Quelle: Mara Kornschober

Das Interview mit Schriftsteller und Musiker Markus Keimel zu seinem neuen Roman Das Bewegte Leben Des Pierre Trandel

Der Österreicher Markus Keimel taugt beinahe schon als Paradebeispiel eines umtriebigen Tausendsassas. Ob als Journalist bei namhaften deutschen Tageszeitungen, wie etwa der Augsburger Allgemeinen, der SHZ oder dem Tagesspiegel. Ob als viel zitierter Verfasser von Lebensweisheiten, die in Politik, Medien und Wirtschaft gerne wiedergegeben werden, ob als Musiker und Liederschreiber oder als Schriftsteller, Poet und Autor. Der Künstler Markus Keimel liebt es, auf vielen bunten Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen und scheint dabei keineswegs den Schwung zu verlieren. Denn mit Das Bewegte Leben Des Pierre Trandel erschien kürzlich sein brandneuer Entwicklungsroman, der nicht nur ausgesprochen dramatisch, tiefgründig und poetisch ist, sondern sich auch gekonnt dem Mainstream und aktuellen Buchtrends entzieht. Mit unkonventioneller Erzählweise und einer polarisierenden Sprache, versucht er seine eigene literarische Nische zu bewandern. Und auch wenn Keimel das Rad dabei nicht ganz neu erfinden kann: Wenn die Chemie zwischen Zutat und Gaumen stimmt, dann führt auch eine solide Rezeptur zum gewünschten Ergebnis.

Das Buch erzählt von einem vereinsamten jungen Mann namens Pierre Trandel, Anfang dreißig, der weder das frühe Ableben seiner Eltern noch den Unfalltod seiner vermeintlichen großen Liebe je verarbeiten konnte. Da er sich als Fremdkörper in einer tristen und empathielosen Welt und Gesellschaft kaum zurechtfindet, versinkt er in Alkoholsucht und Depressionen. Als er sein tristes Leben und die erfolglose Suche nach wahrer Liebe eines Tages nicht mehr ertragen kann, entschließt er sich zu einem zweifelhaften und äußerst holprigen Neustart. Dabei tritt er nicht bloß von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen, sondern wird Zeuge tiefer gesellschaftlicher Abgründe. Er findet Heil in unerwarteten Freundschaften, die ihm den Glauben an das Lebensglück wiedererlangen lassen. Eine geradezu schicksalhafte Begegnung mit einem betagten Mann bringt schließlich den entscheidenden Stein ins Rollen, der Pierre Trandel die größte Wende seines bisherigen Daseins beschert. Ein passender Anlass, dem Autor einige Fragen zu stellen.

Time For Metal / René W.:
Was hat dich in deinem Roman zur Hauptfigur Pierre Trandel inspiriert?

Markus Keimel:
Das war eigentlich gar kein langwieriger oder übermäßig bewusster Entscheidungsprozess, um ehrlich zu sein. Pierre Trandel hat sich bereits an Tag eins der Konzeption und Ideenfindung vorgestellt und war somit von der ersten Stunde an präsent. Pierre Trandel ist ein typischer Anti-Held, dem eigentlich überhaupt nichts im Leben gelingt, was die konservativen Zielvorgaben unserer Gesellschaft betrifft. Zu zeigen, dass er aber auf andere Art und Weise jemand ist, der Bewunderung verdient, darin lag meine Faszination für den Charakter.

Time For Metal / René W.:
Wie hoch sind die jeweiligen Anteile an Fiktion und Realität im Buch? Alles frei erfunden oder doch vieles echt?

