Eventname: Rat-based Warfare Tour
Headliner: Health
Vorbands: Zetra, Gost
Ort: Hole 44, Berlin
Datum: 30.10.2024
Kosten: 55,00€ VK
Genre: Electro-Industrial, Industrial-Rock, Noise-Rock, Electronic, Synth-Rock, Dark-Synth, Metal
Besucher: ca. 600 Besucher
Veranstalter: Trinity Music Berlin (https://trinitymusic.de/)
Link: https://hole-berlin.de/event/health/
Unterstützt von ihrem neuesten Album Rat Wars, das am 17. Oktober 2024 über Loma Vista Recordings erscheint, begeben sich Health auf die Rat-based Warfare Tour, die sie im Laufe des Jahres rund um die Welt führt, u. a. von den U.S.A. bis nach Australien. Für den europäischen Teil der Tour schließen sich Zetra und Gost an und feiern gemeinsam das Finale am 30.10.2024 in Berlin im Hole 44.
Der Abend beginnt in einem bereits komplett gefüllten Venue. Man kennt die Situation, dass viele erst später zur ersten Band kommen – heute ist das jedoch nicht der Fall. Als Zetra die Bühne betreten, ist es schon fast unmöglich, sich im Saal zu bewegen, geschweige denn, sich mit einer Kamera durch die Menge zu schlängeln, um zu fotografieren. Über das britische Duo haben wir im letzten Jahr online viel gehört und gesehen, doch aus der Komfortzone des eigenen Heims heraus lässt sich ihr Sound schwer greifen. Das ist allerdings nicht immer schlecht, hier ist der Grund dafür:
Zetras Musik wirkt anfangs für uns verwirrend. Die Art von Verwirrung, die man erlebt, wenn man etwas identifizieren will, das vertraute Emotionen auslöst, deren Ursprung man jedoch nicht zurückverfolgen kann. Irgendwann geben wir auf, den Grund dafür zu finden, warum sich ihre Musik so unwiderstehlich gut anfühlt, und lassen uns stattdessen ganz von ihren Melodien und der fesselnden Atmosphäre, die sie schaffen, mitreißen. Während Zetra ihre Wurzeln im Synth-Rock-Bereich haben, schaffen sie es, dies auf eine einzigartige Art und Weise zu präsentieren. Besonders intensiv wird dieses Gefühl bei Songs wie Sacrifice, das heute Abend als Opener dient.
Mit ihrem selbst betitelten neuen Album, das über Nuclear Blast Records veröffentlicht wird, beweist das Duo seine Fähigkeit, den Sound auf das nächste, raffiniertere Level zu bringen. Die Elemente, die schon in ihren früheren Arbeiten vorhanden sind – emotionale Gesangsmelodien, poetische Texte, mitreißende Rhythmen und atmosphärische Synthesizer – wirken nun noch kohärenter und sind elegant in aufregende Kompositionen wie Starfall, Suffer Eternally und The Mirror eingebettet. Live entfalten sich diese Werke besonders.
Schon nach wenigen Songs wird klar, dass das Lob, das wir online gesehen haben, mehr als verdient ist. Man könnte dies als Einladung verstehen, auf die Stimmen der Szene zu hören und auch Bands live zu sehen, die uns noch nicht bekannt sind. Mit etwas Glück entdeckt man dabei seine nächste Lieblingsband.
Als Nächstes steht das amerikanische Duo Gost auf der Bühne. Passend zur mystischen Atmosphäre, die Zetra zuvor geschaffen haben, betreten beide Mitglieder eine komplett dunkle Bühne, die bald zu einer Klanglandschaft aus düsterem elektronischen Chaos wird. Frontmann James Lollar ist bekannt dafür, auf der Bühne eine Totenkopfmaske und komplett schwarze Kleidung zu tragen. Das, zusammen mit der dunklen Natur ihrer Musik und dem minimalen Licht, schafft eine unheimliche Atmosphäre auf der Bühne, während der Schädel scheinbar in der Dunkelheit schwebt und gelegentlich auf das Publikum zeigt, um es zu animieren. Wer denkt, dass Tanzen zu Black Metal unmöglich ist, sollte sich Gost unbedingt live ansehen.
Dann ist der Moment für den Headliner des Abends gekommen. Bereits erwähnt, wie voll der Raum schon bei Zetra war – als Health die Bühne betreten, ist es nahezu unmöglich, sich zu bewegen, ohne andere Zuschauer zu stören. Die Lichter gehen aus, und das Hauptthema aus Neon Genesis Evangelion (Cruel Angel’s Thesis) läuft als Intro, worauf das Publikum begeistert und tanzend reagiert.
Das Trio aus Los Angeles betritt eine düster beleuchtete und nebelige Bühne und wird von einem lauten und energiegeladenen Publikum empfangen. Bassist John Famiglietti kniet sich direkt an den Bühnenrand und streckt seine Arme zu den Händen der Fans aus. Das Set beginnt mit Identity vom Album Disco4 :: Part II, ein Song mit ruhigerem Ton, der sich perfekt eignet, um die Menge aufzuwärmen. Überall im Venue tanzen die Menschen zur Musik, was sich bald zu einem kleinen, aber soliden Moshpit in den vorderen Reihen steigert, während Crack Metal seinen Höhepunkt erreicht.
Wir fragen uns ehrlich, was noch über die Musik von Health zu sagen bleibt, das nicht schon von Kritikern weltweit erwähnt wurde. Abgesehen vom gut umgesetzten Online-Marketing, das mühelos wirkt, bleibt diese Band eine der beständig qualitativsten im alternativen/heavy/elektronischen Bereich. Sie sind nicht nur live immer hervorragend, sondern entwickeln ihren Sound kontinuierlich weiter, der den Zuhörer stets bewegt. Die raffinierte Mischung aus schweren, rhythmischen Schichten, elegant verstärkt durch Synthesizer, und dem zerbrechlichen, aber intensiven Gesang und den Texten von Frontmann Jake Duzsik ist nichts weniger als faszinierend. Stücke wie New Coke wirken wie eine rasch belebende Rauschsubstanz, während langsamere Songs wie Demigods zeigen, dass auch langsamere Kompositionen dasselbe Potenzial in sich tragen. Es lässt sich also schließen, dass Healths Musik live eine Art berauschende Wirkung hat, und der Rausch danach fühlt sich wie eine Art (gesunde) Sucht an – eine passende Verbindung zum Bandnamen, auch wenn dies wohl eher zufällig ist. Man sollte sich also die Zeit nehmen, die Band live zu sehen und sich dieser „gesunden Sucht“ hinzugeben, die ihre Musik verursacht.
In Bezug auf alternative und schwere Musik mit elektronischen Elementen ist dieses Tour-Paket die ansprechendste Kombination des Jahres, und wir sind mehr als glücklich, sie miterlebt zu haben.