“Ein neues Referenzwerk der Könige des Progressive Metal“
Artist: Dream Theater
Herkunft: Long Island (NY), Vereinigte Staaten von Amerika
Album: The Astonishing
Spiellänge: 131:21 Minuten
Genre: Progressive Metal
Release: 29.01.2016
Label: Roadrunner Records
Link: http://www.dreamtheater.net
Produktion: Cove City Sound Studios, New York von John Petrucci (Produktion) sowie von Richard Chycki (Engineering/Mixing)
Bandmitglieder:
Gesang – James LaBrie
Gitarre – John Petrucci
Bassgitarre – John Myung
Keyboard – Jordan Rudess
Schlagzeug – Mike Mangini
Leitung Chor und Orchester – David Campbell
Tracklist:
Act I
- Descent Of The NOMACS
- Dystopian Overture
- The Gift Of Music
- The Answer
- A Better Life
- Lord Nafaryus
- A Savior In The Square
- When Your Time Has Come
- Act Of Faythe
- Three Days
- The Hovering Sojourn
- Brother, Can You Hear Me?
- A Life Left Behind
- Ravenskill
- Chosen
- A Tempting Offer
- Digital Discord
- The X Aspect
- A New Beginning
- The Road To Revolution
Act II
- 2285 Entr’acte
- Moment Of Betrayal
- Heaven’s Cove
- Begin Again
- The Path That Divides
- Machine Chatter
- The Walking Shadow
- My Last Farewell
- Losing Faythe
- Whispers In The Wind
- Hymn Of A Thousand Voices
- Our New World
- Power Down
- Astonishing
Seit über 30 Jahren setzen Dream Theater, die im Jahr 1985 von John Petrucci, John Myung und Mike Portnoy als Majesty gegründet wurden, die Messlatte im Progressive Metal. Und diese Messlatte liegt sehr hoch, schaffen die fünf Männer es doch immer wieder, ihre Hörer in die ganz eigenen Klangwelten eintauchen zu lassen, die sie auf ihren jedes Mal sehnlichst erwarteten neuen Alben erschaffen. Episch lange Werke von um die 20 Minuten sind dabei genauso selbstverständlich wie kürzere, oft sehr eingängige, teilweise aber ebenso vertrackte Stücke, die immer die Handschrift von Hauptsongschreiber John Petrucci tragen. Für Dream Theater sollte man sich Zeit nehmen, und das auch insbesondere für das am 29.01.2016 erscheinende neue Doppelalbum The Astonishing, das mit einer Spielzeit von über zwei Stunden daherkommt. Die Produktion, während der sogar ein echtes Orchester und ein echter Chor unter Leitung des kanadischen Star-Dirigenten David Campbell zum Einsatz kamen, lag dabei wieder in den bewährten Händen von John Petrucci.
Bei The Astonishing handelt es sich nach dem ersten Konzeptalbum, dem 1999 erschienen Album Metropolis Pt 2: Scenes From A Memory, wiederum um ein Album, das eine Geschichte erzählen will. Es geht in eine düstere post-apokalyptische Zukunft, in der eine mittelalterlich-feudalistische Oberschicht herrscht und jegliche von Menschen erschaffene Kunst strikt verboten ist. Auch Musik wird nur noch von Maschinen „produziert“, das sind auf The Astonishing dann die NOMACS, die Noise-Machines. Das unterdrückte und geknechtete Volk sehnt den einen Auserwählten herbei, der da kommen möge und das Imperium des Maschinenlärms und der Visionen besiegen wird. Dabei treten dann insgesamt acht Charaktere auf den Plan, die in einer sehr geschickten Marketingstrategie bereits ansatzweise vorgestellt wurden und auf der Homepage der Band auch bildlich dargestellt sind. Besonders hoch anzurechnen ist es James LaBrie, dass er es sich nicht hat nehmen lassen, alle acht Charaktere selbst gesangstechnisch darzustellen und sie mit Leben zu füllen, d. h. vier unterschiedliche Männer, drei Frauen und ein Kind. Bei dieser hier vertonten Geschichte kann man durchaus an Blockbuster wie The Hunger Games oder Game Of Thrones denken, auch die düstere Stimmung aus John Carpenter’s Die Klapperschlange schlägt sich teilweise in den Songs nieder. Diese funktionieren übrigens sowohl für sich allein als auch im Fluss des kompletten Albums.
