Das Interview mit Jakob Mølbjerg von Mercenary zum aktuellen Album „Soundtrack For The End Times“

Bereicherung statt Reichtum

Artist: Mercenary

Herkunft: Dänemark

Genre: Groove Metal, Melodic Death Metal

Label: NoiseArt Records

Bandmitglieder:

Rhythmusgitarre – Jakob Mølbjerg
Lead-Gitarre, Keyboards – Martin Buus
Gesang, Bass – René Pedersen
Schlagzeug – Martin Nielsen

Link: https://mercenary.dk/

Mercenary sind seit den frühen Neunzigern eine Institution in der eher überschaubaren dänischen Metalszene und haben sich über die Jahre eine breite Fanbasis auf der ganzen Welt erspielt.

Im letzten Jahr hat – nach längerer Schaffenspause der Band – das achte Album mit dem Titel Soundtrack For The End Times seine Veröffentlichung gefeiert, und nun führt eine kleine Europatour die Band zusammen mit den Landsmännern von Hatesphere auch nach München. Grund genug, eine kurze Bilanz zu ziehen und darüber zu sprechen, was seit Through Our Darkest Days so passiert ist.

Gitarrist Jakob Mølbjerg empfängt mich an diesem Montagabend vor dem Gig im Backstage Club in München, leicht müde, aber überaus gesprächig.

Time For Metal / René R.:
Hallo Jakob, vielen Dank, dass du dir Zeit für unsere Leser nimmst! Euer neuestes Album ist mit großer Wahrscheinlichkeit das Thema, das am meisten von Interesse ist …

Mercenary / Jakob:
Haha, ja, das hoffe ich auch!

Time For Metal / René R.:
… deshalb lass uns doch als Erstes darüber reden. Soundtrack For The End Times heißt es, und wenn ich mich nicht täusche, sind zehn Jahre vergangen seit dem Album davor?

Mercenary / Jakob:
Genau, wir haben die Zehn-Jahres-Marke sogar knapp überschritten, es sind, glaube ich, zehn Jahre und ein Monat seit Through Our Darkest Days.

Time For Metal / René R.:
Gab es einen bestimmten Grund für die lange Pause?

Mercenary / Jakob:
Nun, das ist nicht in einem Satz zu beantworten (lacht). Bis zu Through Our Darkest Days hatten wir meist einen relativ regelmäßigen Release-Zyklus von zwei bis drei Jahren, was auch bedeutete, immer wieder neue Songs zu schreiben, zu proben, dann zum Release Promotion zu machen und auf Tour gehen, und ab einem bestimmten Punkt wurde uns das einfach zu viel, zumindest ging es mir so.

Ich wollte mich mehr auf die Familie konzentrieren. Meine Freundin und ich haben im Jahr 2014 unsere erste Tochter bekommen, da war ich immerhin schon 37, und ich brauchte eine Auszeit von der Band. Also beschlossen wir in der Band, in diesem Jahr keine Liveshows zu machen.

René und Martin kamen in der Zeit ebenfalls zu der Erkenntnis, dass es in ihrem Leben Projekte und Ideen gibt, die sie in den zehn Jahren zuvor vernachlässigt hatten. Ein paar Jahre später wurde Martin dann ebenfalls Vater, und René – der bereits Kinder hatte – entschied sich, dass er gern ein paar Startup-Ideen und weitere eigene Projekte umsetzen wollte, außerdem fing er an, ins Fitnessstudio zu gehen.

Wir waren uns alle einig, dass es eine gute Idee sein könnte, von dem erwähnten konstanten Zyklus abzuweichen.

Time For Metal / René R.:
Lag in dieser Zeit die Band komplett auf Eis?

Mercenary / Jakob:
Nein, viele Leute denken, dass das so war und dass wir uns in den letzten zehn Jahren überhaupt nicht gesehen haben, aber das stimmt nicht.

Wir haben uns trotzdem immer wieder getroffen und bereits 2014 unter anderem unseren Proberaum zu einem Studio umgebaut. Im darauffolgenden Jahr waren wir auf einer kleinen Tour in Japan. In dieser Zeit haben wir auch mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne ein Video produziert, hauptsächlich um herauszufinden, ob Crowdfunding etwas ist, das für uns funktioniert. Wir hatten wirklich eine Menge Spaß, vor allem, weil wir viel in Kontakt mit den Fans waren, auch wenn es gar kein neues Album gab.

