Das Interview mit Michel von Unbelehrt zum aktuellen Album „Mutatio“

Lassen ihre Alben bewusst länger wirken und greifen mit neuem Line-Up erneut an

Artist: Unbelehrt

Herkunft: Deutschland

Genre: Rock, Deutsch Rock, Punk Rock

Label: Boersma-Records

Link: https://www.facebook.com/unbelehrt

Bandmitglieder:

Gesang, Gitarre – Michel
Schlagzeug – Thomas
Bass, Gesang – Manu

Time For Metal / René W.:
Hallo Michel,
heute wollen wir über euer neues Album Mutatio sprechen, welches vor wenigen Tagen das letzte Werk Narben Der Zeit abgelöst hat.

Ihr habt euch für Mutatio Zeit gelassen, fast sieben Jahre sind zwischen den beiden Longplayern vergangen. Wie kam es zu dieser längeren Pause und was erwartet eure Fans in den neuen Stücken?

Unbelehrt / Michel:
Also eine Pause gab es nie. Wir haben ja trotzdem die letzten sieben Jahre Livekonzerte gespielt. Diese Zeit haben wir auch gebraucht.

Ich muss dazu sagen, dass ich mir da auch keinen Druck machen lasse, was diese sogenannte „Zwei bis Drei-Jahres-Regel“ angeht, in deren Abstand immer ein neues Album erscheinen sollte. Für mich gibt es das nicht. Songs kommen raus, wenn sie gut sind und das Album ausgereift ist.

Man darf auch nicht vergessen, dass in diesen letzten sieben Jahren viel passiert ist. Vor allem bei mir persönlich. Ich habe eine Scheidung hinter mir, Jobwechsel, Wohnungswechsel und alles, was damit zusammenhängt. Auch wenn am Ende alles positiv war, muss man so was auch erst mal verarbeiten. Zudem haben zeitgleich alle Bandmitglieder gewechselt, außer mir. Wir waren immer zu viert, jetzt zu dritt. Diese Zeit haben wir gebraucht, um zusammenzuwachsen. Wenn man plötzlich mit neuen Musikern zusammenarbeitet, die ja auch ihren eigenen Stil mitbringen, ist das auf die Schnelle nicht so einfach. Wären die letzten Jahre anders gelaufen, würde es mit Sicherheit einige Songs auf der neuen Platte nicht geben. Wir wollen qualitativ gute Musik machen. Das steht für uns klar im Vordergrund und das ist uns, meiner Meinung nach, auf der neuen Scheibe sehr gut gelungen.

Time For Metal / René W.:
Hattest du zwischenzeitlich darüber nachgedacht, das Projekt Unbelehrt aufzulösen?

Unbelehrt / Michel:
Solche Momente gab es tatsächlich, aber mein Herz hängt einfach an dieser Band. Ich habe sie mit aufgebaut und zu dem gemacht, was sie heute ist. Deshalb wurden solche Gedanken immer schnell wieder verworfen. Wenn ich jetzt auch sehe, was für ein geiles Album dabei herausgekommen ist, bin ich umso glücklicher, dass man immer wieder den Arsch hochbekommt. Unbelehrt bleibt bestehen! Sonst wäre dieses wunderschöne Projekt Mutatio nicht entstanden.

Time For Metal / René W.:
Wie schwer ist es dir gefallen, mit einer komplett erneuerten Formation wieder durchzustarten und eine Routine hineinzubekommen?

Unbelehrt / Michel:
Ich bin allgemein ein Mensch, der nicht so gerne etwas aus der Hand gib, gerade dann nicht, wenn mir etwas wichtig ist. Aber es ist nun mal in einer Band nicht möglich. Die Bandmitglieder habe ich mir ja selbst ausgesucht. Dass neue Menschen neuen Wind hereinbringen, ist natürlich klar. Darauf muss ich mich natürlich auch ein Stück weit einlassen. Auch wenn das nicht immer einfach war und es auch immer noch nicht ist. Deswegen haben wir die Zeit gebraucht, uns kennenzulernen. Thomas kannte ich ja schon. Aber man muss menschlich und musikalisch klarkommen. In Prinzip ist es wie in einer Beziehung. Man streitet oder diskutiert mal, verträgt sich wieder und erschafft Sachen 😉

Time For Metal / René W.:
Das Artwork springt direkt ins Auge. Düster, jedoch nicht hoffnungslos, verkörpert das Cover beide Aspekte und spiegelt die Thematik der Scheibe wunderbar wider. Wie kam es zu diesem Kunstwerk und habt ihr selber Hand angelegt?

