“Eine große Tüte Charisma, bitte! “
Eventname: „Transcendence“ European Tour 2017
Headliner: Devin Townsend Project (CAN)
Vorbands: Between The Buried And Me (USA), Leprous (NOR)
Ort: FZW, Dortmund
Datum: 08.03.2017
Kosten: 24,00 Euro zzgl. Gebühren
Genres: Progressive Metal, Progressive Rock, Metalcore, Mathcore, Experimental Metal
Veranstalter: Wizard Promotions https://wizpro.com/
Link: https://www.facebook.com/events/1728525510740475/
Setlists:
01. Fossil Genera – A Feed from Cloud Mountain
02. The Coma Machine
03. Lay Your Ghosts to Rest
04. Bloom
05. Option Oblivion
06. Life in Velvet
01. Foe
02. Third Law
03. The Price
04. The Flood
05. Rewind
06. Slave
01. Rejoice
02. Night
03. Stormbending
04. Failure
05. Where We Belong
06. Hyperdrive!
07. Planet of the Apes
08. Ziltoid Goes Home
09. Suicide
10. Supercrush!
11. March of the Poozers
12. Kingdom
Zugabe:
01. Ih-Ah!
02. Higher
Während der Fahrt durch den Pott habe ich mir die erste Zeilen für’s Review bereits zurechtgelegt und wollte auf die unhaltbaren Kfz-Anreisebedingungen aufgrund von Baustellen, Unfällen und Wetterblödheit eingehen. Nach diesem Abend jedoch lassen wir das Schlechte mal beseite und widmen uns lieber direkt den überragenden Ereignissen im FZW in Dortmund.
Wizard Promotions haben also ein abwechslungsreiches und dennoch recht homogenes Trio ins FZW nach Dortmund eingeladen. Die Norweger Leprous, die Ende letzten Jahres ihre Live At Rockefeller Music Hall-Collection veröffentlichten, Between The Buried And Me aus North Carolina, die mit ihrer 2015er Coma Ecliptic gefühlt auf Dauer-Promotour sind und der ehrwürdige Meister des progressiven Metals, Devin Townsend mit seinem Projekt. Jener wird heute auch Songs, die er solo unter Devin Townsend und The Devin Townsend Band veröffentlicht hat spielen und auch Nummern seiner aktuellen Platte Transcendence zum Besten(!) geben.
Das FZW ist nicht ganz ausverkauft, was bei einer Kapazität von 1.300 Personen aber auch schon eine Herausforderung ist. Vermutet gut 1.000 Zuschauer haben sich dennoch durchkämpfen können, fiebern nun den drei Acts entgegen und werden vorab mit Klone aus den Boxen akustisch auf den Abend vorbereitet.
Gegen 20:00 Uhr betreten dann Leprous aus Oslo mit ihrem flächigen Progrock die Bühne, licht-technisch gehüllt in Schwarz und Rot – und das soll sich auch bis zu den letzten zwei Songs nicht ändern. Später erfahren wir von Devin, dass die Band komplett mit der Grippe zu kämpfen hat (was sich auch in den Instagram-Accounts der Musiker nachlesen lässt) und vermutlich wenig Interesse an Sichtbarkeit hat. Es gibt also eine Silhouetten-Show mit vereinzelten Strobo-Effekten und ein wenig Grün zum Ende des Sets hin. Zu allem Übel hatte die Band wohl auch noch Probleme mit dem Tourbus. Dicker kann’s also kaum kommen. Musikalisch lassen sich die Jungs nichts anmerken und sind ganz Profis an ihren Instrumenten. Hits wie The Price oder Rewind werden souverän runtergezockt. Außer mit der Ansage, dass Slave nun der letzte Song des Abends sei, hält man sich aber auch interaktiv stark zurück. Drücken wir ihnen die Daumen, dass sie den Rest der Tour gut überstehen.
Weiter geht’s nach kurzer Umbauphase (alle Drumsets waren bereits aufgebaut) mit Between The Buried And Me, die ich 2016 mit Protest The Hero in kleinerem Rahmen erleben konnte und positiv angetan war. Tommy und seine Jungs müssen dem Licht-Techniker das ein oder andere Raffaello zugesteckt haben, denn endlich sieht man auch, wer da was auf der Bühne veranstaltet. Keyboard spielende Sänger sind ja in ihrer Agilität dann doch immer etwas eingeschränkt, aber in den arbeitsfreien Momenten schnappt sich erwähnter Frontmann das Mikro vom Ständer und marschiert auch gern mal die Bühne auf und ab.
Auch Bassist Dan Briggs hat Synthiegerätschaften vor sich aufgebaut und hackt vereinzelt darauf herum, verbringt aber die meiste Zeit leicht zurückgezogen vor seinem Amp. In Sachen Ansagen orientiert man sich an Leprous, ohne dass wir eine Kenntnis über einen eingeschränkten gesundheitlichen Zustand der Band haben. Drum-Maschine Blake Richardson schraubt während einer ruhigeren Passage kurz an seinen weggekippten Chinas herum, Gitarrist Paul Waggoner gibt das Vocal-Backup und schwingt seine Haarpracht, während der eher introvertierte Dustie Waring rechts außen seine Gitarrenparts konzentriert darbietet. Alles in allem ein souveräner Auftritt mit einem eher entspannten bis verhaltenem Publikum. Die Mischung aus Metalcore, Mathcore und Progressive Metal scheint sich nicht jedem Besucher zu erschließen oder zu munden.
Während der Umbauphase kündigt sich schon der nachfolgende Wahnsinn mit Spaßgarantie an. Denn – wer auch immer dafür verantwortlich war – als musikalisches Warmup ertönen die Hits von Abba, den Bee Gees und Whitney Houston aus den Boxen. Die Stimmung steigt – kein Witz. Der Stagehand testet die Mikros mit „Nick is sick“-Ansagen, die aber nicht im Zusammenhang mit den andersbenamten Leprous-Musikern stehen können. Gegen 22:00 Uhr betreten dann Devin Townsend und Co. die Bühne nach kurzem akustischen Spannungsspiel und das FZW wacht auf. Ab der ersten Sekunde merkt man, dass Herr Townsend a) ganz Profi ist und b) eine Menge Spaß an dem zu haben scheint, was er da tut. Interaktion mit Publikum, Band und Photographen…er kann’s. Nach drei Songs entlässt er uns mit den Worten „Goodbye, goodbye, goodbye!“ nett aus dem Graben und zieht sein Set ohne eine Armada an Linsen vor der Nase weiter durch.
Der weitere Verlauf der Show wird durch die illustresten Ansagen bestimmt. Devin Townsend nimmt sich selbst nicht so ganz ernst, ohne dabei aber peinlich oder klamaukig zu wirken oder werden. Die guten alten Penis-Witze gehen irgendwie immer und wo man sonst die Augen über soviel kindische Unreife rollt, wirkt es hier intelligent verpackt. Vor Hyperdrive! erzählt Devin, dass er vor der Show eingeschlafen sei und nur dank Red Bull gerade maximal wach auf der Bühne stünde. Die Kohlensäure des Getränks tut jedoch ihr Übriges, was er mit „I keep burpin'“ kommentiert. Er sei ein „braggy, proggy, masturbating 44 year old guitar nerd“ und bei aller Übertreibung liebt ihn das Publikum – da kann er noch so grimmig während der Songs gucken. Sein strahlendes Lachen in den Pausen zwischen den Songs ist einfach zu sympathisch.