Zwischen 2015 und 2016 haben wir dann außerdem angefangen, neue Songs zu schreiben, was nicht einfach war: Martin und ich hatten kleine Kinder daheim, und es war schwieriger als gedacht, die Balance zwischen dem kreativen Prozess und der Arbeit für die Band, dem Familienleben und dem Job zu finden. Wir haben nie besonders viel Geld mit der Band verdient, hatten immer auch einen „richtigen“ Job.

In dieser Zeit haben wir hin und wieder einzelne Gigs gespielt, wenn es ein gutes Angebot gab, und uns immer noch mehrmals im Monat getroffen und versucht, neue Songs zu schreiben. Wir haben aber sehr schnell gemerkt, dass wir alle völlig uninspiriert waren. Man trifft sich, trinkt Kaffee, spricht hauptsächlich über die Familie, und dann schaut jeder in die Runde und sagt „Ich hab‘ da ein paar Ideen, aber ich finde sie nicht besonders gut, habt ihr was?“, und alle antworten „Nope, nicht wirklich“, und das war‘s dann. Wir haben auch versucht, ein paar Demos aufzunehmen, aber die hatten auch kein besonderes Potenzial.

Ein weiteres Problem war, dass unser damaliger Drummer weit weg vom Rest der Band wohnte, das war seit 2008/2009 so, und das macht etwas mit der Band. Wir haben nicht den einen Songwriter, der zu Hause sitzt und dort alles vorbereitet, es war immer ein gemeinsamer Prozess, wir haben das stets zusammen gemacht, miteinander geredet. Dadurch sind wir nie wirklich in „den Flow“ gekommen. Wir haben es auch mit anderen Schlagzeugern probiert, aber es war immer so, dass die Distanz drei oder vier Stunden mit dem Zug betrug, und teuer war das Ganze auch, jedes Wochenende treffen, das hat einfach nicht funktioniert.

Time For Metal / René R.:
Offenbar hat sich das aber irgendwann geändert?

Mercenary / Jakob:
Das hat es! Ich habe in diesen Jahren nebenbei als eine Art Juror und Coach bei Musik-Talentwettbewerben in unserer Gegend gearbeitet und mir die Shows von jungen Bands angeschaut. Bei einer dieser Shows habe ich dann Martin Nielsen gesehen, der in mehreren lokalen Underground-Bands spielte, und sofort gedacht: Das könnte unser zukünftiger Drummer sein!

Wir haben dann 2019 ein paar Mal mit ihm geprobt und musikalisch hat es sofort gepasst, außerdem stimmte die Chemie zwischen uns.

Das war auch der Punkt, an dem wir das erste Mal wieder das Gefühl hatten: Es geht voran. Wir produzierten gemeinsam eine Menge neues Material, 30 oder 40 Songs, und wir waren endlich bereit, das Ganze auch wieder auf die Bühne zu bringen und an einem neuen Album zu arbeiten. Im Jahr 2020 folgte dann der erste Auftritt mit Martin und wir stellten die neue Single vor. Eine Woche später ging die ganze Welt dann in den Lockdown.

Mercenary – 05.02.2024 – München

Time For Metal / René R.:
Oh Mann, da geht es gerade wieder los, und dann macht euch Covid einen Strich durch die Rechnung. Wie seid ihr damit umgegangen?

Mercenary / Jakob:
Der Lockdown war keine besonders kreative Phase für uns, wir haben in der ganzen Zeit zwei Songs geschrieben, und nur einen davon später auch verwendet, die Verantwortung für Familie und Arbeit hatte da Priorität.

Time For Metal / René R.:
Interessant, manch ein Künstler berichtet ja auch durchaus, dass die Zeit des Lockdowns die kreativste Phase seiner ganzen Karriere war.

Mercenary / Jakob:
Ich kann mir vorstellen, dass das funktioniert, wenn du 23 bist und mit einem Computer und einer Gitarre zu Hause sitzt, aber als Eltern, die jeweils versuchen, pro Tag wenigstens sechs Stunden zu arbeiten, um die Existenz der Familie zu sichern … keine Chance!

Time For Metal / René R.:
Okay, wir haben also die familiären Gründe, die Fernbeziehung zum Schlagzeuger und Covid. Gab es noch weitere Faktoren, die das Release verzögert haben?

Mercenary / Jakob:
Es ging uns auch darum, einen anderen Weg zu finden, um bekannter und erfolgreicher zu werden, als ständig nur zu touren.

