Harpyie – Minnewar

Wieder mal ein Coveralbum, das man sich besser hätte schenken sollen

Artist: Harpyie

Herkunft: Bad Oeynhausen, Ostwestfalen, Deutschland

Album: Minnewar

Spiellänge: 45:05 Minuten

Genre: Folk-Rock, Folk-Metal

Release: 25.06.2021

Label: Metalville / Rough Trade

Link: http://www.harpyien.de/

Bandmitglieder:

Gesang – Aello die Windböe
Drehleier – Brian
Gitarre – Podargo der Schnellfliegende
Bass – Jean
Schlagzeug – Kayran der Geflügelte

Trackliste:
1. Wenn Ich Tot Bin
2. Tanz Mit Mir Feat. Mr. Hurley & Die Pulveraffen
3. Spielmannsschwur Feat. Saltatio Mortis
4. Krabat
5. Es Gibt Nur Wasser
6. Rapunzel
7. Thekenmädchen
8. Blau Wie Das Meer
9. Vollmond
10. Kleid Aus Rosen
11. Willst Du

Harpyie, das Fabelwesen aus Ostwestfalen, sorry… aus der griechischen Mythologie schlägt wieder zu. Zu ihrem zehnjährigen Geburtstag erscheint wieder bei Metalville ihr nunmehr sechstes Album namens Minnewar. Vor zwei Jahren erschien ihr letztes Album Aurora. Statt die Pandemiezeit kreativ zum Erstellen neuer Songs zu nutzen, wildern die fünf in fremden Gärten. Minnewar ist ein reines Coveralbum, an dem sogar der Name geklaut ist. Der „Sängerkrieg“ ist ein traditioneller Wettstreit, bei dem renommierte Klassiker neu interpretiert und aufs schärfste gepimpt und modifiziert werden. Genau so sollen auch die elf Tracks der neuen Scheibe sein.
Wer mich kennt weiß, ich bin kein genereller Freund von Coverversionen. Mir dieses Album auf den Schreibtisch zu legen, grenzt an Provokation. Wenn eine renommierte Band covert, dann muss es gut oder kreativ sein. Als Bonus oder Zugabe taugt ein Coversong, auch wenn er witzig gemacht ist und das Original durch den Kakao zieht. Aber ein ganzes Album voll mit Songs aus dem gleichen Genre?

