach nicht so dick auf wie ihre Genre-Kollegen. Beim Achtziger-Aufhänger darf natürlich der Vocoder nicht fehlen und im Mittelteil folgt gar ein Einschub mit Varieté-Musik. Die nächste Nummer Gone verpufft etwas und kann im starken Albumkontext nicht mithalten. Zunächst trügt der Schein, dann boxt Culture War allerdings das stärkste Känguru aus dem Beutel. Nach all den funkigen Sachen hauen Twelve Foot Ninja richtig einen raus. Blastbeats, Hardcore, ein massiver Breakdown und dann? Klar, wir wollen ja nicht albern werden und streuen mal eben Mariachi-Bläser in dieses Massaker, bei dem zum Schluss auch noch Meshuggah grüßen. Warum auch nicht?

Auch Dead End zischt etwas unbeachtet an mir vorbei. Dafür wird der Weg für das nächste Highlight bereitet. Die großartige Tatiana Shmayluk von Jinjer darf ihre Cleanvocals in Over And Out beisteuern. Shmayluk und Kin Etik liefern ein wundervolles Duett in diesem zukünftigen Bandhit. Der Maler tritt einen Schritt zurück und blickt voller Stolz und Selbstzweifel auf sein gerade erschaffenes Kunstwerk. Zu dieser nachdenklichen Szene passt das minimalistisch anmutende Tangled, welches den Kreis des neuen Albums auf ruhige Weise schließt.

Twelve Foot Ninja – Vengeance
Fazit
Trotz aller Experimentierfreudigkeit kann Vengeance ohne Kopfschmerzen am Stück genossen werden. Twelve Foot Ninja haben ein eigenes musikalisches Konzept erdacht, welches auf jedem Album mit neuen Puzzleteilen erweitert wird. Darüber hinaus wird den Fans mit dem Comic, dem Videospiel und dem Roman ordentlich Content geboten. Progressive Musik ist auch im Jahr 2021 noch nicht zu Ende erzählt.

Anspieltipps: Start The Fire, IDK, Culture War und Over And Out
Florian W.
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