Wir dachten, dass wir nicht einfach nur etwas Neues, sondern deutlich besseres Material schreiben und die Messlatte ein gutes Stück höher legen müssen. Deshalb haben wir auch beschlossen, nur die allerbesten der zahlreichen Songs zu verwenden, die wir in dieser Zeit geschrieben haben, ohne Kompromisse. Außerdem wollten wir für die neue Scheibe endlich selber die Keyboards einspielen, anstatt das wie bisher Gastmusiker machen zu lassen, wie auf den beiden Alben davor. Martin hatte bereits ein bisschen Erfahrung damit, und am Ende hat er einen Teil eingespielt, den anderen Teil ich. Wir haben uns also auch selber ein paar Hürden in den Weg gelegt und Herausforderungen gestellt, das hat natürlich den Prozess auch etwas verzögert.

Time For Metal / René R.:
Meinst du, ihr werdet die ganzen Songs, die es nicht aufs Album geschafft haben, doch noch irgendwann veröffentlichen?

Mercenary / Jakob:
Nein, ich glaube, das wird nicht passieren, es gibt darunter einen Song, den ich vielleicht irgendwann noch einmal aufgreifen und überarbeiten möchte, aber meistens macht es mehr Spaß, neue Songs zu schreiben. Oft sind es nur einzelne Teile von Songs, die manchmal später in anderen Stücken noch einmal auftauchen. Für die meisten der Songs aus dieser Zeit, die es nicht aufs Album geschafft haben, gibt es aber keine solchen Pläne im Moment.

Time For Metal / René R.:
Alles klar, dann lass uns vielleicht noch ein wenig näher über das neue Album selbst sprechen, über die Idee und die Message, die damit ihr transportieren wollt.

Mercenary – 05.02.2024 – München

Mercenary / Jakob:
Musikalisch wollten wir in eine weitaus düsterere Richtung gehen als bisher, es sollte „heavier“ werden, melancholischer, aggressiver, ohne jedoch dafür schnellere Songs zu schreiben. Außerdem sollte das Material live gut funktionieren und Spaß auf der Bühne machen.

Musik, die mich emotional nicht kriegt, funktioniert einfach nicht für mich, ich muss sie fühlen. Unser letztes Album war im Grunde ein eher optimistisches Werk, zwar düster und melancholisch, aber voll von Hoffnung und dem Gedanken daran, dass es trotz aller Schwermut irgendwo Licht am Ende des Tunnels gibt, dass es weitergeht. Auch wenn ich Through Our Darkest Days durchaus mochte – das neue Album sollte anders werden, ich wollte nicht das Gleiche noch einmal machen.

Dieses Streben nach mehr Dunkelheit hat dann letztlich auch Einfluss auf die Wahl des Albumtitels gehabt. Wir hatten ursprünglich ein paar andere Ideen dafür, aber als ich begann, Pressematerial fürs Album zu schreiben, und dabei immer wieder Formulierungen verwendete wie „der perfekte Soundtrack zum Ende der Welt“ oder auch „das Ende der Zeit, wie wir sie kennen“, schoss mir eines Tages durch den Kopf, dass Soundtrack For The End Times vielleicht der bessere Titel sein könnte.

Dabei geht es nicht wirklich um die Apokalypse, das Ende der Welt an sich, sondern vielmehr darum, wie sich unsere moderne und gewohnte Welt, vor allem die westliche, demokratische Welt verändert, darum, dass die Idee, demokratische Werte erfolgreich weiterzutragen, um Sicherheit und Vertrauen zu stärken, auch in anderen Teile der Welt, nicht (mehr) funktioniert. Ich denke dabei an Trump, ich denke an das Erstarken rechter Kräfte und Ideen, vieles fühlt sich an wie ein Schritt zurück, es gibt wieder mehr Unsicherheit.

Die Idee des Albums und der Songs ist es dabei, etwas Halt zu geben, inmitten eben dieser Welt, die sich gerade in eine seltsame und vielleicht lebensfeindliche Richtung verändert.

Time For Metal / René R.:
Das beantwortet quasi meine nächste Frage bereits – es sind also definitiv nicht nur fiktionale Themen, die ihr verarbeitet habt, sondern die Realität ist die Inspiration!

Mercenary / Jakob:
Ja, genau! Es ist die Reaktion auf diese sich verändernde Welt, die Angst, die man vielleicht verspürt, wenn man darüber nachdenkt, wo der eigene Platz in dieser Welt ist, was auf einen zukommt und wie diese Welt in ein paar Jahren aussehen wird. Alles ist komplexer geworden, auch wenn man sich die technologischen Entwicklungen anschaut. Niemand kann vorhersagen, wohin das alles führen wird.

