Vom Mysterium des Bodom-Sees, Bodom After Midnight und Follow The Reaper

Ein Special zum Tuska Festival 2020

Am 4. Juni 1960 machte sich eine Gruppe von vier Jugendlichen, bestehend aus den beiden 15-jährigen Mädchen Maili Irmeli Björklund und Anja Tuulikki Mäki, sowie den beiden 18-jährigen Jungs Seppo Antero Boisman und Nils Wilhelm Gustafsson, zu einem bildhübschen finnischen See im Inneren von Espoo auf, um dort zu campen. An ihren Ausflug zum Bodominjärvi (Finnisch für Bodom-See) erinnert sich heute noch jeder Finne.

Gegen 19:30 Uhr wurden die vier von den anderen Kindern und dem letzten Fischer zuletzt lebendig gesehen. Schon bald fiel die Nacht über sie herein, während die Sonne langsam unterging und die Kinder das allerletzte Mal einschlafen sollten. Zwischen drei und sechs Uhr morgens machten die Kinder des Bodoms ihren letzten Atemzug. Jemand – oder etwas – griff die unschuldigen Camper brutal an, indem er auf ihr Zelt sprang und mit hasserfüllten Augen mehrmals auf sie einstach. In seinem Mordrausch traf er seine Opfer hauptsächlich an Kopf, Hals und Oberkörper. Einem der Mädchen wurde elfmal in den Hals gestochen. Nils schaffte es, aus dem Zelt zu entkommen, doch er wurde schwer von einem Stein am Kopf verletzt. Der Mörder entkam mit verschiedenen Gegenständen der Kinder: Brieftaschen, Badesachen, Personalausweisen, aber mit nichts, was diese Tat wert gewesen wäre.

Bodom After Midnight

Am nächsten Tag brach der zweifache Vater Erkki Johansson zu einem nahe gelegenen Strand auf, um dort mit seinen beiden Jungs schwimmen zu gehen. Durch Zufall entdeckte er das eingestürzte Zelt und den blutverschmierten Nils, der daneben lag. Johansson drehte bei diesem Anblick fast durch und rief sofort die Polizei. Als Polizei und Notärzte eintrafen, wurden Maili, Anja und Seppo für tot erklärt, doch Nils konnte trotz seiner Verletzungen durch die Tatwaffe und den Stein noch seine Arme bewegen. Er hatte zehn Wunden und sein Ober- und Unterkiefer waren gebrochen.

Er war der Einzige, der diese brutale und unbegreifliche Tat der Gewalt überlebte. Die komplette finnische Bevölkerung war von diesem schrecklichen Dreifachmord geschockt und entsetzt und die Nachricht von dieser Tat machte in fast allen Ländern dieser Welt Schlagzeilen. Sofort nach den Morden begann die größte Fahndung in der finnischen Kriminalgeschichte.

Follow The Reaper

Das Motiv des Mörders stellte ein komplettes Rätsel dar und es gab keinerlei Hinweise – bis auf einen 80×40 cm großen Kissenbezug, in dem der Mörder vermutlich die Tatwaffe trug. Der schwerverletzte Nils wurde in ein Krankenhaus eingeliefert und die Polizei wartete unruhig darauf, dass er endlich aufwachen würde und sie wichtige Informationen über den Mörder bekommen könnten. Doch letztendlich war es eine herbe Enttäuschung, als er endlich aufwachte, denn das Erste, was er sagte, war: „Wie bin ich in diesen Autounfall verwickelt worden?

Nils konnte sich an gar nichts, was mit dem Mord zu tun hatte, erinnern und so kam es, dass er einen Monat später unter Hypnose befragt wurde, um in sein Unterbewusstsein zu gelangen. Er konnte tatsächlich einige Details zum Mörder geben und er gab auch an, dass die Augen des Mörders rot glühten. Auch weitere Augenzeugen, wie zum Beispiel Olavi Virtanen, der jemanden sah, der gegen sechs Uhr morgens den See verließ, wurden hypnotisiert, um an mehr Informationen zu gelangen.