Das sind eigentlich schon alle Informationen, die ich zur Geschichte von The Astonishing vorliegen habe, so dass ich noch ziemlich im Nebel stochere und einfach die Musik auf mich wirken lassen muss. Der erste Titel ist dann auch schon fast selbsterklärend, Descent Of The NOMACS schwebt ein, und mein Blick fällt sofort auf das Albumcover. So sehen die Dinger also aus, die hier zu hören sind. Auch das folgende Dystopian Overture kommt noch instrumental daher, hat aber mit seiner Spielzeit von knapp fünf Minuten mehr Zeit, sich in seiner ganzen Vertracktheit zu entfalten. Weiter geht es dann im Laufe der über zwei Stunden, die da noch folgen, und die sich, zumindest für meine Ohren, überwiegend relativ ruhig und, für Dream Theater-Verhältnisse, ziemlich eingängig, gestalten. Die Geschichte hat sich mir zugegebenermaßen nicht erschlossen, aber auch, wenn man „nur“ in die Klangwelten eintaucht, die Dream Theater mit diesem Album erschaffen haben, lohnt es sich, bis zum Schluss dabeizubleiben.
Wie schon geschrieben, gibt es sehr viele ruhige Stücke, wie z. B. When Your Time Has Come, Act Of Faythe, Losing Faythe oder Whispers In The Wind, und ich hatte schon das Wort „altersmilde“ im Kopf. Daneben gibt es dann aber auch die so typischen Mid- oder auch Uptempo-Songs mit ihren wilden Tempowechseln, bei denen sich die Bandmitglieder dann mal richtig austoben können. Natürlich kriegt John Petrucci ausgiebig Gelegenheit, sein unbestreitbar exzellentes Gitarrenspiel einzubringen und Jordan Rudess darf sich neben den diversen Keyboards und Synthesizern auch an einem echten Piano und an einer Hammondorgel die Finger warm spielen. Auch das Bassspiel von John Myung ist nicht hoch genug zu würdigen, und Mike Mangini kann, wenn nicht schon vorher, dann doch spätestens mit diesem Album beweisen, dass er zu Dream Theater passt, wie schon immer dabei gewesen. Der Gesang von James LaBrie ist selbstverständlich ebenfalls von allerhöchster Qualität, wobei es manchmal etwas schwierig ist, die einzelnen Charaktere auseinanderzuhalten. Das darf aber gern als ganz kleine Randnotiz verstanden werden, denn er meistert die verschiedenen Gesangsstile mit Bravour. Und dann sind dann natürlich noch Orchester und Chor unter der famosen Leitung von David Campbell, die mit dem für Dream Theater typischen Gespür für die richtige Mischung dort eingesetzt werden, wo es einfach sein muss.
Sehr ambitioniert sind Dream Theater an dieses Album herangegangen. Mit dem ersten Konzeptalbum Metropolis Pt 2: Scenes From A Memory kann man es nicht wirklich vergleichen, allein die Spielzeit ist ja schon fast doppelt so lang. Aber die fünf Männer haben hier wieder ein Album geschaffen, das die Messlatte noch ein Stückchen höher gelegt hat, und das sicherlich auch als Referenzwerk für andere Bands dieses Genres, aber auch für Dream Theater selbst, betrachtet werden kann. Eigentlich haben die diversen Hördurchgänge immer noch nicht gereicht, um überhaupt eine Note vergeben zu können, denn auch dieses Album will entdeckt werden. Die Grundtendenz ist aber schon klar, und selbst wenn ich die Note noch ändern müsste, ginge es dabei wahrscheinlich eher um die Stelle hinter dem Komma.