Type O`Negative: Todestag von Pete Steele jährt sich zum zehnten Mal

Wir erinnern uns an den charismatischen Frontmann

Petrus Thomas Ratajczyk erblickte am 4. Januar 1962 in Brooklyn, New York das Licht der Welt. Obwohl er als jüngstes von insgesamt sechs Geschwistern sehr behütet aufwuchs, eine schöne Kindheit hätte er sich bestimmt anders vorgestellt. Er musste als Kind Metallschienen an den Beinen tragen und stand irgendwie immer im Schatten, seine Kindheit war geprägt von Hänseleien und Introvertiertheit. Erst im Alter von zehn Jahren durfte Petrus die Beinschienen ablegen, doch er blieb auch dann noch lieber für sich allein. Zu seinen Hobbys gehörten Bücher und die Musik von Black Sabbath. Er wuchs in einer musikalischen Familie auf und so bekam auch er schon mit elf Jahren Gitarrenunterricht. Als Jugendlicher spielt er mit dem Keyboarder Josh Silver, seinem einzigen wirklichen Freund aus Kindertagen, in der ersten Band Northern Lights, wo er den Bass übernimmt.

1979 wurde die Band umbenannt in Fallout. Petrus und Josh begannen eigene Songs zu schreiben und können das Publikum durch brachiale Konzert-Shows beeindrucken. Live-Auftritte waren jedoch sehr selten, da der erst 17-jährige Petrus unter extremem Lampenfieber litt und nicht gerne in der Öffentlichkeit auftrat, sodass die Heavy Metal Band ihren Bekanntheitsgrad nie wirklich über die Grenzen Brooklyns hinaus ausbauen konnte. Jedoch schon hier war seine kräftige Bassbariton-Stimme etwas Besonderes und so kam es 1980 sogar zu einem Auftritt im Vorprogramm von Dee Sniders Twisted Sister. Dennoch sprang kein Label auf die junge Band an und so nahm Josh Silver es selbst in die Hand und gründete das Label Silver Recordings. Fallout veröffentlichten 1981 die Single Rock Hard in einer Auflage von 500 Stück. Nach drei Jahren löste man die Band dennoch auf.

Nach dem Ende von Fallout gründete Petrus Ratajczyk 1982 gemeinsam mit dem Fallout Schlagzeuger Louis Beato und dem Gitarristen Stan Philis die Thrash Metal/Hardcore Band Disciple, jedoch wurde der Name noch im gleichen Jahr in Carnivore geändert. Erste Songs entstanden und Mitte 1983 erfolgte auch der erste Auftritt. Mitte 1985 erschien das Debütalbum Carnivore via Roadrunner Records, welches aufgrund der mehrdeutigen Texte kontroverse Reaktionen auslöste. Es hieß, die Band würde in ihren Texten frauenfeindliche, rassistische und nationalistische Ideen verbreiten, jedoch hatte die Combo Spaß am Schocken gefunden. So wurden die Besucher der Konzerte auch des Öfteren mit Teilen von toten Tieren und Blut beworfen. Petrus nannte sich fortan Lord Petrus Steele. Gitarrist Keith Alexander stieg nach der Albumveröffentlichung aus und wurde durch Marc Piovanetti ersetzt. So spielte man 1987 das zweite Album Retaliation ein und die Band war auf dem vorläufigen Bekanntheits-Höhepunkt angekommen. 1988 stieg Piovanetti allerdings wieder aus, um bei den Crumbsuckers mitzumischen, was zeitgleich auch das vorläufige Ende für den wahrgewordenen Carnivore Alptraum war.

Eine Weile jobbte Steele für das Parkamt des Staates New York, doch die düstere Reise des Lord Petrus Steele sollte weitergehen. 1989 gründete Steele mit dem Keyboarder Josh Silver, Gitarrist Kenny Hickey und Drummer Sal Abruscato die Band Type O`Negative, die sich zeitweise auch Drab Four nannte. Wieder kam die Band bei Roadrunner Records unter und Steele unterschrieb den Vertrag mit seinem eigenen Blut. Das erste Album Slow, Deep And Hard erschien 1991 und erinnerte noch stark an den Carnivore Sound. Obwohl Steele sich immer wieder gegen Frauenfeindlichkeit und Rassismus positionierte, blieb die Band nicht von Anfeindungen verschont, was nicht zuletzt am Cover-Artworks des Albums lag, einer grünlich eingefärbten Nahaufnahme eines Sexualaktes. Immer wieder kam es bei Konzerten zu gewalttätigen Zwischenfällen und die Band geriet immer wieder in die Schusslinie.