Die Polizei bekam zwar Hunderte Tipps und Hinweise, aber diese brachten sie nicht wirklich weiter. Zudem stand die Polizei unter großem Druck der Öffentlichkeit, da sie keinerlei Resultate hervorbrachte. Einige Leute versuchten sogar, die Untersuchungen zu stören und Verwirrung auszulösen: So schnitt sich jemand den Arm mit einem Messer auf und ließ dieses später in einem Busch am Tatort zurück. Natürlich muss man auch bedenken, dass die polizeilichen Methoden in den Sechzigern um einiges schlechter als die heutigen waren und die Polizei wirklich keine Schuld traf. Darüber hinaus: Wer ist schon in der Lage auf die Spur des Reapers zu kommen?

Einer der Hauptverdächtigen war der Kioskbesitzer, der den Kindern an besagtem Abend Süßigkeiten verkauft hatte, aber es gab keine richtigen Beweise gegen ihn. Einige Jahre später erzählte er seinen Freunden in einer Kneipe, er sei der Mörder vom Bodom. Er sagte nur: „Ich habe es getan!“ Da alle Anwesenden ziemlich betrunken waren, wusste niemand so recht, was er eigentlich meinte. Am nächsten Tag wurde der Kioskbesitzer, der von sich behauptete, der Mörder zu sein, ertrunken im Bodom gefunden. Seltsamerweise war er ein ausgezeichneter Schwimmer gewesen. Deswegen hatte es den Anschein, dass er sich selbst umgebracht hatte. Man sagt sich, dass er das Campen am See an der Stelle, die ihm gehörte, verbot, doch die Jugendlichen es trotzdem taten. Aus diesem Grund war er anfangs einer der Hauptverdächtigen, doch später bewies die Polizei, dass er niemals den Mord hätte begehen können.

Es gab nach und nach auch weitere Augenzeugen, die immer nur einen Teil von etwas sahen, das zur Klärung des Falls hätte beitragen können. Einige Fischer und ein Motorradfahrer sahen einen Mann von hinten, aber weiter nichts. Unter anderem wurden sogar die Fischer und der Motorradfahrer verdächtigt. Selbst Nils Gustafsson wurde verdächtigt, seine Freunde umgebracht zu haben. Doch seine Verletzungen waren viel zu schwerwiegend und kein Mensch wäre in der Lage gewesen, so oft und lange auf sich selbst einzustechen.

Im Jahre 2003 wurden die Morde wieder in den finnischen Nachrichten erwähnt, da einer der Hauptverdächtigen, der aus Deutschland stammende Hans Assman, verstarb und dies dem berühmten, finnischen Professor Jorma Palo den Mut gab, ein Buch unter dem Namen Bodomin Arvoitus (die Mysterien des Bodom) zu veröffentlichen. Im Juni 1960 arbeitete Palo als Assistenzarzt in einem Krankenhaus in der Nähe des Sees. 12 bis 32 Stunden nach den Morden kam der 37-jährige Hans Assman mit blutverschmierter Kleidung und sehr verwirrtem Geisteszustand ins Krankenhaus. Nachdem die Ärzte ihn untersuchten, fanden sie heraus, dass mit dem Mann rein körperlich alles in Ordnung war und dass es sich nicht um sein eigenes Blut handelte, das seine Kleidung befleckte. Da er überhaupt kein Finnisch sprach, konnten sich die Ärzte nicht mit ihm unterhalten. Palo und die anderen Ärzte versuchten, die Polizei ins Krankenhaus zu holen, doch diese hörte erst nicht auf die Ärzte, da sie zu dieser Zeit ständig ähnliche Hinweise bekamen. Assman verließ das Krankenhaus recht schnell und als die Polizei daraufhin endlich eintraf, wollten sie nicht einmal Palo zu dem Fall befragen. Palo ist immer noch davon überzeugt, dass Assman der Mörder war, doch als Palo 2003 von der Polizei dazu noch befragt wurde, kam diese zu dem Schluss, dass Assman ein sehr gutes Alibi hatte.

