Wingenfelder Tourbeginn der Abschiedsrunde am 07.11.2024 in der Kieler Pumpe

Schlicht & Ergreifend auf Abschiedstour

Norman Keil 2024 Kiel; Foto: Norbert Czybulka

Es kommt, wie es kommen muss. Nach dreizehneinhalb Jahren, über 100.000 Tonträgern mit sieben Alben ist eine Geschichte mal auserzählt. Die Gebrüder Wingenfelder, die damals die Auflösung ihrer Band Fury In The Slaughterhouse nicht arbeitslos hinnehmen wollten, gingen mit befreundeten Musikern und eigenem, deutschsprachigem Liedgut auf Reisen. Diese Reise ist nun fast zu Ende. 13 Gigs noch, dann sind Wingenfelder als Band Geschichte. Bis auf Platz neun der deutschen Charts ging es mit Wenn Die Zeit kommt. Sie haben sich mit ihrer Musik eine eigene Fangemeinde aufgebaut, auch wenn natürlich viele Fury-Fans zu einem Wingenfelder Konzert gingen. Ihre Songs sind aber nur in der Machart miteinander zu vergleichen.

Auch bei Wingenfelder stehen sechs Musiker auf der Bühne. Aber bevor es so weit ist, begrüßt Kai das Publikum sowie ein langjähriges Bandmitglied, Gitarrist Norman Keil. Der Erfurter ist mit seinen Songs seit einiger Zeit solo unterwegs. Heute gibt er solo, nur mit Akustikgitarre, fünf seiner neuesten Kreationen zum Besten, darunter Immer Für Immer, das auf der Tour beim ihm in der Erfurter Heimat eigentlich erst Release feiert. Auch hier ist es wie im realen Leben: Wo etwas zu Ende geht, entsteht etwas Neues.

Wingenfelder 2024 Kiel; Foto: Norbert Czybulka

20 Minuten, mehr Zeit bekommt Norman nicht. Bei den Wingenfeldern stehen immerhin 25 Tracks auf der Setliste. Das 2020 herausgekommene Sendeschluss Testbild bildet passenderweise den Opener. Schon beim dritten Song StarWars, ein Cover von Pohlmann, einem befreundeten Musiker, nimmt Kai ein Bad in der Menge. Er dreht singend eine kleine Runde durch das Publikum, klatscht ab, herzt einige Fans, um danach wieder auf die Bühne zu klettern. Interaktion wird bei den beiden Brüdern großgeschrieben. Vor Der Planet Ist Bewohnt geht es um Weltanschauung, vor Hey Cowboy um die Demokratie. Aragona wird selbstkritisch als „nahezu Schlager“ beschrieben. Mitten Im Leben wird angekündigt und zum Mithüpfen aufgefordert. Da wird noch von Thorsten gefrotzelt „Passt auf, das zahlt keine Kasse!“, um dann vor Keiner Kommt Hier Lebend Raus routiniert und professionell einen Sanitätereinsatz vor der Bühne abzuwarten. Ein makabrer Songname in diesem Moment, aber dem dehydrierten Gast geht es wieder gut. Die zumeist älteren Zuschauer nehmen in den vorderen Reihen Saunatemperaturen auf sich, die Bar mit Getränkenachschub ist weit entfernt. Der Song ist deutlich rockiger, entstammt dem neuen Album. Ohnehin sind Balladen wie Die Wand heute selten zu hören. Zu Revolution wird mitgegrölt, was die Stimmbänder hergeben.

Wingenfelder 2024 Kiel; Foto: Norbert Czybulka

Thorsten holt den Pete Townshend Windmühlenstyle raus und bei Wenns Am Schönsten Ist grölt jemand „Fury“ in die Runde. Hierauf wird natürlich sofort eingegangen. Kai klärt ihn sofort auf „Wir sind nur das B-Team“ und Thorsten schiebt hinterher „Falsche Band, nächstes Jahr wieder„. Springen In der Nacht ist ein Norman Keil Song und so kommt er dazu natürlich auf die Bühne, um ihn gemeinsam zu interpretieren. Bei Klassenfahrt bleibt er auch noch auf der Bühne, bevor Wenn’s Am Schönsten Ist das offizielle Set beschließt. Es folgen noch zwei Zugabenblocks. Nach Der Letzte Ricard Von St. Malo ist heute das Konzert beendet. Die Pumpe hat scharfe Auflagen zu erfüllen, denn sie liegt mitten in der Altstadt und hat viele Anwohner drumherum. Der dritte Zugabenblock bleibt uns zeittechnisch somit verwehrt.

Manchen mag die Musik der Wingenfelder-Brüder zu poppig vorgekommen sein, der heutige Abend beweist das Gegenteil. Natürlich geht auch manches Element in die Richtung von Fury In The Slaughterhouse, aber wer will es ihnen verübeln? Es freut mich jedenfalls, bei solch einem emotionalen Abend noch einmal dabeigewesen sein zu dürfen. Danke und „Tschüss“!