Never Say Die! Tour 2017 im Backstage, München

“Ein (un)perfekter Abend“

Eventname: Impericon Never Say Die! Tour 2017

Bands: Emmure, Deez Nuts, Chelsea Grin, Sworn In, Kublai Khan, Lorna Shore, Polaris

Ort: Backstage, München

Datum: 16.11.2017

Kosten: 25 € VVK, Abendkasse: 30 €

Genre: Metalcore, Deathcore, Hardcore,

Besucher: ca. 800

Veranstalter: Avocado Bookings

Es gibt gewisse Touren, die mehr zum Jahresprogramm gehören als so manche Feiertage. Sie finden jedes Jahr statt, meistens in denselben Städten und zumindest immer in einem absehbaren Zeitraum. Und nein, das müssen nicht immer große Festivals sein. Touren, die sich jährlich mit unterschiedlichem Line-Up wiederholen, gibt es wohl mehr als eine. Für die Fans der Genres Metalcore und Deathcore steht zum Ende des Jahres die Impericon Never Say Die! Tour an, welche seit 2007 jedes Jahr durch Europa zieht und dabei vor allem Bands aus den Bereichen Metalcore, Deathcore, Post-Hardcore und Hardcore mit sich bringt. Die diesjährige Tour zog durch folgende Städte:

02.11. Hamburg (D) Grünspan
03.11. Wiesbaden (D)Schlachthof
04.11. Brugges (B) Entreepot
05.11. London (UK) Electric Ballroom
06.11. Manchester (UK) Club Academy
07.11. Glasgow (UK) Garage
08.11. Cardiff (UK) Tramshed
09.11. Haarlem (NL) Patronaat
10.11. Berlin (D) SO36
11.11. Wroclaw (PL) Zaklęte Rewiry
12.11. Prag (CZ) Storm Club
13.11. Budapest (HU) Dürer Kert
14.11. Wien (A) Arena
15.11. Bologna (I) Zona Roveri
16.11. München (D) Backstage
17.11. Pratteln (CH) Z7
18.11. Lyon (F) MJC O Totem
19.11. Barcelona (E) Razzmatazz
20.11. Madrid (E) Caracol
22.11. Savigny le Temple (F) L’Empreinte
23.11. Saarbrücken (D) Garage
24.11. Leipzig (D) Werk 2
25.11.Köln (D) Essigfabrik

Die Bands des Abends zeigten sich mit Emmure, Deez Nuts, Chelsea Grin, Sworn In, Kublai Khan, Lorna Shore und Polaris als ein recht starker Mix, sowohl bezüglich der musikalischen Ausrichtung als auch bezüglich der Bekanntheit in Deutschland. Während Bands wie Emmure und Deez Nuts bei uns quasi Stammgäste sind, standen Kublai Khan und Polaris zum ersten Mal auf deutschen Bühnen. 7 Bands, 7 verschiedene Versionen von Core – das Grundkonzept klingt vielversprechend und führt am 16. November 2017 im Backstage in München zu einem (un)perfekten Abend.

Der frühe Vogel fängt den Wurm – so sollte man zumindest meinen, bei 7 Bands, doch der Beginn um 17:45 Uhr ist eigentlich bei der Anzahl sogar recht spät. Der Grund dafür wird sich später zeigen, doch man genießt es, in aller Ruhe von der Arbeit zum Backstage zu kommen. Dieses zeigt sich noch nicht in Fülle, ganz im Gegenteil: Hier und da einige verlorene Gestalten, aber nichts, was nach Schlange schreit. Der Einlass ist dementsprechend natürlich schnell erledigt und kaum hat man die stetige Flyer Flut überwunden, warten links bereits mehr als genügend Merchandise Stände, welche mit recht niedrigen Preisen durchaus anlocken. Man halt also mehr als nur genug zu tun, bis es dann schließlich mit Polaris als Opener losgeht.