Bodomin Arvoitus ist nicht das einzige Buch, das zu den Morden veröffentlicht wurde, und es gibt auch ein recht interessantes Dokument über den Mord namens Ei Vanhene Koskaan. Viele Jahre später tauchten auch immer wieder Gerüchte über eine Verfilmung der Geschehnisse auf.

Über 40 Jahre später war der schreckliche Dreifachmord immer noch nicht gelöst. Es gibt zahlreiche Theorien, allein über 70 (!) Hauptverdächtige, Hunderte von kleineren Verdächtigungen, insgesamt wurden über 3700 Leute befragt und verhört und es gab auch Theorien über zwei mögliche Mörder. Die Möglichkeit eines Rituals oder eines Serienmordes wurde von offizieller Seite ausgeschlossen.

Alexi

Am 2. April 2004 ließ die finnische Polizei die Bombe platzen. Die Ergebnisse der umfangreichen Ermittlungen, die sie in all den Jahren anstellte, wurden veröffentlicht. Fast 44 Jahre waren vergangen und ein Mann wurde verhaftet, der verdächtigt wurde, der Lake Bodom Mörder zu sein. Für ein paar Tage wurde seine Identität geheim gehalten und in der finnischen Presse wurde bereits heftig diskutiert. Viele Zeitungen berichteten über die Morde mit einer Vielzahl von Details und einige Leute, die damals schon gelebt hatten, wurden interviewt. Sogar Children Of Bodom wurden in einem kleinen Artikel erwähnt, da sie schon dazu beigetragen hatten, die Geschehnisse auf der ganzen Welt zu verbreiten. Alexi meinte, dass der Vorfall eine großartige Quelle an Improvisation für ihn darstellte.

Nach ein paar Tagen Spekulation wurde die Identität des Verdächtigen bekannt gegeben. Es war Nils Gustafsson, der Mann, der den Lake Bodom überlebt hatte. Man braucht sich nicht zu fragen, was das meist besprochene Thema im finnischen Small Talk für die nächsten Wochen war. Nils blieb vorerst in Untersuchungshaft und wurde bis zum Juni 2004 des Öfteren verhört. Im Juni war die Polizei gezwungen, ihn freizulassen, da sie noch nicht bereit waren, den Fall vor Gericht zu bringen.

Janne

Die Regenbogenpresse berichtete für mehrere Wochen täglich darüber und nahm sogar mit der Scythes Of Bodom Crew Kontakt auf und fragte, ob sie ein Bild von der Seite benutzen könnten, auf dem Nils in den 80ern die Gräber der drei anderen besucht hatte. Am nächsten Tag erschien das Bild auf dem Cover des größten finnischen Regenbogenmagazins. Nachdem bekannt wurde, dass Nils der Verdächtige ist, erwähnten Children Of Bodom das natürlich auf ihren Livekonzerten und widmeten ihm sogar die Songs Bodom Beach Terror und Bodom After Midnight. Einige fragten sich, ob die Band nun ihren Namen ändern würde, da nun etwas von dem Mysteriösen fehlen würde und Janne hatte sogar eine gute Idee parat: COB könnten ihren Namen zu Stratovarius ändern! Denn nach all den stichhaltigen Vorfällen wurde der Messerstecher, der auf Timo Tolkki losging, immer noch nicht gefasst und so gäbe es wieder etwas Mysteriöses. Seltsamerweise kam die Band nie wieder auf diesen Einfall zurück…

So erklären sich die Bandnamen und die Songs von Alexi und Children Of Bodom rund um das Thema Bodom. Mit seiner neuen Band Bodom After Midnight wird Alexi erstmals beim Tuska 2020 live zu sehen sein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Bodom After Midnight auf der Setlist stehen wird. Das Album Follow The Reaper feiert dieses Jahr seinen 20. Geburtstag. Es wurde im Oktober 2000 in Finnland veröffentlicht und in den berühmten Abyss Studios von Peter Tägtgren aufgenommen. Es war der endgültige Durchbruch für Children Of Bodom. Neben dem Titeltrack sind auch die Klassiker Hate Me! und Everytime I Die auf dem Langeisen zu finden.

Der Vorbericht zum Tuska 2020 ist hier (hier als LINK) zu finden.