“Death’n’Roll mit literarischem Anspruch“
Artist: Bellgrave
Herkunft: Berlin, Deutschland
Album: Kindertotenlieder
Spiellänge: 42:16 Minuten
Genre: Death’n’Roll
Release: 31.01.2013
Label: Eigenproduktion
Link: http://www.bellgrave.de
Bandmitglieder:
Gesang & Gitarre – Ulf Oestermann
Gitarre – Alex Sölch
Bass – Rico Grossmann
Schlagzeug – Lars Thomas
Tracklist:
- Ihr Seid Mir Gestorben Allein
- Jim Jones
- Tod Mit Uns
- Sternenaugen
- Wiedersehen
- Menschentod Und Menschenleben
- Du Bist Ein Schatten Am Tage
- Lust Aus Leid
- Tränen Aus Stahl
- Lebensherbst
- Sie Haben Dir Vergessen Die Augen Zu Schließen
Nach drei Albumveröffentlichungen bei drei verschiedenen Labels und diversen Besetzungswechseln, haben es die Jungs von Bellgrave pünktlich zu ihrem 20jährigen Bandjubiläum geschafft, uns Kindertotenlieder zu präsentieren. Hierbei verzichtet das Quartett auf die übliche Unterstützung und regelt von der Produktion über den Vertrieb bis hin zum Homepageauftritt alles selbst. Und das hervorrragend:
Im Vergleich zum Vorgängeralbum Evil Mood sind sich die Hauptstädter musikalisch treu geblieben und haben ihre eingängige Mischung aus Death’n’Roll weiterentwickelt, ohne dabei ihre rotzig rockige Art zu verspielen. Im textlichen Bereich haben die Jungs allerdings einen gehörigen Wandel vollzogen: Ulf singt auf dem neuen Silberling ausschließlich auf Deutsch. Und dabei hat man sich keineswegs an das sonst recht übliche Krieg-Tod-
und-Teufel-Blabla angelehnt, sondern Bellgrave haben sich an eine Vertonung der Gedichtesammlung Kindertodtenlieder des 1866 verstorbenen Friedrich Rückert gewagt. Darin betrauert der Dichter den Tod seiner im Alter von drei und fünf Jahren an Scharlach verstorbenen Kinder.
Natürlich haben Bellgrave nicht alle 428 Gedichte dieser Sammlung bearbeitet, sondern sich auf eine Auswahl von Auszügen beschränkt und diese zum Teil neu arrangiert, was gleich beim Opener Ihr nicht seid mir gestorben allein deutlich wird. Das Stück beginnt mit Glockengeläut und entwickelt sich zu einer etwas trägen aber melodiösen Midtemponummer. Der tiefe, zugleich verständliche Gesang unterstreicht die Nähe zur Neuen Deutschen Härte, die auch in Sternenaugen zum Tragen kommt. Allerdings ist diese Nummer drumlastiger und entwickelt sich nach einem themengemäß düsteren Beginn zu einem croovigen Nackenbrecher. Das folgende Wiedersehen kommt mit seinen eingängigen, teils fetten Riffs recht tanzbar daher und überzeugt besonders durch einen stilistisch an Umbar et Imago erinnernden Refrain. Menschentod und Menschenleben packt durch schwere Riffs und geiles Drumming noch mal `ne Schippe Härte drauf, sodass insgesamt ein fetter Sound entsteht, ohne dabei die Betonung der Lyrics
zu vernachlässigen. Das sich anschließende Du bist ein Schatten am Tage beginnt recht düster und schwerfällig, treibt dann aber kraftvoll nach vorne. Die stellenweise sehr tiefen Growls bleiben immer klar verständlich und der Chorus besitzt einen geilen Gänsehautfaktor. Dagegen walzt sich das durch düsteren Sprechgesang dominierte Lust aus Leid bis zum Schluss schwerfällig nach vorn, wird aber immer wieder durch flottere Melodien
aufgelockert. Die beiden letzten Stücke des Albums kommen wieder etwas schneller daher. Lebensherbst ist dabei sehr melodiös, von Breaks durchzogen und besticht durch einen sehr abwechslungsreichen Gesang. Enorm eingängig, tanzbar und mit einem sehr geilen Refrain, der sofort zum Mitsingen einlädt, versehen, bildet Sie haben dir vergessen die Augen zu schließen einen würdigen Abschluss.
Wahrscheinlich um sich dem Vorwurf zu entziehen, textlich unkreativ zu sein, haben Bellgrave ihr Konzept aufgebrochen und drei selbst verfasste Stücke auf Kindertotenlieder untergebracht. Jim Jones ist im Verhältnis zu den bisher besprochenen Songs eine sehr schnelle, groovige Deathnummer, bei welcher Lars hinter der Schießbude mal so richtig drauf los donnern darf. Ein fies gesprochener Part, der gebetsgleich an einen drohenden, rachsüchtigen Gott erinnert, leitet Tod mit uns ein, welches durch einen stampfenden, extrem fetten Sound sowie geile Basslinien besticht und erneut einen enorm eingängigen Chorus aufweist. Grooviger wird es dagegen bei Tränen aus Stahl. Das Stück wird durch einen verstörenden Ddialog eingeleitet, überzeugt aber durch einen satten, melodiösen Sound.