Pete Steele äußerte sich dazu in mehreren Interviews.

„‚Die Presse ist bekannt dafür, dass sie dir deine Worte im Mund umdreht, zum Beispiel als du sagtest, Vergewaltigung wäre eine wunderschöne Sache …‘
‚Nein, das habe ich nicht. Ich habe fünf ältere Schwestern, die ich sehr liebe, und ich würde niemals wollen, dass ihnen so etwas widerfährt. Die Aussage war komplett und total sarkastisch gemeint, aber ich bin es mittlerweile gewohnt, kontextfrei zitiert zu werden.‘

‚Wie stehst du zu Frauen?‘

‚Auf Type O`s erstem Album, Slow, Deep, And Hard, hatte ich Wörter benutzt – und bitte entschuldige – wie Schlampe, Hure, Fotze… welche sich nicht gegen die gesamte weibliche Bevölkerung richteten. Das war nur auf eine bestimmte Person bezogen. Ich bin ziemlich sauer darüber, dass es Leute gibt, die behaupten, dass ich Frauen hasse. Ich finde das sehr beleidigend.‘“

Peter Steele – Interview in Metal Interviews

„Ich denke, hier gibt es eine ganze Menge Leute, die irregeleitet sind und nicht verstehen, oder nicht verstehen wollen, worum es mir geht, die einfach viele Sachen, die ich gesagt habe, bewusst oder unbewusst falsch ausgelegt […] und aus dem Zusammenhang gerissen haben. Diese Leute sind niemals zu uns gekommen und haben [nie] mit uns darüber gesprochen, sie haben sich anonym verhalten und immer wieder versucht, uns in Schwierigkeiten zu bringen. Es ist einfach schade, dass Leute so einfach gestrickt sind, dass sie zu feige sind, ihre Meinungen auch uns gegenüber zu vertreten. Sie haben uns Nazis genannt, aber das, was sie mit uns veranstaltet haben, ist in meinen Augen Faschismus. Sie wollten uns zensieren, sie protestierten gegen uns, haben telefonische Bombendrohungen geschickt, haben Fenster in Clubs, in denen wir spielen wollten, eingeworfen … eine ganze Liste von [S]achen, die ich einfach sehr faschistisch finde.“

Peter SteeleIron Curtain  Interview

1992 verlangte Roadrunnrer Records ein Live-Album von der Band und so wurde die EP The Origin Of The Feces (Not Live At Brighton Beach) eingespielt mit melodischeren Songvarianten des ersten Albums, nur eben nicht live aufgenommen. Grölende Kumpels mussten dafür herhalten, um das immer noch sehr sperrige Werk nachträglich auf live zu trimmen. Dabei wurden vermehrt auch Anspielungen auf das verhasste Band-Image gemacht und das vermeintliche Konzerterlebnis wurde durch ein US-Bombenentschärfungskommando beendet. Das Cover der ersten Ausgabe zeigte ein Foto von Steeles gespreizten Arschbacken, welches dann aber entschärft wurde.

Mit Bloody Kisses gelang den Musikern dann 1993 der große Wurf, jedoch zeigte man sich von einer musikalisch ganz anderen Seite. Bloody Kisses bestach durch einen opulenten orchestralen Gothic/Doom Sound mit Choralgesängen und Orgeleinlagen, während die Hardcore-Elemente weit in den Hintergrund rückten. Direkt nach der Veröffentlichung verließ Drummer Abruscato die Band in Richtung Life Of Agony und wurde durch Bandroadie und Truckdriver Johnny Kelly ersetzt. Das zweite Album sackte Platin ein.

Zwischen 1994 und 1996 wurden Carnivore für eine Reihe von Konzerten in den USA reaktiviert.

