Stehen die Sommerfestivals vor dem Aus?

Das Coronavirus und die Folgen für die Veranstaltungsbranche

Photo by Fusion Medical Animation on Unsplash
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Es kam quasi über Nacht und traf uns völlig unvorbereitet. Nun gut, es hatte sich schon angekündigt, denn als sich das Coronavirus in China verbreitete wie ein Lauffeuer, da hätten wir in Europa bereits reagieren müssen. Auch in China wurde bereits viel zu spät reagiert, doch das Virus war neu und wer sollte abschätzen, dass es schon kurz darauf die ganze Welt in eine Krise stürzen würde. Natürlich wurde das neuartige Virus außer Landes getragen und ist nun kaum noch aufzuhalten. Erst, als es Italien voll im Griff hatte, und auch auf weitere Länder übergriff, da gingen plötzlich in Berlin die Alarmglocken an. Natürlich hatte man die Situation beobachtet, doch wie in vielen anderen Fällen auch, bis die Bundesregierung in Gang kommt, ist eh alles gelaufen. Auch die Aufklärung in der Bevölkerung begann viel zu spät, stattdessen wurde die eigene Unsicherheit an die Menschen weitergegeben. Einerseits wurde das Virus als gefährlich eingestuft, andererseits als harmloses Grippevirus heruntergespielt. Lange Zeit wusste niemand, wie er das Virus nun wirklich einschätzen soll. So reagierten die Menschen zweigeteilt – die eine Hälfte voller Angst hamsterte die Apotheken und Supermärkte leer und rüstete sich für den dritten Weltkrieg, die andere Hälfte machte weiter wie bisher, weil, es ist ja nur ein Grippevirus, verbreitete Hysterie und Fake-News und feierte Corona-Partys. Nun breitet sich das Virus auch in Deutschland unaufhaltsam aus und noch immer wird nicht konsequent gehandelt. Natürlich hat man mittlerweile ein paar Maßnahmen getroffen. Man hat das öffentliche Leben eingefroren, Schulen, Kitas, Geschäfte und Restaurants geschlossen. Es gibt Versammlungsverbote und in vereinzelten Regionen gibt es Ausgangssperren und Betretungsverbote, um die Ausbreitung einzudämmen, doch wirklich konsequent gehandelt wird bis heute nicht. Noch immer gibt es keine deutschlandweite Ausgangssperre und noch immer kommen Menschen über unsere Grenzen ins Land. Zwar hat man in Berlin mittlerweile den Ernst der Lage verstanden, aber unsere Regierung wirkt eher desorientiert, als dass man an einem Strang zieht. Erst als unsere Kanzlerin Frau Merkel sich mit einem dramatischen Appell an die Öffentlichkeit wagt, kommt langsam in der Bevölkerung an, es ist wohl doch ernst. Vorwürfe prallen jedoch an Bund und Ländern ab, denn was hätte man tun sollen.

Als erstes bekam die Veranstaltungsbranche die Folgen zu spüren, denn innerhalb weniger Tage wurden Konzerte und Events zurückgestuft auf 1.000 Besucher und dann ganz verboten. Das Coronavirus hatte innerhalb kürzester Zeit alle Hallen- und Clubkonzerte unmöglich gemacht. Anfangs wollte niemand so wirklich daran glauben, Veranstalter und Clubs hielten teilweise bis zuletzt an den geplanten Veranstaltungen fest, doch alles über 1.000 Besucher musste dann doch kurzfristig abgesagt werden. Einige wenige Clubs veranstalteten noch kleine Events, doch das Netz war plötzlich voll von Konzert- und Tourabsagen bzw. Verschiebungen. Die Konzertbesucher standen quasi von heute auf morgen auf dem Trockenen und reagierten mit Unverständnis und Wut, denn all das war ja völlig überzogen und nur auf die Hysterie zurückzuführen, die durch die Medien verbreitet wurde.