Time For Metal / René R.:
Welchen Einfluss auf diese Sicht der Dinge und diese sehr schwermütige Thematik des neuen Albums hatte es, dass du Vater geworden bist? Hat dich das beeinflusst, macht es dir vielleicht sogar Angst in Hinblick auf die Zukunft deiner Kinder, angesichts der Entwicklungen auf der Welt, die du beschreibst?

Mercenary / Jakob:
Ich würde nicht sagen, dass mir das alles Angst macht, aber man fragt sich schon: Was kann ich meinen Kindern mitgeben für deren Zukunft, welche Ratschläge kann ich ihnen für das Erwachsenwerden mitgeben? Die Welt, in der sie aufwachsen werden, ist so anders als die, in der wir groß geworden sind. Du brauchst kritisches Denken, das geht letztendlich auf die alten Griechen zurück, auf Aristoteles, so gesehen ist es das am Ende auch wiederum nichts Neues, was du brauchst als junger Mensch. Um in dieser Welt zu bestehen, ist es entscheidend, nicht alles als gegeben hinzunehmen, nachzudenken, zu hinterfragen und zu versuchen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Ich denke, das ist es, was man seinen Kindern mitgeben sollte: Immer kritisch zu sein, ist wichtiger als jemals zuvor, angesichts der ganzen fake news, deep fakes, all diesen Dingen.

Time For Metal / René R.:
Versuchst du, mit eurer Musik diesen kritischen Denkprozess auch bei euren Hörern anzustoßen?

Mercenary / Jakob:
Ich halte die Musik, die wir machen, nicht für die Art von intellektueller Kunst, die dafür nötig wäre, das ist auch nicht unser Ziel, es geht nicht um Botschaften. Die Wirkung, die unsere Songs auf unsere Hörer haben, ist – so hoffe ich – eher eine emotionale, eine Art musikalische Katharsis, in der sie die Gefühle und die emotionalen Landschaften, in die wir aufbrechen, erkennen und sich davon angesprochen fühlen.

Ich mag melancholische Musik sehr, Trip-Hop, die Musik von Bands wie Radiohead, ich bin schon immer ein melancholischer Mensch gewesen, und ich muss mich emotional verbunden fühlen mit der Musik, die ich höre. Es geht nicht darum, jemanden mit unserer Musik zu beeindrucken, sondern darum, dass man eine Beziehung dazu aufbaut. Wenn du dich ausgestoßen fühlst von der Welt, wenn du dich unsicher und verloren fühlst, wenn du gesundheitliche Probleme hast, dann kann Musik dabei helfen, dass du dich verstanden fühlst, du begreifst, dass da Menschen sind, die das Gleiche durchmachen. Man rückt näher zusammen durch die Musik, man spürt, da ist jemand, der fühlt wie du.

Time For Metal / René R.:
Hast du konkrete Beispiele dafür?

Mercenary / Jakob:
Als wir vor drei Tagen in Hamburg gespielt haben, da kam dieser Typ nach der Show zu uns und erzählte mir, er sei Zugführer und dass er es schon acht Mal erlebt habe, dass Menschen vor seinen Zug springen. Er sagte, dass ihn unsere Musik gerettet hätte, ihm geholfen habe, nicht verrückt zu werden, und dass er uns und unsere Musik wirklich liebt. Das macht einen so unglaublich demütig. Oder der Soldat, der im Irak gekämpft hat, und der unsere Alben immer und immer wieder gehört hat, um nicht durchzudrehen. Durch solche Geschichten begreife ich, dass es wirklich funktioniert. Die Musik erreicht die Menschen, und sie erkennen etwas in sich selbst. Und das ist es, worum es für mich bei Musik geht: eine Verbindung herzustellen auf einer ganz universellen und grundlegenden menschlichen Gefühlsebene.

Time For Metal / René R.:
Das ist wirklich wunderbar und klingt nach einer Menge positiven Feedbacks. Bleiben wir dabei: Gibt es denn auch kritische Stimmen zum neuen Album? Vielleicht auch etwas, das dich überrascht hat?