Nun, Architects haben sich aber schwer verändert…..okay, die Band auf der Bühne sieht ihren britischen Kollegen nicht ähnlich, aber zumindest musikalisch wird es wohl dieselben Fans ansprechen, will heißen: Saftiger Metalcore mit einzelnen Cleans, wenn diese auch etwas häufiger zu finden sind. Polaris kommen aus Australien und konnten sich in den letzten drei Jahren dort bereits recht erfolgreich in der Szene etablieren. Erst diesen Monat veröffentlichten sie ihr Debütalbum. Schwer vorstellbar – zeigt die Band doch eine Präsenz und ein Können auf der Bühne, welches durchaus mit langjährigen Bands zu vergleichen ist. Eventuell auch nicht so überraschend, wenn man bedenkt, dass Australien wohl schon fast zu viele gute Metalcore Bands hervorbringt, so auch Northlane und In Hearts Wake. Insbesondere die Vocals von Polaris wirken live mehr als überzeugend und als Opener hätte es wohl kaum eine bessere Band gegeben. Höchstens die anwesenden Deathcore Fans können eventuell eher weniger mit Polaris anfangen, sorgen die Cleans doch für einen recht sanften Eindruck – für mich persönlich allerdings bereits das Highlight des Abends, was umso trauriger wirkt, wenn man bedenkt, dass die Jungs nur wenige Songs spielen, bevor sie die Bühne auch schon wieder verlassen müssen. Dennoch schaffen sie es, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen und den Abend gebührend zu eröffnen, auch wenn die Halle sich noch nicht sonderlich gefüllt hat. Den Metalcore, den Polaris präsentieren, mag zwar etwas nah an Bands wie Architects, While She Sleeps und Co. gebaut sein, aber dennoch nimmt man als Fan auch Polaris sofort im Herzen auf.

Als Zuschauer hat man ja häufig bereits das Gefühl, welchen Act man wohl am besten finden wird – Polaris treffen persönlich jeden Nerv und konnten somit quasi auch gar nicht enttäuschen. Der zweite Act sorgte da bereits für etwas mehr Zwiespalt: Lorna Shore kommen aus den USA und sind wohl die Einzigen, die ihren Core ein wenig verstecken. Oder wie meine Begleitung es beschreibt: “Die kläffen ja nur!“ Nun hinter diesem Kläffen versteckt sich Death, Black Metal mit so einigen Progressive Elementen, in welchen auch ein wenig Core steckt. Die genaue Zusammensetzung ist ja auch eigentlich egal, an Bühnenpräsenz stehen sie Polaris in nichts nach und beweisen sich vor allem stark aus instrumentaler Perspektive. Brutal und auf die Fresse und dennoch geniale Passagen, welche Struktur aufweisen und durch diese zu einem Sounderlebnis führen. Das „Kläffen“ von Sänger Tom Barber bleibt dabei sowieso eher Nebensache und passt doch auch recht solide zu der präsentierten Ausrichtung. Lorna Shore sind musikalisch wohl auch etwas passender für die meisten Fans des Abends, so füllt sich doch der Raum etwas mehr und die Bewegungen nehmen deutlich zu. Von Fülle kann hier allerdings noch keine Rede sein, da die Hälfte des Raumes leer ist und sogar die Seiten des Backstage Werkes abgesperrt sind – ein klares Zeichen, dass nicht viele Tickets für den Abend verkauft wurden. Die Gründe erkennt man aber später…

Mit Amerikanern geht es auch direkt weiter: Kublai Khan betreten als dritte Band die Bühne und sind, ähnlich zu beiden vorherigen Bands, auch zum ersten Mal in Deutschland. Der Name selbst sorgt jedenfalls bereits für Aufmerksamkeit oder zumindest eine hochgezogene Augenbraue – Kublai Khan war ein mongolischer Herrscher und Kaiser von China, starb jedoch im Jahre 1294 – ja, lange ist dieser Herr also her. Ebenso existiert noch eine Trash-Metal Band, welche genau denselben Namen trägt. Ein wenig verwirrend, spielt aber auch nicht wirklich eine Rolle, Erklärungen für den Namen bekommt man (zumindest an diesem Abend) sowieso keine. Viel wichtiger ist doch auch die Musik der Herren. Diese zeigt sich in Metalcore, der vor allem mit saftigen Breakdowns zu glänzen weiß und da durchaus die einen oder anderen Hardcore Elemente im Spiel sind. Vielleicht ist es auch Hardcore mit Metalcore Elementen, aber am Ende schaffen es die Jungs, zwei Genres perfekt zu verknüpfen und dabei düstere Death Riffs abzuliefern. Hier bleibt dann auch im Publikum selbst fast niemand mehr stehen und mit jeder Band scheint sich der Raum ein wenig zu füllen. Kublai Khan dürfen gerne möglichst schnell möglichst bald wieder auf Tour kommen, denn das Publikum scheint angetan – am besten bringen sie Polaris gleich mit.

