Das Interview mit dem Gitarristen Jan Z. von Panzerballett zum aktuellen Album „Übercode Œuvre“

Zudem geht es über die aktuelle Tour und den Panzerballett'schen roten Faden

Artist: Panzerballett

Herkunft: München, Deutschland

Genre: Jazz Metal, Progressive Metal

Label: Hostile City

Time For Metal / René W.:
Hallo liebe Band, wir sind heute zusammengekommen, um über euer neues Album Übercode Œuvre und eure Tour im Mai zu sprechen. Euer neues Album trägt den Namen Übercode Œuvre – was verbirgt sich hinter diesem Titel?

Panzerballett / Jan Z.:
Übercode
spielt auf die Idee an, dass es so etwas wie einen gemeinsamen Nenner zwischen scheinbar völlig verschiedenen musikalischen Welten geben könnte – einen übergeordneten Code, der Jazz, Metal, Komplexität und Humor auf eine natürliche Weise zusammenbringt.

Time For Metal / René W.:
Gibt es eine übergeordnete Idee oder ein musikalisches Konzept, das die zehn Stücke miteinander verbindet?

Panzerballett / Jan Z.:
Ja, es gibt definitiv eine übergeordnete Idee: Übercode Œuvre versteht sich als musikalisches Hochrisiko-Experiment – ein bewusster Schritt in unbekanntes Terrain. Mehr als je zuvor geht es auf diesem Album darum, künstlerische Risiken einzugehen: eine moderne Klavieretüde von Ligeti neu zu interpretieren, einen Meshuggah-Track völlig neu zu denken oder sich sogar an einem Lovesong zu versuchen. Jedes Stück überschreitet auf seine Weise Grenzen – sei es in Bezug auf Stil, Emotion oder Struktur. Besonders herausfordernd war es, Musik von Künstlern zu bearbeiten, die mich selbst stark geprägt haben, wie Virgil Donati oder Fredrik Thordendal. Ihre Werke anzutasten, war wie das Betreten heiligen Bodens – mit einer Mischung aus Respekt und dem Anspruch, daraus etwas Eigenes zu formen.

Am Ende ist das Album eine Sammlung klanglicher Erkundungen, getrieben vom Wunsch, musikalisch zu wachsen – nicht durch Komfort, sondern durch die bewusste Konfrontation mit dem Unbekannten. Ziel war es, die Messlatte noch einmal höher zu legen: komplexer, intensiver und präziser als je zuvor, und dabei trotzdem unterhaltsam zu bleiben.

Time For Metal / René W.:
In eurem Sound treffen Jazz-Komplexität, Metal-Wucht und klassische Strukturen aufeinander. Wie schafft ihr es, diesen wilden Mix in eine kohärente Form zu bringen, ohne dass er auseinanderfliegt?

Panzerballett / Jan Z.:
Jazz, Metal und Klassik haben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick vermuten würde – genau diese Schnittmengen habe ich über mehr als 20 Jahre hinweg systematisch erforscht und freigelegt. Wie es gelingt, diesen wilden Mix kohärent zusammenzuhalten, lässt sich nicht vollständig rational erklären. Aber vielleicht liegt genau darin das „Geheimrezept“ von Panzerballett. Was ich bewusst beitragen kann, ist der Einsatz kompositorischer Werkzeuge, die ich über die Jahre entwickelt und verfeinert habe – und die ich sowohl bei eigenen Stücken als auch bei Bearbeitungen anwende. Dadurch entsteht ein Panzerballett’scher roter Faden, der – unabhängig von der Stilistik des Ausgangsmaterials – für strukturellen Zusammenhang sorgt.

Time For Metal / René W.:
Stücke wie Bleed oder The Four Seasons wirken fast wie musikalische Monster – wie nähert ihr euch der Komposition solcher „tonnenschweren“ Werke?