Unbelehrt / Michel:
Ja, genau darum ging es. Zu Anfang ist es uns schwergefallen, einen Namen für das Album zu finden. Dann haben wir überlegt, worum geht es in den Songs, was ist die letzten Jahre passiert. Was die Band angeht und auch privat. Wovon handelt diese Geschichte? Schnell sind wir dann auf Veränderung gekommen. Doch ein Album „Veränderung“ zu nennen, fanden wir etwas komisch. So sind wir dann auf den lateinischen Begriff Mutatio gestoßen. Dann ging es ums Cover. Dieses Artwork stammt übrigens von Hammergrafix aus Berlin, der eine mega Arbeit macht. Er hat unsere Ideen wahnsinnig gut umgesetzt. Erst hatten wir etwas anderes im Sinn, Raupe, Schmetterling und so weiter.

Wir wollten etwas Natürliches. Dann ist uns der Baum eingefallen, der sich im Zyklus des Jahres verändert. Das bringt es für uns auf den Punkt und ist stimmig zum Aufbau des Albums. Texte und so weiter. Da das Leben brutal genug ist, haben wir uns diesmal bewusst gegen ein Cover mit Totenköpfen o. Ä. entschieden. Wenn man das Werk bewusst anhört, wird man spüren, dass Unbelehrt erwachsener geworden sind. Die Themen, die uns bewegen, haben sich weiterentwickelt. Mutatio ist mit Abstand das beste Album. Das sage ich jetzt nicht, weil man das immer über das neuste Album sagt, sondern wahrscheinlich, weil es auch einen sehr großen Anteil von meinem Leben in sich trägt. Es ist das Persönlichste, was ich bisher zu Papier gebracht habe.

Time For Metal / René W.:
Dafür, dass es eure erste gemeinsame Scheibe ist, sind die Abläufe auf Mutatio total sauber, ihr könnt Höhepunkte generieren und den Hörer mitnehmen. Für alle, die noch nicht hineingehört haben, erzähle doch bitte mal, was sie erwartet und was aus der Zeit vor diesem neuen Werk übergeblieben ist.

Unbelehrt / Michel:
Ich denke, es ist auf dieser Platte für jeden etwas dabei. Wer auf Ska steht, wird Komm Lass Uns Fliegen feiern. Wer gerne Balladen hört oder in die Tiefe gehen will, den wird Sternenkind bewegen. Ich habe mir sagen lassen, dass einige Riffs in Schmetterlinge an Metal erinnern. Auch mit Neustart können sich viele identifizieren. Auch was Altes ist dabei. Das Trinklied und Leckt Uns Am Arsch spielen wir seit der ersten Stunde und diese Lieder sind bis jetzt live nicht mehr wegzudenken. Da beide auf keinem derzeit erhältlichen Album vertreten sind, haben wir uns entschieden, die Neuauflagen der Songs mit aufs Album zu packen. Mutatio ist textlich und musikalisch sehr vielseitig und jeder kommt auf seinen Kosten.

Time For Metal / René W.:
Ihr habt für dieses Jahr schon einige Konzerte geplant, wie wird sich das Set zusammensetzen, wird der Fokus auf das neue Material gesetzt oder kommen auch die älteren Klassiker zum Tragen?

Unbelehrt / Michel:
Es kommt natürlich auch auf die Spielzeit an. Haben wir zum Beispiel einen Festivalslot, kann man nicht das ganze Album spielen. Wir wollen auf jeden Fall alte Highlights mit hineinpacken, die gut angekommen sind. Natürlich aber auch Highlights des Albums. Wie gesagt, eine Frage der Spielzeit. Hast du eineinhalb Stunden, kannst du natürlich alles zocken. Kommt darauf an, wo spielen wir, was für Leute sind da, wann wir spielen. Aber natürlich ist unser Anspruch, die neuen Songs zum Besten zu geben. Die alten haben wir jetzt schließlich lange genug gespielt.