Was darf bei einem bunt gemischten Core Abend nicht fehlen? Emocore natürlich – oder zumindest eine Band, welche für die entsprechenden Vibes sorgt. Aber auch daran hat Never Say Die! gedacht und bringt mit Sworn In eine Band, welche vermutlich nicht die Masse an diesem Abend anspricht. Dafür sind die Amerikaner musikalisch dann doch fast schon zu weit weg vom „Auf die Fresse“ Charakter, den eigentlich sonst jede Band hier besitzt. Nicht dass Sworn In nicht wütend erscheinen, doch ihre Melodien sind roh, gleiten langsam, teilweise auch unkontrolliert vor sich hin und dabei wechselt der Gesang zwischen eher hohen Screams, die an Bad Omens erinnern, und leichtem Gesang hin und her. Der Gesang könne auch zu Cane Hill passen – zumindest erinnert die Attitüde doch sehr an diese Gruppe. Sworn In schaffen mit dieser auf dem Papier seltsam erscheinenden Kombi unglaublich, düstere Atmosphären, welche fast schon zu hypnotisieren scheinen und wenn man sich auf die Gruppe einlässt, wird man von der Musik auch vollkommend eingenommen. Lediglich die Vocals scheinen für Sworn In noch etwas Mühe zu kosten. Hier müsste Frontmann Tyler also definitiv etwas an sich arbeiten. Die passenden dunklen, roten Lichter lassen einen aber auch das vergessen, da man sowieso im Hpnosezustand nur auf den nächsten Breakdown warten. Als Fan der Gruppe war es natürlich schwer zu akzeptieren, dass Make It Hurt nicht gespielt wurde, aber hoffentlich hat man bald mal wieder Chance die Jungs zu sehen – am besten zusammen mit Bad Omens für den vollem Emo-Metalcore.

Darf man bei einem recht umfassenden Line Up einen persönlichen Schnitt ziehen? Nun, zumindest könnte ich an dieser Stelle einen machen: Bis zu Sworn In glänzt die Never Say Die! Tour mit Bands, welche bisher noch nicht bzw. nur selten in Deutschland anzutreffen sind, dabei aber zeigen, dass sie eventuell zu den nächsten großen Mitspielern dazugehören und in ein paar Jahren aus der Szene nicht mehr wegzudenken sind. Szene und nicht wegdenken ist ein gutes Stichwort, denn das führt uns direkt zu den verbleibenden Bands, welche vielleicht, vielleicht auch nicht, dafür verantwortlich sein könnten, dass die Tour sich eben nicht sonderlich ausverkauft hat und man eher mit einer halb leeren Halle klarkommen muss: Mit Chelsea Grin, Deez Nuts und Emmure warten nun drei Bands, welche, wenn sie auch live immer wieder überzeugen, fast schon zu häufig zu sehen sind. Nicht wirklich schlimm, aber somit warten nun mal auch keine sonderlichen Überraschungen mehr auf einen.

Weiter geht es also mit Chelsea Grin, welche wohl den meisten das letzte Mal beim Summer Breeze 2017 über den Weg gelaufen sind – und vermutlich über die Monate hinweg mehr als einmal. Bei Bands wie Chelsea Grin ist das natürlich nicht schade, präsentieren sie doch in ihrer Musik zwei wunderbare Seiten: Das ältere Zeug, was ordentlich auf die Fresse haut, die Luft im Raum zersprengt und Suicide Silence dabei fast wie kalten Käse wirken lässt oder aber mit etwas Clean und Synthesizer am Start. Beides können Chelsea Grin perfekt für sich nutzen. Dass das Publikum sich nicht wirklich drum kümmert, welche Periode sie eher mögen, merkt man: Hier springt jeder bei jedem Song! Während die eine Hälfte den Kopf schwingend stets Richtung Boden richtet, hebt die andere Hälfte die Fäuste – definitiv der intensivste Moment des Abends und man merkt nun deutlich, dass zum einen die Fülle zugenommen hat, zum anderen auch die „wahren Headliner“ nun erreicht worden sind. Auch die Spielzeit, welche bis dato bisher stets zu kurz war, bessert sich etwas, dennoch noch immer nicht wirklich zufriedenstellend. Chelsea Grin schaffen es aber trotz kurzer Zeit alles aus dem Publikum herauszuholen – so wie man die Jungs eben kennt.