Panzerballett / Jan Z.:
Es gab mal eine treffend-absurde Beschreibung: Panzerballett drehen Stücke durch den „Jazz-Metal-Wolf“. Ganz unabhängig von ihrer „Tonnenschwere“ beginnt der Prozess aber immer gleich – mit dem Aufspüren von Ankerpunkten: rhythmische oder melodische Motive, die das strukturelle Rückgrat bilden. Diese werden dann genauso verarbeitet, variiert und weiterentwickelt wie eigenes Material. Im Grunde fühlt sich der kreative Prozess sehr ähnlich an – egal ob das Ausgangsmaterial von mir selbst stammt oder von jemand anderem. Und gerade die „Monstrosität“ solcher Werke reizt mich als Arrangeur besonders: Sie bietet eine ideale Angriffsfläche – der ich am liebsten mit einer gesunden Portion Humor begegne. Dieses viel zitierte Augenzwinkern ist für mich ein zentrales Element des Panzerballett-Sounds.

Time For Metal / René W.:
Euer Ansatz ist sehr komplex und könnte Hörer schnell überfrachten. Für wen macht ihr Musik – und wie wichtig ist euch die Herausforderung an das Publikum?

Panzerballett / Jan Z.:
In erster Linie machen wir Musik für uns selbst – um uns herauszufordern und im besten Fall auch selbst zum Schmunzeln zu bringen. Dass wir dabei selbst Musiker sind, macht Musiker:innen natürlich zu einer naheliegenden Zielgruppe. Doch letztlich geht es uns, fernab von Trends jeglicher Art, um etwas Zeitloses – um Musik, die Staunen auslösen kann, aber mit einem Augenzwinkern. Wenn das Publikum dabei manchmal kurz ins Schleudern gerät, ist das kein erklärtes Ziel, aber einmal mehr, mal weniger auftretender Nebeneffekt – einer, der uns nicht ganz unrecht ist.

Time For Metal / René W.:
Ihr habt mit Ode To Joy eine klassische Hymne in ein chaotisch-geniales Jazz-Metal-Epos verwandelt. Was reizt euch an der Dekonstruktion solch bekannter Werke?

Panzerballett / Jan Z.:
Ich sehe das weniger als Dekonstruktion – eher als architektonischen Umbau. Die Ode An Die Freude bleibt als episches Thema erhalten, trotzt als Fels der polyrhythmischen Brandung ringsum. Gerade weil sie so bekannt ist, eignet sie sich als Anker: Ihr melodischer Kern bleibt weitgehend unangetastet, während das harmonische und rhythmische Umfeld Kapriolen schlägt. Der Reiz liegt darin, etwas scheinbar Vertrautes in ein neues Hörerlebnis zu verwandeln – eins, das nicht beim ersten Durchlauf verstanden werden will. Unsere Musik verlangt Wiederholung, fordert Entdeckung. Wer sich darauf einlässt, geht mit ihr eine tiefere Verbindung ein. Die unveränderte Melodie ist dabei der rote Faden durchs kontrollierte Chaos.

Time For Metal / René W.:
In eurem Gitarrenspiel liegt oft eine Mischung aus Mathematik und Wahnsinn – woher kommen eure musikalischen Einflüsse, und wie viel davon ist geplant, wie viel einfach der Moment?

Panzerballett / Jan Z.:

Meshuggah – Ihre Musik hat mein Verständnis von Rhythmus, Struktur und Intensität radikal verändert. Sie hat mich so tief beeindruckt, dass ich meine Abschlussarbeit über sie geschrieben habe.

Fredrik Thordendal’s Special Defects – Ein visionäres Album: zeitlos und seiner Zeit voraus. Die Mischung aus abstrakten Rhythmen, düsteren Klangfarben und kompromissloser Gitarrenarbeit fasziniert mich bis heute.

Planet X – Mich hat sofort die dunkle, druckvolle Klangwelt gepackt – kombiniert mit komplexen Rhythmen, Jazz-Fusion-Harmonien und atemberaubender Virtuosität. Ein Beweis dafür, dass musikalische Tiefe und Aggression sich nicht ausschließen.

Tribal TechScott Henderson war einer meiner ersten großen Gitarrenhelden: ein Rock- und Blues-Gitarrist mit dem Vokabular eines Jazzers, der musikalische Ideen umsetzen konnte, die sonst kaum jemand zu denken wagte.

