Artist: Haven
Herkunft: Berlin, Deutschland
Album: Vessel (EP)
Spiellänge: 26:08 Minuten
Genre: Alternative Metal, Post Metal
Release: 27.11.2020
Label: Argonauta Records
Link: https://haven.band/
Bandmitglieder:
Gesang – Norman Siegel
Gitarre – Robert Kurth
Gitarre – Arne Teubel
Bassgitarre – Sabrina Klewitz
Schlagzeug – Sergey Mareyno
Tracklist:
- Miasma
- Samsara
- Within
Berlin entwickelt sich langsam, aber sicher zur Post Metal Hochburg. Neben den starken Veröffentlichungen von The Ocean Collective (Review: Klick) und Neànder (Review: Klick) in diesem Jahr, ziehen uns Haven in ihren düsteren Abgrund. Post Metal scheint der passende Soundtrack für die Ereignisse in diesem Jahr zu sein. Die fünfköpfige Alternative/Post Metal Band aus der Hauptstadt veröffentlichte 2018 ihre Debüt-EP Anima. Die zweite EP namens Vessel (dt. Gefäß: als Metapher für das physische Dasein) erscheint am 27.11.2020.
In der Bandinfo stehen Namen wie Amenra, Russian Circles, A Perfect Circle, Cult Of Luna, Deftones und Neurosis. Das klingt nach einem krassen Mix aus musikalischen Einflüssen und lässt mich als Fan einiger dieser Bands aufhorchen. Da die vorliegende EP meine erste Berührung mit Haven ist, führe ich mir zunächst das Debüt der Band zu Gemüte. Die Musik liefert die passende Untermalung für meinen Spaziergang, denn dieser Herbsttag zeigt sich von seiner melancholischsten und dunkelsten Seite. Anima macht definitiv Lust auf mehr und ich widme mich voller Vorfreude der neuen EP Vessel.
Der Name Haven steht laut Aussage von Sänger Norman für „Zufluchtsort“ und genau diesen finde ich in den kommenden 26 Minuten Spielzeit. Mit Themen wie Selbstreflexion, Handlungskonsequenzen und dem Stellenwert persönlicher Erfahrungen werden die ambitionierten lyrischen Gedanken der ersten EP fortgeführt. Das 14-minütige Miasma leitet mit bedrohlichen Klängen den musikalischen Kosmos von Haven ein. Dicke Gitarrenwände unterstreichen das Szenario. Der cleane hypnotische Gesang setzt ein und Sänger Norman muss sich nicht hinter Größen wie Maynard James Keenan (Tool, A Perfect Circle) oder Joel Ekelöf (Soen) verstecken. Untermalt wird seine Stimme dabei von Schlagwerk, wie man es in einem Orchester erwartet. Kurz danach schlägt die Stimmung um und der Gesang wird zu einer aggressiven Schreiorgie. Leider können die Screams qualitativ nicht mit dem Klargesang mithalten, passen dennoch gut zur verzweifelten Grundstimmung. Allerdings lockern vereinzelte Growls und die Rückkehr zu cleanen Gesangspassagen die Atmosphäre gekonnt auf. Die laut-leise Dynamik wechselt zwischen aufgetürmten Gitarrenriffs und zerbrechlichen Melodien. Ich fühle mich verstört und geborgen zugleich – was für ein Trip!
Samsara heißt der nächste Song und bezeichnet den immerwährenden Zyklus des Seins in den indischen Religionen. Zu hören sind hintergründige Gitarrenläufe und darüber wieder wunderschöne Gesangsharmonien. Mir bleiben ca. zwei Minuten Zeit, um endlich zu ergründen, wo all die Ambosse dieser Welt geblieben sind. Danach laden Haven tonnenschwere Gitarrenriffs in Form eines Riesenambosses auf meinem Brustkorb ab. Bevor es mir wie dem Zeichentrick-Kojoten ergeht, helfen mir fragile Klanggebilde wieder auf die Beine. Gar nicht genug loben kann ich an dieser Stelle auch die Produktion von Alexander Khromov in den Berliner Sonic Boom Studios. Trotz überlagerten Gitarrenriffs höre ich die Drums ballern und den Bass knurren. Knochentrocken und gleichzeitig fett – nicht selbstverständlich für eine Aufnahme einer jungen Band. Der letzte Song Within verbreitet eine düstere Soundtrack-Atmosphäre. Elektronische Soundfetzen, verschwörerische Sprachsamples im Hintergrund, nur leicht in den Vordergrund rückende Gitarren und der wieder magisch hypnotische Gesang lassen mich in meiner Einsamkeit zurück. Begeistert und erdrückt von der emotionalen Schwere des gerade Gehörten, versucht mein Gehirn das Intro der Gummibärenbande abzurufen, um den Weg aus den Untiefen von Vessel zu finden.