Doch all das ist nur der Anfang, nicht nur alle Konzerte wurden auf Eis gelegt, sondern das ganze öffentliche Leben wurde zwischenzeitlich eingefroren. Die Ereignisse überschlugen sich, Veranstaltungen durften nur noch mit maximal 100 Personen stattfinden, Schulen und Kitas wurden geschlossen und den Menschen wurde geraten, doch besser zu Hause zu bleiben. Nach und nach wurden alle Veranstaltungen abgesagt und es wurden Versammlungsverbote ausgesprochen, die Leute sollten zu Hause bleiben, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Die Aufrufe kamen zwar an, doch mittlerweile war der Frühling in Deutschland eingezogen und die Leute zog es nach draußen, in die Sonne. Kaum jemand begab sich freiwillig in Quarantäne und so wurden Geschäfte und dann auch Cafés, Kneipen, Restaurants und Clubs geschlossen. Das Leben in Deutschland und ganz Europa hatte sich binnen kürzester Zeit dramatisch verändert und so mittlerweile kam auch beim letzten Konzert- und Partygänger an, es geht nichts mehr. Einige Ignoranten wehrten sich noch immer gegen die Versammlungsverbote und so wurden kurzerhand völlig sinnfreie Corona-Partys veranstaltet. Letzte Versuche, sich gegen die drastischen Maßnahmen von Bund und Ländern zu wehren, bevor auch diese durch die Polizei aufgelöst wurden und erste Städte Ausgangssperren und Betretungsverbote aussprachen. Das Coronavirus hatte das Land voll im Griff und ein Ende und vor allem die Folgen sind derzeit nicht absehbar.

Mein letztes besuchtes Konzert am 18. Februar in der Konzertfabrik Z7 ist gerade einmal einen Monat her, doch es kommt mir vor, als würde ich schon ein Jahr zu Hause rumsitzen. Zwar gab es auch danach noch Konzerte mit geringen Zuschauerzahlen, doch der öffentliche Druck und die Kritik daran wurden immer größer, bis auch der letzte Veranstalter und Club seinen Betrieb einstellte. Mittlerweile ist alles zwangsweise geschlossen und auch wenn es bisher noch keine flächendeckenden Ausgangssperren gibt, so ist das nur noch eine Frage der Zeit. Die Straßen sind mittlerweile weitestgehend menschenleer, nur wenige trotzen noch mit rücksichtslosem Umgang.

All das ist erst wenige Tage- und Wochen her und schon jetzt kriecht die ganze Veranstaltungsbranche auf dem Zahnfleisch und geht einer ungewissen Zukunft entgegen. Viele Bands haben ihre Konzerte und Touren auf später im Jahr verlegt, doch ich befürchte, das ist blauäugiges Wunschdenken und viele von den bereits verlegten Events werden vermutlich erneut abgesagt werden müssen. Bands und Musiker haben keine Auftrittsmöglichkeiten mehr und können die wegfallenden Gagen kaum ausgleichen. Als erstes kam der Singer/Songwriter James Blunt in der Hamburger Elbphilharmonie auf die Idee, ein Geisterkonzert ohne Publikum zu spielen und dieses im Netz zu streamen. Daraufhin sprangen, besonders im Rock- und Metalbereich viele auf diesen Zug auf und streamten Konzerte, einerseits um den Fans während der Quarantäne etwas zu bieten und ihnen die Langeweile zu nehmen, aber es ist auch ein Versuch, die fehlenden Konzertgagen ein klein wenig auszugleichen, denn Bands bitten in dem Zusammenhang um Spenden. Auch versucht man, so mit einem Online-Merchstand sein Lager zu räumen, denn jeder Euro zählt nun plötzlich, um das Überleben der Bands zu sichern. All das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn je länger sich die Corona-Pandemie hinzieht, je mehr Bands werden die Segel streichen müssen. Ohne unsere Hilfe wird es viele geliebte Bands nach der Krise nicht mehr geben. Im Moment wird das Angebot mit den Onlinekonzerten offenbar gut angenommen, doch auf Dauer wird wohl auch dieser Trend einschlafen, denn das Live-Feeling und das gesellige Zusammensein können die Netzkonzerte natürlich nicht ersetzen. Mittlerweile musste sogar schon das eine oder andere Onlinekonzert, z.B. Stillbirth, wegen des Virus abgesagt werden. Noch wesentlich schlimmer trifft es all die Veranstalter und Clubbetreiber, die ihren Betrieb komplett einstellen mussten und die jetzt komplett ohne Einnahmen dastehen. Zwar wurden seitens der Regierung großspurige Versprechungen gemacht, wirklich jedem wird geholfen, so hieß es, doch was helfen den Veranstaltern irgendwelche Versprechen, wenn danach die Taten ausbleiben? Irgendwann wird sicherlich einmal Geld fließen, doch zunächst muss erst einmal jeder zusehen, wie er klarkommt. Zunächst einmal müssen ja die Banken und wichtigen Wirtschaftsunternehmen bedient werden, doch bis dahin wird es für viele der Kleinen zu spät sein. Einige Veranstalter in meinem Umkreis, besonders Messeausrichter, mussten bereits Insolvenz anmelden. Viele kleine Livevlubs und Veranstalter versuchen sich unterdessen selbst zu helfen, indem sie Crowdfundings starten und euch alle um Hilfe und Unterstützung bitten. Ich weiß, dass viele von euch bereit sind zu helfen und bei den Bands kaufen und spenden und auch für Clubs und Veranstalter spenden und das ist auch gut so, denn sonst gibt es bald keine Bands, Clubs und Veranstalter mehr.