Harpyie Cyberpunk Bandfoto 2021

Los geht es mit dem 2007ner Luna Luna Song Wenn Ich Tot Bin. Nachdem Metusa 2016 dem Song schon einmal etwas mehr Drive gegeben haben, steigern Harpyie das Tempo noch einmal. Ein klarer Zugewinn, denn die Struktur des Songs wird nicht verändert. Das Original von Tanz Mit Mir stammt von Faun und hatte 2013 Santiano als Gastinterpreten. Diese Version hat Mr. Hurley & die Pulveraffen als Gaststars. Musikalisch gewinnt der Song. Es ist ein Duett, das für Mann/Frau geschrieben ist und auch textlich darauf ausgelegt ist. Dieses mit zwei Männern zu bestücken, passt einfach so gar nicht. Song Nummer drei ist der gefühlvolle Klassiker Spielmannsschwur von Saltatio Mortis. Saltatio Mortis wirken hier auch als Gäste mit, interpretieren praktisch ihren eigenen Song mit Harpyie-Unterstützung. Der Song gewinnt an Tempo und Härte, unterscheidet sich ansonsten kaum vom Original. Weiter geht es mit Krabat, einem ASP Cover. Das Original stammt aus dem Jahr 2009 und lebt vom Rhythmus. Hier hätten die Ostwestfalen leichtes Spiel gehabt, mal richtig Dampf hineinzulegen. Das tun sie aber überraschenderweise nicht, sondern belassen es fast beim Original. Der Bass bekommt hier eine Sonderstellung, unterlegt den Song in den jeweiligen Passagen mit dem entsprechenden Druck. Santiano legten mit ihrem Partysong Es Gibt Nur Wasser die Messlatte ziemlich hoch. Besonders live treibt der Beat die Beine an. Mit dieser Version legen sie zwar ihren eigenen Stil über das Original, gewinnen aber mit Sicherheit nur einen Livesong dazu, der auf Kosten anderer zur Party beiträgt. Den nächsten Song musste ich erst einmal googeln. Die Letzte Instanz legt hier 2008 mit Rapunzel einen geigenlastigen Folk-Rock-Tanz-Klassiker hin. Mit Harpyies eigenem Stil gewinnt der Song natürlich, obwohl sie auch hier nahe dem Original bleiben. Modern, frisch, druckvoll und trotzdem traditionell. Yo, hier hat der Song trotz fehlender Innovation gewonnen. „Verlieb die nie, nie, nie in das Mädchen hinter der Theke“. Diese Textzeile stammt aus dem 2019er Album Nordlicht von Versengold. Nun landet der Track Thekenmädchen schon auf einem Coveralbum. Er scheint nicht nur bei mir für gute Laune gesorgt zu haben… Außer dass die akustische Gitarre durch eine E-Variante ersetzt ist, kann ich beim Durchhören kaum einen Unterschied zum Original feststellen. Ich bin zwar nicht Blau Wie Das Meer, an das ich gleich fahre, aber dieser Song ist ein Traditional aus 2015 von Mr. Hurley & die Pulveraffen. Hier trifft das selbst gewählte Attribut „aufgepimmt“ endlich einmal zu. Während die Geige das Original im Blick hat, kommt der Rest der Instrumentalisierung schon dem Industrial oder NDH nahe. Das 2008er Vollmond von In Extremo ist im Original ja schon ganz ordentlich mit Härte und Druck versehen. Harpyie schaffen es hier, dem eh schon guten Klassiker ein frisches Outfit zu verpassen. Noch ein Stück härter, noch ein Stück frischer. Bereits 20 Jahre hat Kleid Aus Rosen von Subway To Sally auf dem Buckel. Erst vor einer Woche veröffentlichten die Subways diesen Song in einer mit Gastsängerinnen versehenen Version als Single für ihr zeitgleich erscheinendes Album Eisheilige Nacht: Back To Lindenpark (Review hier). Vergleiche ich es mit dem Original oder mit der neuen Single? Egal. Ich bleibe bei beiden Versionen bei den Originalen. Oft kopiert, nie erreicht. Ähnlich alt, aus 2003, ist der Abschlusstrack Willst Du. Das Original von Schandmaul ist eine langsame Akustik-Schunkelballade. Hier Druck aufzubauen würde wahrscheinlich zu einfach sein. Harpyie belassen es bei dieser Ballade. Sie hinterlegen es anfänglich nur zusätzlich mit Klavier. Ich wollte schon die Skip-Taste drücken, als dann nach zweieinhalb Minuten das Schlagzeug und der Bass endlich druckvoll einstimmen. Nicht allzu dolle, immerhin besser als das verstaubte Original kommt es an Schandmaul-Live-Interpretationen trotzdem nicht heran.

Dieses Album erscheint als CD-Digipack sowie in mehreren limitierten verschiedenen Box-Editionen. Eine Verbreitung als Vinyl ist derzeit nicht vorgesehen. Digital bekommt man die Songs natürlich überall wie gewohnt als Download und im Stream.

Harpyie – Minnewar
Fazit
Eine CD, die als Bonusscheibe bei einem eigenständigen Geburtstagsalbum als Deluxe-Edition nahezu perfekt gewesen wäre. Als eigenständiges Album fällt es bei mir leider durch. Wer covert, muss sich an den Originalen messen lassen. Für ein Pandemie-Album einfach zu wenig. Es fehlt Originalität, Innovation und auch Kreativität. Die Songs sind allesamt zu nah am Original, es hätte einer deutlichen Veränderung bedurft. Jüngere Generationen, die die Originale nicht kennen, werden das lockerer sehen. Sie werden die Scheibe in den Player legen und sich über die elf "neuen", gut hörbaren und zum Teil toll tanzbaren Songs freuen. Ich werde mit meiner Meinung wieder weit und breit alleine sein. Es ist ja heutzutage leider gang und gäbe Plagiate zu erstellen, statt selbst kreativ zu werden.

Anspieltipps: Wenn überhaupt, dann Blau Wie Das Meer oder Vollmond
Norbert C.
6.5
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