Markus Keimel:
Beides. Es gibt vieles, das ich selbst erlebt oder gesehen habe, von dem ich der Meinung bin, dass es gut wäre, es in einer Geschichte zu erzählen. Oder erst die gedankliche Konsequenz, die Erkenntnis über etwas, die man in einem Buch in einer Geschichte schließlich weitergibt. Oder eine Weltanschauung. Genauso eine Menge habe ich aber frei erfunden, weil es der Geschichte zuträglich war oder eine Erkenntnis erzählerisch erst abrundet. Ich bin der Meinung, dass ein gutes Buch immer einen hohen autobiografischen Anteil aufweisen muss. Man kann Daten und Fakten recherchieren, aber keine erlebten Emotionen. Ein Schriftsteller kann nur wirklich tiefgehend und glaubwürdig über Liebe schreiben, wenn er sie selbst empfindet oder schon einmal empfunden hat. Zumindest ist das meine Sicht der Dinge.

Time For Metal / René W.:
Da wir ja ein Metal Magazin sind, darf eine Musikfrage in diese Richtung nicht fehlen. Schallen bei dir auch ab und an Metal-Platten aus den Lautsprechern? Eventuell sogar beim Schreiben?

Markus Keimel:
Also beim Schreiben mal auf gar keinen Fall (lacht). Grundsätzlich ist meine Begeisterung für Metal etwas geschrumpft über all die Jahre, da die Emotionalität, die in dieser Musikrichtung im Vordergrund steht, in mir eigentlich keine Rolle mehr spielt. Also besonders was die härtere Gangart betrifft. Besonders mit Bands der jüngeren Generationen kann ich überhaupt nichts mehr anfangen. Die persönlichen Favoriten meiner alten Tage werden mich aber ein Leben lang begleiten, mich immer faszinieren und inspirieren. Dazu zählen aus dem eher schwereren Musiksegment Type O Negative, Nevermore, The Mars Volta und Megadeth sowie eine Vielzahl einzelner Alben diverser Bands und Interpreten wie zum Beispiel Iron Maiden, Vintersorg, Angel Dust, Metallium oder Alice In Chains. Was ich mittlerweile am Meisten liebe, sind Filmsoundtracks und Game-Scors wie etwa jene von Jeremy Soule für die Spielereihe The Elder Scrolls.

Time For Metal / René W.:
Wie lange hast du insgesamt eigentlich am aktuellen Buch geschrieben und ging der Schreibprozess leicht oder eher zäh von der Hand?

Markus Keimel:
Ich habe bereits im Januar 2020 mit dem Roman begonnen und diesen mit mehreren Unterbrechungen von teils Monaten folglich im November 2021 fertiggestellt. Der Schreibprozess an sich war größtenteils fordernd und mühsam, da ich mein Herz schon wirklich schmerzlich quetschen musste, um das Buch so zu schreiben, wie es sich am Ende nun auch liest. Ich habe an einzelnen Sätzen oft eine halbe Stunde gefeilt, um sie in die finale sprachliche Formulierung zu bringen. Das war mitunter schon äußerst anstrengend. Ich empfinde das Schreiben von Literatur ohnehin als etwas sehr Mühsames. Das liegt mitunter daran, dass ich ein äußerst ungeduldiger Mensch bin und sich der Schreibprozess eines solchen Buches nur auf lange Etappen bewältigen lässt.

Time For Metal / René W.:
Für ein Interview in einem Metal Magazin darf natürlich ein kleines Metal-Spielchen auch nicht fehlen.

Megadeth oder Metallica?

Markus Keimel:
Megadeth

Time For Metal / René W.:
Slayer oder Anthrax?

Time For Metal / René W.:
Slayer

Time For Metal / René W.:
Beatles oder Stones?

Markus Keimel:
Beatles

Time For Metal / René W.:
Bass oder Gitarre?

Markus Keimel:
Beides

Time For Metal / René W.:
Festival oder Indoor?

Markus Keimel:
Festival

Time For Metal / René W.:
Bestes Metal-Konzert ever?

Markus Keimel:
Sehr schwierig. Vieleicht Korn, 2005 in Wiesen/Österreich. Das war kein Konzert, sondern viel mehr ein Erdbeben (lacht). Ansonsten noch mein allererstes: Iron Maiden, 2003 in der Stadthalle Wien.

Time For Metal / René W.:
Bestes Metal-Festival ever?