Mercenary – 05.02.2024 – München

Mercenary / Jakob:
Unsere Hoffnung für das neue Album war, dass unsere Hörer den aggressiveren Stil und die noch dunklere Atmosphäre erkennen und gut finden würden. Als wir vor 20 Jahren angefangen haben, war der Kontrast aus Gesang und eher harschen Vocals noch wenig verbreitet. Sicherlich gab es Bands, die das verwendet haben, aber in den letzten Jahren ist es mehr und mehr zum Standard geworden, jede zweite Was-auch-immer-Core-Band verwendet das inzwischen als Stilmittel, und meine Befürchtung war, dass speziell die Leute, die nicht wirklich mit unserer Geschichte und Musik vertraut sind, diese Veränderung und das neue Album nicht verstehen würden. Außerdem sind wir bei einem recht kleinen Label, deshalb hat sicherlich nicht jeder das Album gehört, aber wir haben trotzdem eine Menge an positivem Feedback bekommen, viele Leute sagen, dass es das beste Album ist, das wir mit René als Sänger gemacht haben.

Time For Metal / René R.:
Aber allein von positivem Feedback könnt ihr nicht leben!?

Mercenary / Jakob:
Wir wären gern auf einem größeren Label und würden gern mehr Leute erreichen, aber das ist schwierig. Wir spielen eher in kleinen Clubs, der Konkurrenzdruck im Konzertgeschäft ist total verrückt, vielleicht ist das eine Folge der Pandemie, ich weiß es nicht. Mit der Veröffentlichung von Musik lässt sich auch so gut wie kein Geld verdienen, nur mit Auftritten. Das ist okay, weil wir sowieso nie wirklich von der Musik leben konnten. Wir haben eigentlich immer das Meiste wieder in die Band investiert oder in Herzens-Projekte wie die kleine Japan-Tour. Manchmal bleibt ein bisschen Geld hängen, manchmal nicht. Das ist okay, es geht nicht darum, reich zu werden, es geht darum, unser Leben zu bereichern.

Time For Metal / René R.:
Und diese Bereicherung genügt euch?

Mercenary / Jakob:
Klar, verdienst du ein bisschen Geld, wenn du eine Weile Musik machst und wie wir eine mittelgroße Band bist. Vielleicht hätten wir es damals schaffen können, nur von der Musik zu leben, als wir noch bei Century Media waren, und wenn wir zu sechst in einer Bude gelebt und jeden Tag nur Pasta gegessen hätten, aber ist das wirklich das Leben, das man will? Für mich ist es das nicht wirklich. Wir sind schon mit Bands getourt, die auf großen Labels waren und die alle zwei Jahre ein Album abliefern mussten, einige haben Drogen genommen, um in so kurzer Zeit so viele Songs abzuliefern. Ich war ehrlich gesagt nicht neidisch. Ich meine – wenn Musik dein Job ist, und du findest das großartig – kein Problem. Aber für mich – und auch für die anderen Jungs in der Band – ist das etwas, das wir nicht tun können und wollen. Gleichzeitig brauchen wir die Musik und verbringen natürlich trotzdem viel Zeit damit, zu proben und Konzerte zu spielen. Wenn ich die Zeit, die ich in die Band gesteckt habe, für meinen normalen Job aufgewendet hätte, wäre ich wahrscheinlich deutlich reicher (lacht). Wie gesagt – es war nie das Ziel, von der Musik leben zu können. Wir sind einfach extrem stolz auf das neue Album, und es spielt keine Rolle, ob wir damit riesigen kommerziellen Erfolg haben, wir werden nicht sagen: „Oh, da waren nicht genug Leute auf der Tour, also machen wir kein weiteres Album mehr“. Wir brauchen das einfach, und wir werden nicht aufhören.

Time For Metal / René R.:
Das gibt euch natürlich auch eine gewisse Freiheit, richtig? Es gibt keinen Zwang, irgendetwas abzuliefern, was ihr nicht machen wollt!

Mercenary / Jakob:
Ja, und das hat sich vor allem im Lockdown gezeigt. Viele mittelgroße Bands, die nur gerade so von der Musik gelebt hatten vorher, waren gef***t. Wen es nicht betraf, waren einerseits die ganz großen Bands – und eben diejenigen, die nicht von der Musik leben mussten, so wie wir.

Time For Metal / René R.:
Wenn wir schon bei anderen Bands sind: Gibt es Bands, die dich inspirieren und die einen Einfluss auf eure Musik haben?

Mercenary / Jakob:
Ich denke, wir haben versucht, eine Menge moderner Einflüsse und Inspirationen in das neue Album einfließen zu lassen, da sprechen wir vor allem von Bands wie Gojira, Lamb Of God, Trivum. Du hast vielleicht mitbekommen, dass Matt Heafy von Trivium Vocals zu Heart Of The Numb beigesteuert hat.