Screaming Headless Torsos – Ein weiteres einzigartiges Beispiel für Musiker mit Jazz-Background und Rock-Mentalität: funky, komplex und explosiv – mit Gitarrenriffs, die an „Dreckigkeit“ kaum zu überbieten sind.

Allan Holdsworth – Der „Darth Vader“ unter den Jazz-Fusion-Gitarristen. Einer der wichtigsten, virtuosesten und eigenständigsten Gitarristen überhaupt – seine harmonische Sprache und sein Ton haben ganze Generationen geprägt, mich eingeschlossen.

Der geplante Anteil überwiegt wahrscheinlich: Unsere Kompositionen sind bis ins Detail durchdacht, jede Stimme wird sorgfältig vorbereitet. Aber der Moment spielt trotzdem eine zentrale Rolle. In guter Jazz-Fusion-Tradition gibt es Freiräume für Improvisation – auch die erfordern allerdings gründliche Vorbereitung. Spontaneität entsteht bei uns also nicht aus dem Nichts, sondern auf der Grundlage eines durchdachten Rahmens. Gerade diese Mischung macht für uns den Reiz aus: Struktur trifft auf Freiheit, Kontrolle auf Überraschung.

Time For Metal / René W.:
Die Tour führt euch im Mai durch Deutschland, Österreich und die Schweiz – mit einem Start in den Mastermix Studios in München. Was erwartet die Fans bei diesen Liveshows, besonders im Kontext des neuen Materials?

Panzerballett / Jan Z.:
Wir präsentieren eine gut ausbalancierte Mischung aus neuem und bewährtem Material. Wie das neue live genau klingen wird, kann ich selbst noch nicht sagen – die Proben starten erst kurz vor Tourbeginn. Insofern bin ich mindestens genauso gespannt wie das Publikum! 🙂 Was ich aber sicher sagen kann: Mit dieser Besetzung auf der Bühne – Virgil Donati am Schlagzeug, Anton Davidyants am Bass, Rafael Trujillo an der Gitarre und Florian Fennes am Saxofon – entsteht eine Live-Energie, die selbst komplexeste Musik unmittelbar erlebbar macht. Jeder dieser Musiker bringt nicht nur beeindruckende technische Fähigkeiten mit, sondern auch eine ganz eigene musikalische Handschrift. Genau das macht jede Show zu einem einmaligen Erlebnis.

Time For Metal / René W.:
Alien Hip Hop
, Andromeda und The Devil’s Staircase – eure Tracktitel klingen wie Kapitel aus einem Sci-Fi-Buch. Gibt es auch eine visuelle oder erzählerische Welt, die ihr mit der Musik verknüpft?

Panzerballett / Jan Z.:
Ton und Bild stehen für mich in einem wechselseitigen Verhältnis – sie beeinflussen und verstärken sich gegenseitig. Deshalb gibt es natürlich auch eine visuelle Welt, die mit der Musik mitschwingt. Und damit auch eine erzählerische. Nur: Als bekennender Nicht-Poet halte ich mich lieber zurück, wenn es ums narrative Ausdeuten geht – ich drücke mich am liebsten durch Musik aus. Bei den Coversongs stammen die Titel ohnehin von den Originalen und fügen sich oft ganz natürlich in dieses Bild ein.

Time For Metal / René W.:
Das letzte Wort gehört euch und könnt ihr ganz frei an eure Fans und unsere Leser wenden. Wir sehen uns in Bremen und ich wünsche euch bis dahin einen guten Start in die Tour.

Panzerballett / Jan Z.:
Panzerballett
ist ein internationales Projekt mit Musiker:innen aus Europa, den USA und Russland. Das Video zur zweiten Single stammt von einem chinesischen Videokünstler. Ich möchte damit sagen: Kunst ist etwas Verbindendes und Konstruktives. Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtiger denn je, dass Menschen zusammenarbeiten – und sich nicht damit beschäftigen, wie sie sich gegenseitig Steine in den Weg legen, ja gar bekämpfen könnten.