Markus Keimel:
Wahrscheinlich das Metal-Camp 2006 in Slowenien.

Time For Metal / René W.:
Bestes Metal-Erlebnis ever?

Markus Keimel: Als ich mit elf Jahren zum ersten Mal Youthanasia und Countdown To Extinction von Megadeth hörte und stundenlang damit verbrachte, die Platten zu hören und dabei die Booklets zu studieren.

Time For Metal / René W.:
Ein gewichtiges Thema, das im Roman sehr viel Platz für sich beansprucht, ist der Alkohol: Wie kommt es dazu?

Quelle: Mara Kornschober

Markus Keimel: Ich denke, dass Alkohol wirklich ein relevantes Thema ist, das häufig sehr unsensibel und mit unerträglicher Unwissenheit behandelt wird und hatte deshalb das Bedürfnis, das etwas anders als sonst üblich darzustellen. Ich bin in einer sehr rohen Arbeitergegend aufgewachsen, in der ich schon als Kind Zeuge davon wurde, was Alkohol mit Menschen machen kann beziehungsweise wie unabhängig er von Alter, Geschlecht und gesellschaftlichem Rang missbraucht wird. Ich selbst machte ebenso bereits als Jugendlicher ganz schön gravierende Erfahrungen mit der trügerischen Wirkungswelt des Alkohols. Zudem hatte ich schon immer ein Problem damit, wie heuchlerisch Alkohol erst angepriesen wird und wie sehr man anschließend auf jene Menschen hinabsieht, die ihm sozusagen verfallen oder zugetan sind. Mir war es wichtig, zu zeigen, dass ein Alkoholiker nicht zwangsläufig ein Verlierer sein muss, wie das gesellschaftlich gerne dargestellt wird. Das kann auch jemand sein, der eigentlich über großen Intellekt und wundervolle menschliche Qualitäten verfügt, jedoch beispielsweise unserer zweifellos irren Gesellschaft nicht zurechtkommt und sich deshalb im Alkohol Ausweg und Heil sucht. Was man dabei aber nicht vergessen darf, ist, dass Alkohol immer destruktiv wirkt. Niemals konstruktiv. Die Zerstörungskraft dieser Droge zu zeigen, war mir deshalb ebenso ein großes Anliegen. Am Ende verleiht das Thema der Hauptfigur auch noch mal diese besondere Form einer Sogwirkung und Verletzlichkeit, an der er aber schlussendlich wächst.

Time For Metal / René W.:
Gibt es Autoren oder Bücher, die dich beim Schreiben beeinflusst haben?

Markus Keimel:
Eigentlich, nein. Ich habe besonders in meiner Jugendzeit alles gelesen, was die große Bühne der Weltliteratur so hergibt und mir auch eine Menge abgeschaut. Da draußen gibt es so viele tolle Schriftsteller. Im Übrigen auch unter den sogenannten Unbekannten. Aber mit Idolen und Vorbildern hatte ich es nie so wirklich. Ich war immer sehr auf mich selbst fokussiert und lerne durch Ausprobieren. Wenn man sehr viel reflektiert und entsprechend hart mit einem selbst ist, was die Kritikfähigkeit betrifft, dann ist ein positiver Entwicklungsprozess so gut möglich. Erst kürzlich wurde ich gefragt, ob man Das Bewegte Leben Des Pierre Trandel mit einem anderen Buch vergleichen kann. Der einzige scherzhafte Vergleich, der mir einfiel, war, dass es sich eventuell liest, als hätten Charles Bukowski und Daniel Defoe den Alchemist verfasst. Aber in Wahrheit wollte ich eigentlich das Buch schreiben, dass ich selbst schon immer lesen wollte.

Time For Metal / René W.:
Was hältst du von dem Trend, dass Protagonisten in der Literatur immer häufiger weiblich sind? Findest du das gut?