Was mich persönlich angeht, so mag ich besonders vielschichtige, atmosphärische Musik, etwas wie Trent Reznor, Nine Inch Nails, Industrial Music, so etwas.

Time For Metal / René R.:
Habt ihr schon Pläne für das, was nach der Tour kommt?

Mercenary / Jakob:
Wir haben keinen Masterplan, wir konzentrieren uns einfach voll auf das, was gerade ist. Es gibt keinen Zehn-Punkte-Plan, um die Welt zu erobern (lacht). Niemand weiß im Moment, was wir alles mit dem neuen Album erreichen können. Das Musikbusiness hat sich auch verändert über die Jahre. Wenn heute ein großes Festival zum Beispiel Iron Maiden buchen möchte, dann muss es gleichzeitig auch 50 andere Bands buchen, die bei derselben Agentur sind. Es ist viel Politik dahinter, wenn du eine kleinere Indie-Band bist, dann spielt es weniger eine Rolle, ob du gerade ein gutes Album mit großartigen Reviews veröffentlicht hast oder nicht, das hilft dir eher weniger, es geht eher um Beziehungen und gegenseitige Gefälligkeiten.

Als wir noch bei Century Media waren, war das alles einfacher. Auch bei unserem aktuellen Label NoiseArt (die zu Rock The Nation gehören) haben wir anfangs eine Menge Unterstützung erfahren, wir waren auf Tour mit Nevermore, Symphony X, Dark Tranquillity, aber im Moment haben wir keine Partner, die uns in diese Richtung pushen könnten, kein Booker wartet zehn Jahre auf dich.

Wir müssen einfach schauen, was passiert, ein paar gute Gelegenheiten finden, Festivals, Touren, die für uns funktionieren. Es wäre natürlich großartig, wenn wir den Support für eine große Band machen könnten, um vor einem großen Publikum zu spielen, mal sehen. Andererseits bin ich mir auch gar nicht so sicher, ob wir das überhaupt wollen, ich habe eine Familie, zwei kleine Mädchen im Alter von sechs und neun Jahren, es ist kein Problem, so eine Tour wie diese zu machen, zweieinhalb Wochen, das funktioniert schon, aber ich würde definitiv nicht sechs Wochen oder länger am Stück unterwegs sein wollen.

Wir müssen einfach schauen, dass wir da eine Balance finden und das tun, was für uns Sinn ergibt.

Time For Metal / René R.:
Gibt es eigentlich eine Band, mit der du unbedingt mal auf Tour gehen würdest? Quasi als langgehegter Traum?

Mercenary – 05.02.2024 – München

Mercenary / Jakob:
Okay, das ist schwierig. Im Prinzip haben wir das bereits getan, wir waren zweimal mit meiner Lieblingsband Nevermore unterwegs, insofern ist dieser Traum bereits erfüllt worden.

Es wäre natürlich großartig, mit Bands wie Trivium unterwegs zu sein. Wir hatten auch ein paar Shows mit Arch Enemy, wenn das noch mal funktionieren würde, das wäre auch genial. Die großen Bands suchen sich aber natürlich auch Support Acts, die ebenfalls viele Leute anziehen, da haben wir noch ein wenig Arbeit vor uns, um in diese Kategorie aufzusteigen. Nach zehn Jahren Familienleben müssen wir erst einmal schauen, wo wir stehen und wo die Reise noch hingeht.

Time For Metal / René R.:
Vielen Dank für deine Zeit, Jakob! Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern zum Abschluss unbedingt mitteilen willst?

Mercenary / Jakob:
Wenn dieses Interview zeitnah erscheint, wäre es natürlich gut, den Leuten zu sagen, dass sie gern zu unseren Shows auf dieser Tour kommen sollen. Es ist immer toll, viele Menschen auf den Konzerten zu sehen, wir sind glücklich über jeden Einzelnen, der kommt. Aber egal, wie viele Menschen da sind, wir liefern immer eine gute Show ab!

Ich hoffe, die Leute hören sich unser neues Album an, wir sind wie gesagt sehr stolz darauf, und wenn jemand das, was wir in der Vergangenheit gemacht haben, mag, dann wird er sicherlich auch das neue Album mögen!

Hier kommt ihr zum Konzertbericht im Backstage:

Mercenary und Hatesphere am 05.02.2024 im Backstage in München