Trotz des Erfolges ließ sich Steele seine Andersartigkeit nicht nehmen, so ließ er sich 1995 für das Magazin Playgirl nackt mit erigiertem Glied fotografieren. Der Schuss ging nach hinten los, denn anstatt ordentlichem Aufwind in Promozwecken bekam Steele eine Menge Aufmerksamkeit in der Schwulenszene und Häme der anderen Bandmember. Seine Antwort darauf, der Song I Love Goils. Zu dieser Zeit kam er auch erstmals mit harten Drogen in Kontakt, die ihm dann zunehmend zu schaffen machten. 1996 veröffentlichten Type O`Negative ihr kommerziellstes Album October Rust und schlugen erneut eine andere Richtung ein. Der Gothic Sound war gewichen und machte Platz für paganistisch anmutende Elemente und ein ruhigeres, poppiges Tempo. Einzig die Thematiken von Depressionen, Drogen und Sex waren auch auf October Rust allgegenwärtig, Steele betrieb die Musik als Selbsttherapie. Das Album erhielt Gold, wurde aber dennoch kritisiert, diesmal, weil man sich einem größeren Publikum anbiederte. Steele war ein genialer aber andererseits auch immer missverstandener Musiker. Die Band war ganz oben angekommen und spielte 1996 und 1997 auf vielen großen Festivals, darunter das Monsters Of Rock, das Full Force Festival, das Roskilde Festival, das Graspop Festival, das Summer Breeze, das Bizarre Festival und begleitete die Ozzfest Tour.

Mit World Coming Down wurde es 1999 dann jedoch wieder sehr viel düsterer, denn Steele verarbeite all seine schmerzhaften Erfahrungen und trieb seine Selbsttherapie voran. Es gab innerhalb der Familie viele Todesfälle zu beklagen, auch sein Vater starb 1995, und seine Mutter war schwer krank. Tod, Vergänglichkeit und Verlust, aber auch weiterhin der Drogenkonsum, wurden zum Ende der 90er Jahre sehr groß geschrieben. Harte Gitarrenriffs trafen auf tiefe Schwere, den ständigen Gemütszustand von Steele.

Auf der Compilation The Least Worst Of Type O`Negative (2000) war der Spruch “Better to be hated for who you are than loved for who you’re not.” („Besser für das gehasst zu werden, was man ist, als dafür geliebt zu werden, was man nicht ist.“) zu lesen, besser konnte man das Leben Pete Steeles wohl nicht zusammenfassen.

Life Is Killing Me (2003) zeigte die Band dann wieder von einer etwas fröhlicheren Seite, Steele beschrieb die Songs als einen bunten Mix aus Hardcore/Punk und dem herkömmlichen Goth Metal der Band. Solider Rock erinnerte an Black Sabbath, fast poppige Sitar-Klänge an die The Beatles und die altbekannte Negativität an die Depressionen Pete Steeles. Das Album stieg in die Billboard-Charts ein und die Band wechselte zum deutschen SPV Label. 2005 starb der Type O`Negative Frontmann dann ein erstes Mal, denn auf der Homepage der Band wurde ein Foto mit einem von Efeu überwachsenen Grabstein veröffentlicht, auf dem der Name Peter Steele zu lesen war. Ein makaberer Streich von Keyboarder Josh Silver, der Folgen hatte, denn Steele sollte 30 Tage Knast absitzen, weil er, laut eigener Aussage, jemandem 50 Mal aus Versehen ins Gesicht geschlagen hatte. Die Polizei schickte eine Streife zu seiner Wohnung, um herauszufinden, ob er tatsächlich tot ist.

2006 kam Pete Steele mit Carnivore für zwei Gigs nach Deutschland, allerdings mit einem neuen Line-Up, das aus Drummer Steve Tobin (Ex-Dust To Dust), Gitarrist Joey Zampela (Life Of Agony) und Gitarrist Paul Bento bestand. 2007 folgte eine Tour, die sie auch nach Europa führte.

2007 erschien mit Dead Again das letzte Album von Type O`Negative, laut Pete Steele, die Rückkehr zu den Carnivore Anfängen. Der Song Helloween In Heaven war ein Tribut an den 2004 getöteten Dimebag Darrell. Im Titelsong Dead Again berichtete Steele über seine zuvor absolvierten Aufenthalte im Gefängnis und im Kokain-Drogenentzug. Obwohl die Songtexte einen starken christlichen Einfluss aufwiesen, was Steele mit seiner Rückkehr zum römisch-katholischen Glauben erklärte, war auf dem Albumcover der russische Wunderheiler Rasputin abgebildet. Das Album stieg erneut in die Billboard-Charts ein und den Rest des Jahres verbrachte man auf Tour, zunächst mit Celtic Frost, bevor dann etliche Festivals beackert wurden.

Am 14. April 2010 verstarb der charismatische Frontmann, Sänger und Bassist. Zunächst ging man von einem Herzversagen aus, doch er starb an den Folgen entzündeter Organe, welche letztendlich zu einem Aortenaneurysma führten. Steele war erstmals seit langer Zeit clean und arbeitete an einem neuen Album. Die Band war nach seinem Tod Geschichte, doch die Legende und die Musik leben bis heute weiter. R.I.P.!