Time For Metal / René W.:
Euch findet man sowohl in Clubs als auch auf einem Open Air. Was bevorzugst du als Musiker oder ist es dir egal, Hauptsache, du kannst die Gedanken von Unbelehrt in die Ohren der Besucher tragen?

Unbelehrt / Michel:
Schwer zu beantworten. Es ist schön, auf großen Bühnen zu spielen, wie zum Beispiel letztes Jahr in Österreich bei Lake Rockt in Salzburg oder die G.O.N.D. Es ist aber auch mega, in Kneipen zu spielen oder kleine Bühnen zu bereisen. Jedes Konzert hat seine Eigenart und das macht es insgesamt so besonders. Ich könnte nicht sagen, dass ich etwas bevorzugen würde.

Time For Metal / René W.:
Eine Frage, die jetzt wohl kommen muss: Wie lange müssen eure Fans dieses Mal auf ein neues Studioalbum warten? Habt ihr schon Ideen für die nächste Scheibe oder fokussiert ihr euch jetzt erst mal ausschließlich auf die Konzerte?

Unbelehrt / Michel:
Also ich glaube, jetzt über ein neues Album zu sprechen, steht nicht zur Debatte. Wir wollen erst mal Mutatio in die Welt hinaustragen und die Leute damit erfreuen. Ich finde es immer schade, wenn Bands/Musiker/Künstler ein Album bringen und kurz darauf kommt schon das nächste. Ich finde, so ein Album kann sich nicht entfalten. Meiner Meinung nach muss ein Album herauskommen und dann braucht es Zeit, was mit den Leuten zu machen. Man muss den Hörern die Chance geben, sich mit der Scheibe zu befassen. Da entwickeln sich ja auch Gefühle und Gedanken oder Erinnerungen dazu. Früher hat man sich eine CD gekauft und die rauf und runter gehört. Dann waren da diese paar Lieblingssongs, die man nicht oft genug abspielen konnte. Nach einiger Zeit ist einem aufgefallen, dass dieser andere Song eigentlich auch mega geil ist. Man hat sich mit Musik und Texten richtig befasst. Heutzutage wird gestreamt. Die Leute hören den ersten Song, wenn er sie nicht sofort abholt, wird weitergeklickt und das war es. Sie werden niemals mehr in das Album hineinhören. Das ist ein ganz großes Problem der Musikindustrie. Ein Musiker wird auf diese Weise eingeschränkt, mal etwas Neues auszuprobieren, sich zu entwickeln, ohne dass der Hörer sofort abschaltet.

Dennoch geht es in unseren Köpfen weiter. Man schreibt ja immer. Erst mal sind Ideen im Kopf oder werden auf dem Handy festgehalten. Wenn es reif genug ist, kommt es zu Papier. Dann geht’s ab in den Proberaum und wird gemeinsam ausgearbeitet. Wenn man dann die gewünschte Anzahl der Lieder hat, werden wir natürlich wieder ein Album bringen. Aber wie gesagt, viel zu früh, um darüber zu reden. Wir würden uns damit auch unter Druck setzen und das steht für uns nicht zur Debatte.

Time For Metal / René W.:
Ich bedanke mich für eure Zeit. Das letzte Wort gehört euch und ich wünsche euch ein spannendes wie erfolgreiches Jahr 2024.

Unbelehrt / Michel:
In erster Linie haben wir natürlich zu danken für dieses Interview und das Interesse an dem, was wir tun und was wir sind. Wir wollen allen danken, die das Album streamen, kaufen oder auf irgendeinem Weg hören. Es vergeht kein Tag, an dem wir kein positives Feedback erhalten. Diese Reaktionen überwältigen uns und wir finden es einfach mega und sagt uns, dass sich die ganze Arbeit und das Herzblut, was hinter solch einem Projekt steckt, mehr als gelohnt hat. Danke an alle, die uns unterstützen, uns hören, unseren Merch kaufen und nach den Konzerten mit uns anstoßen und quatschen!

Schön, dass ihr da seid! Wir hören und sehen uns, hoffe ich!