Markus Keimel:
Ich finde Trends überhaupt nie gut, weil sie bedeuten, dass Menschen plötzlich alle das Gleiche machen oder denken beziehungsweise irgendjemand vorgibt, was gut und was schlecht ist. Ideologie basierte und politische Trends erinnern mich sehr an eine gedankliche Uniformierung und so etwas lehne ich ab. In der Literatur hat es zum Glück immer schon starke weibliche Protagonisten gegeben. Ich denke da zum Beispiel an Lindgrens Pippi Langstrumpf, die man ja plötzlich ideologisch verteufelt oder Miss Marple und Mary Poppins. Ich bin kein Freund von Quoten oder einem gedanklichen Zwang, der hinter all dem steckt. Mir hat beispielsweise eine Agentur mitgeteilt, dass mein Roman keine Chancen am Markt hätte, weil mein Hauptcharakter männlich ist. Das empfinde ich als puren Sexismus. Da muss man sich schon ernsthaft fragen, ob Leute, die derartig denken und solch ein Gedankengut völlig ungeniert in der Welt herumtragen, ihren Kopf bloß auf den Schultern tragen, damit es nicht in ihren Hals regnet.

Time For Metal / René W.:
Die Poesie scheint dich sehr geprägt zu haben. Du schreibst meist sehr poetisch und auch philosophisch. Denkst du, dass diese Stilform heute überhaupt noch Anklang findet?

Markus Keimel:
Ich war vor einiger Zeit in einer Buchhandlung und habe dort ein paar Bestseller durchgeblättert. Ich war ehrlich gesagt etwas schockiert darüber, wie sich heutzutage Bestseller-Romane lesen. Aber vielleicht bin auch so etwas wie ein konservativer Dinosaurier, der eine Sprache liebt, die man heute eher als altbacken bezeichnet. Ich hoffe zumindest, dass mein Buch und der Schreibstil Anklang finden, obwohl ich es auch wieder so schreiben würde, sollte der Anklang eher bescheiden ausfallen. Ich bin jemand, der auch dann noch Bitte und Danke sagen wird, wenn dies gänzlich aus der Mode gekommen ist.

Time For Metal / René W.:
Beim Stichwort Mode denkt man sofort an Paris. Das passt gut, denn dein Roman hat einen ausgeprägten Hang zum Französischen. Was verbindet dich mit Frankreich?

Markus Keimel: Die Entscheidung, die Geschichte in einem fiktiven Frankreich spielen zu lassen, lag darin, dass das Setting mitsamt Atmosphäre perfekt für die Story ist und man dieses typische alte französische Ambiente niemandem erst erklären muss. Jeder Mensch hat binnen Sekunden konkrete Bilder im Kopf und auch das war mir wichtig. Ich bin ein äußerst nostalgischer Mensch und liebe ein Frankreich beziehungsweise eine Zeit, die es leider nicht mehr gibt. Ein bisschen war es somit auch für mich die Möglichkeit, in eine Welt und Zeit zu reisen, die es nicht oder nicht mehr gibt. Zudem ist die französische Sprache ungleich gefühlvoll und phonetisch wundervoll und begeistert mich seit jeher.

Time For Metal / René W.:
Viele Leser, die Das Bewegte Leben Des Pierre Trandel zu Ende gelesen haben, fragen sich vermutlich, ob es eine Fortsetzung geben wird oder was du als Nächstes schreibst. Gibt es hierzu Pläne?

Markus Keimel:
Eine Fortsetzung des Buches ist bisweilen nicht geplant und definitiv davon abhängig, wie groß die Nachfrage der Leserschaft ist. Rein inhaltlich und dramaturgisch wäre sie aber dennoch reizvoll und möglich. Im Moment arbeite ich an einem packenden Abenteuer- und Fantasyroman, der in den nächsten ein bis zwei Jahren erscheinen wird. Etwa ein Drittel des Buches ist bereits zu Papier gebracht und ich selbst bin bereits jetzt absolut begeistert. Es ist auch ein lang gehegter Wunsch, meine eigene Fantasiewelt zum Leben zu erwecken.