Ein Ende der Krise ist längst noch nicht in Sicht, wahrscheinlich haben wir auch noch lange nicht den Höhepunkt erreicht. Die Verordnungen der Länder werden unterdessen immer weiter ausgedehnt, hier in Baden-Württemberg werden Veranstaltungen mittlerweile vorsorglich bis Mitte Juni verboten (https://www.regioactive.de/news/2020/03/16/baden-wuerttemberg-verbietet-veranstaltungen-bis-voraussichtlich-mitte-juni-Gp9wYDtPGW). Zwar heißt es, dass die Einschränkungen, je nach Entwicklung, auch früher wieder aufgehoben werden können, doch glaubt daran noch jemand? Zwar soll an Schulen und Kitas bereits nach den Osterferien der Betrieb wieder aufgenommen werden, doch auch das ist noch nicht in Stein gemeißelt. Zwar gibt es immer noch ein paar optimistische Stimmen, dass der ganze Spuk in ein paar Wochen wieder vorbei ist, doch vermehrt werden Stimmen laut, die glauben, dass die ganze Krise noch monatelang anhalten wird. Quarantäne und Abstand halten wird auf Dauer wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Pandemie einzudämmen. Hoffnung könnte ein geeigneter Impfstoff bringen, doch der ist ganz offenbar noch weit entfernt und wird wohl erst im Laufe des nächsten Jahres einsetzbar sein. Das Robert-Koch-Institut geht sogar davon aus, dass sich die ganze Krise bis zu zwei Jahre und länger hinziehen wird (Quelle: welt.de)

All das macht nicht wirklich Mut, denn das würde bedeuten, dass auch unsere geliebten Sommerfestivals wie Rockharz, Wacken, Summer Breeze, Bang Your Head und viele weitere ins Wasser fallen. Zwar halten all die Veranstalter momentan noch ihre Termine aufrecht und versuchen, im Netz Zuversicht zu verbreiten, doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann ahnen wir schon längst, dass wir in diesem Jahr kein einziges Festival mehr besuchen werden. So wie einige Indoorfestival schon abgesagt werden mussten, so werden aller Voraussicht nach auch die Veranstalter der Sommerevents bald nachziehen und nicht noch mehr Geld in fortschreitende Planungen investieren. Gestern fragte jemand auf Facebook, wer noch daran glaubt, dass die Festivals wie gewohnt stattfinden. Auch hier zeigte sich, dass einige die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, die Allermeisten haben aber mittlerweile realisiert, dass dieser Sommer für Metalfans ein ganz anderer sein wird. Das öffentliche Leben wird nach und nach zurückkehren, die Menschen werden wieder auf die Straße gehen dürfen und auch die Schulen und Kitas, die Kneipen- und Gastronomiebetriebe werden wieder öffnen, vielleicht werden sogar Sportveranstaltungen und Konzerte in kleinem Rahmen wieder möglich sein, doch Großveranstaltungen wie Festivals mit mehreren Tausend Besuchern auf engstem Raum, wer will das verantworten und genehmigen?

Auch wenn die Hamsterkäufe in den Apotheken und Supermärkten unnötig waren und der dritte Weltkrieg nicht auf uns zukommt, zumindest im Veranstaltungsbereich kommt die aktuelle Situation einem Krieg gleich, denn schon jetzt hat Corona hier ein Schlachtfeld hinterlassen, aus dem viele nicht lebend zurückkehren werden. Und so wird die Szene wohl auch nach der Krise nicht mehr die Gleiche sein, denn viele Bands, Veranstalter und Clubs, die die Szene bisher am Leben gehalten haben, wird es einfach nicht mehr geben, denn die versprochenen Hilfen der Bundesregierung werden bei Weitem nicht ausreichen, um jedem das Überleben zu sichern.