Bands: La Dispute, Tummyache
Ort: Substage, Alter Schlachthof 19, 76131 Karlsruhe
Datum: 16.07.2024
Kosten: 34,35 € VVK, 36,00 € Abendkasse
Besucher: ca 850
Genre: Post-Hardcore, Progressive Rock, Indie-Rock
Veranstalter: Substage Karlsruhe e.V.
Link: www.substage.de
Setlist La Dispute:
- I See Everything
- For Mayor In Splitsville
- Edit Your Hometown
- Hudsonville, MI 1956
- Woman (Reading)
- Scenes From Highways 1981-2009
- Footsteps At The Pond
- I Shaved My Head
- Man With Hands And Ankles Bound
- Autofiction Detail
- Andria
- 3/3
- Why It Scares Me
- King Park
- Environmental Catastrophe Film
- Said The King To The River
Ich stehe im gut gefüllten Substage. Es ist warm, sehr warm und schwül, als um Punkt 20:00 Uhr die Vorband Tummyache die Bühne betritt. Ganz leise fängt es an – wenig Licht, kaum Bewegung. Die Sängerin wirkt fast schüchtern, zurückgenommen. Ich bin zunächst irritiert und denke, es bleibt bei leisen Singer-Songwriter Stücken. Es klingt zwar schön, aber als Vorband von La Dispute wäre es doch fehl am Platz. Doch mit jedem Song wird es lauter, schneller und wilder. Ich finde gut, wie sich das Set langsam aufbaut. Die Halle ist schon gut voll. Die ersten im Publikum springen und feiern mit der Band.
Tummyache ist ein Projekt der US-amerikanischen Musikerin Soren Bryce, die live begleitet wird von Bianka Baranova an der Gitarre (die sichtlich Spaß hat, während sie mit ihrer Gitarre springt und sich durch das Set bangt), Linus Fenton am Bass und Arthur James am Schlagzeug. Nach etwa der Hälfte des Sets bedankt sich Soren beim Publikum. Es sei die beste Tour, die sie je gespielt habe, und dass sie die Menschen, denen sie auf dieser Reise begegnet, sehr schätzt. Auch der Dank an La Dispute ist sehr aufrichtig: „Thank you for having us.“. Musikalisch trifft die Band zwar nicht meinen Geschmack, aber ich finde die Dramaturgie und den Aufbau gut. Zum Schluss wälzt sich die Sängerin mit ihrer Gitarre über den Bühnenboden – ein dramatischer Abschluss, der für mich die emotionale Kurve des Konzerts nicht ganz trifft. Die Stimmung im Raum ist gut, aber nicht ausgelassen genug. Dennoch: eine solide Performance. Nebenbei: Ihr „Karlsruhe“ klingt eher nach Kalsrülle – charmant daneben.
Um 21:00 Uhr betreten dann La Dispute die Bühne. Die fünfköpfige Band aus Grand Rapids, Michigan – Jordan Dreyer (Gesang), Brad Vander Lugt (Drums), Adam Vass (Bass), Chad Sterenberg (Gitarre) und Corey Stroffolino (Gitarre) – kommt unaufgeregt und leise auf die Bühne. Die ersten Songs bauen langsam die Stimmung auf. I See Everything, For Mayor In Splitsville, Woman (Rading). Es macht Spaß. Es ist mein erstes Konzert der Band. Das erste Mal gehört habe ich sie mit 15 Jahren, nachdem ihr erstes Album 2008 erschienen ist. Ich war ganz stolz, eine so coole neue Band entdeckt zu haben. La Dispute gibt es immer noch und ich bin jetzt endlich live dabei. Nach etwa einer halben Stunde kommt die erste Ansage und es ist mehr als nur ein kurzes „Danke Karlsruhe“, was eher nach Karlsrüssel klingt – der Name ist für Nicht-Deutsche aber auch kompliziert. Dann hält Jordan eine kleine Rede: Er bedankt sich nochmals beim Publikum und bei der Tour-Community. Er sagt, wie wichtig es sei, Räume zu schaffen, in denen Menschen zusammenkommen. Die Welt sei traumatisiert – politisch, klimatisch, sozial. Er spricht von der AfD, den Republikanern, vom weltweiten Rechtsruck. Vom Klimawandel – und von Angst. Deshalb ist es umso wichtiger, Räume wie diesen heute Abend zu kreieren, in denen Menschen zusammenkommen und man einen Zusammenhalt spürt. Nicht nur hier, sondern auch in Nachbarschaften, in der Zivilgesellschaft: „There are more of us than them… we have power… in communities like this one, in neighborhoods, in solidarity.“ Diesen Zusammenhalt feiert er. Er macht sich stark für Transrechte, für Palästina, für Menschen, die für das Gute stehen und einstehen. Ich höre zu und merke, wie still der Raum ist.
Dann folgt Shaved My Head – der achte Song und einer vom neuen Album, das am 5. September 2025 erscheint. Jordan erinnert uns daran, genug zu trinken. Es ist aber auch verdammt schwül, obwohl ich mittlerweile oben auf der Empore und ohne dichtes Gedränge angekommen bin, bade ich in Schweiß. Das nächste Lied Autofiction Detail, wird fast wie ein Gedicht vorgetragen, mit musikalischer Untermalung. Ebenfalls ein Lied von der neuen Platte. Die Stimmung ist super. Alle lauschen gespannt, in der Menge wird mitgesungen, ein wenig gepogt und ein paar Crowdsurfer trauen sich auch. Im Anschluss an das Lied gibt es nun Lob an Tummyache: „They’re good people. Talented. And I respect them deeply.“
Die Stimmung zieht weiter an. Als King Park anfängt, das letzte Lied des Abends, ist die Bühne in grün-rotes Licht getaucht. Jordan hält vor dem Part „…If I kill myself?“ das Mikrofon ins Publikum und der ganze Saal grölt laut mit. Das ist definitiv der Höhepunkt des Abends. Um 22:00 Uhr kommen die Zugaben. Jordan benutzt wieder den Schellenring, wie mehrfach im Konzert. Beim nun wirklich allerletzten Lied, Said The King To The River, steigt er in den Graben, lehnt sich ins Publikum und lässt es mitsingen. Zum Abschluss bedankt er sich noch einmal: „Karlsruhe, you’ve been good to us“. Er findet es immer noch unglaublich, auf Tour sein zu können. Das ist ein Kindheitsraum, der wahr geworden ist. Draußen regnet es in Strömen. Nach schweißgebadet, nun auch literally klitschnass. Duschen muss ich also theoretisch heute nicht mehr. Irgendwie passt es zu diesem Abend. Emotional durchgewalkt und körperlich durchgeweicht – dieses Konzert war Hardcore bis in die Haarspitzen. Danke, Karlsruhe und La Dispute, für das Rundumprogramm.