Mit Polaris begann der Abend bereits großartig mit Australiern. Die Band, welche auf Chelsea Grin folgt, ist schon so lange da, dass man fast vergessen hat, dass sie aus selbiger Ecke kommt: Deez Nuts sind seit 2007 aktiv und auch nicht wirklich aus der deutschen Core Szene wegzudenken – ihr Mix aus Rap, Hardcore und Metal bleibt trotz der vielen Bands noch immer irgendwie einzigartig und Frontmann JJ ist stets ein gern gesehener Gast. Dieses Jahr hatte die Band ein neues Album veröffentlicht und aus der neusten Platte präsentieren Deez Nuts so einige Songs, wobei natürlich auch Klassiker nicht fehlen durften, wie z.B. Band Of Brothers, wenn sie live natürlich auch auf Sam von Architects verzichten mussten. Das Publikum kennt den Track dennoch und dreht voll auf. Aufgrund der etwas geringeren Besucheranzahl scheint das Publikum fast harmlos im Vergleich zu Shows, die man bereits erlebt hat. Binge & Purgatory, das aktuelle Album, reiht sich musikalisch perfekt an ältere Songs und Deez Nuts sind so gut gelaunt, dass sie auch einen Song außerhalb des Sets spielen, einfach weil er vom Publikum gewünscht wurde – selten wird man wohl eine so coole Band vor sich haben. Selbst nach all den Jahren noch immer ein Erlebnis, wenn auch ohne Überraschungen – Deez Nuts liefern ab und holen wohl jeden Zuschauer vom Boden der Tatsachen.

Am Ende wartet nur noch der Headliner auf das Publikum: Dieser ist, wie auch schon das Jahr zuvor, Emmure, die musikalisch einem Donnersturm in Metal- und Hardcore gleichen und dabei vor allem mit der Präsenz von alten Hasen den Raum füllen – das Publikum ist auf jeden Fall vom ersten Ton an dabei. Fäuste fliegen, Köpfe schwingen umher und was genau da textlich gesagt wird, spielt nicht unbedingt eine Rolle. Emmure sind deshalb für mich persönlich ein schwieriger Fall, da ich sie nicht nur schon häufig gesehen habe, sondern sie es auch nie geschafft haben, zu 100 % zu überzeugen. Zu belanglos erscheint der Text, zu belanglos die musikalische Zusammensetzung, um sich diese auch außerhalb der Hallen anzuhören. Klar, ihre Songs machen Spaß und hauen gut rein, aber zumindest aus den Kopfhörern habe ich nach spätestens drei genug. Live schaffen es Emmure zumindest etwas stärker zu wirken und sicherlich würden viele Besucher des Abends widersprechen, dennoch bleibt am Ende des Auftritts nicht wirklich etwas haften, außer vielleicht Flag Of The Beast, welcher durchaus ein sehr starker Song der Band ist. Als Headliner taugen Emmure für die Masse gut, sonst würden sie wohl auch kaum als Speerspitze der Tour ihren Platz fest haben. Ganz nett, für mich aber definitiv kein Highlight des Abends.

Am Ende des Abends hat man wohl so einige Zeit im Moshpit oder beim Headbangen verbracht, Müdigkeit steht also an. Die Never Say Die! Tour 2017 konnte auch dieses Jahr wieder überzeugen und liefert ab – dennoch macht man sich als Besucher und Fan der Konzertreihe ein wenig Sorgen. Eine geringe Besucheranzahl, die zum Headliner Emmure auch wieder etwas abnahm, bereitet Sorge, dass es eventuell irgendwann mal keine Fortsetzung geben könnte. Die Gründe dafür können natürlich vielseitig sein. Persönlich war es auch eher eine Last-Minute Entscheidung doch hinzugehen, weil nun einmal die Hälfte des Line Ups dann doch fast schon zu fest im Kopf ist. Selbst wenn man diese Bands nicht aktiv verfolgt, so hat man wohl jede schon mindestens zwei Mal gesehen.

Es ist natürlich nicht unbedingt verkehrt Lieblinge einzuladen, welche bei den Fans stets Willkommen sind. Dennoch sind insbesondere Emmure und Deez Nuts an die Never Say Tour! gebunden wie ein drittes Bein – zwar sehr nett zu haben, doch manchmal ist es vielleicht auch eher hinderlich. Schließlich herrscht schon seit einigen Jahren eher Unmut bei den Fans bezüglich des Line-Ups. Konnte Never Say Die! doch früher mit Bands wie Parkway Drive oder auch Unearth punkten, so hat man nun das Gefühl, etwas präsentiert zu bekommen, was man sowieso jedes Jahr auf dem Teller liegen hat. Sicherlich wären nur neue Bands wie Polaris und Kublai Khan auch nicht anziehend für alle Fans des Genres, aber eventuell wäre es gut mehr Bands zu gewinnen, die nicht bereits bei der letzten Ausgabe dabei waren oder sehr häufig in Europa zu sehen sind. Der Abend bleibt in schöner Erinnerung, auch wenn er nicht ohne Sorge um die Zukunft der Konzertreihe endet.