Back In Time: wir blicken zurück auf die Monsters Of Rock Festivals 1988

Harter Rock und Randale in Schweinfurt

Das Monsters Of Rock Festival war das bedeutendste Rock und Heavy Metal Festival der 1980er und frühen 1990er-Jahre. Es fand von 1980 bis einschließlich 1996 auf der Motorsport Rennstrecke Donington Park in Leicestershire, England statt und begeisterte zeitweise über 100.000 Metalheads. Es spielten in den Jahren Bands wie Judas Priest, Rainbow, Scorpions, Saxon, AC/DC, Whitesnake, Anvil, ZZ Top, Twisted Sister, Dio, Motörhead, Van Halen, Ozzy Osbourne, Accept, Metallica, Bon Jovi, Warlock, Anthrax, W.A.S.P., Iron Maiden, Megadeth, Guns n’ Roses, Testament, Helloween, Mötley Crüe, Slayer, Sepultura … u.v.m. Aufgrund des großen Erfolges fanden die Monsters Of Rock Festivals später auch in weiteren Ländern statt.

1983 fanden die Monsters Of Rock Festivals auch erstmals in Deutschland mit insgesamt 69.000 Besuchern an drei Tagen in Dortmund, Kaiserslautern und Nürnberg statt. Das Programm unterschied sich in den Städten, doch insgesamt standen folgende Acts auf der Bühne: Meat Loaf, Krokus, Survivor, Twisted Sister, Motörhead, Saxon, Thin Lizzy, Blue Öyster Cult und Whitesnake.

1984 gab es zwei Festivaltage in Karlsruhe und Nürnberg, die von insgesamt 95.000 Rockfans besucht wurden. Es spielten: Mötley Crüe, Accept, Gary Moore, Ozzy Osbourne, Dio, Van Halen und AC/DC.

1986 besuchten insgesamt 80.000 Metalheads die beiden Festivals in Nürnberg und Mannheim. Es spielten folgende Bands: Warlock, Bon Jovi, MSG, Def Leppard, Ozzy Osbourne und die Scorpions.

1987 fanden ebenfalls zwei Festivals vor insgesamt 100.000 Besuchern in Pforzheim und Nürnberg statt. Die Bands: Pretty Maids, Helloween, Cinderella, Ratt, Metallica, Dio und Deep Purple.

1988 fanden die Festivals in Schweinfurt und Bochum vor insgesamt 65.000 Headbangern statt. Die Bands des Wochenendes: Treat, Testament, Great White, Anthrax, Kiss, David Lee Roth und Iron Maiden.

Der erste Festival-Tag am 27. August 1988 sollte in die Geschichte eingehen und schaffte es sogar in die ARD Tagesschau, obwohl Heavy Metal in den öffentlich Rechtlichen eigentlich gar nicht stattfindet. Die Nachrichten lenkten die Aufmerksamkeit von ganz Deutschland und noch darüber hinaus auf Schweinfurt. 40.000 Metaller sorgten auf den Schweinfurter Mainwiesen für ordentlich Stimmung, doch leider nicht nur dort, sondern auch schon am Vorabend des Festivals in der unterfränkischen Stadt. Für die Presse war es ein gefundenes Fressen, sie berichteten von Heavy Metal Monstern, von schweren Alkohol- und Drogenexzessen, von schweren Ausschreitungen durch Hunderte langhaarige Fans, von extrem gewaltbereiten Jugendlichen, von Sodom und Gomorrha (und Babel obendrein) und von Mord und Totschlag beim größten deutschen Heavy Metal Festival.

Die Bands, die auf den Mainwiesen die Fans begeisterten, über die wurde in der Presse kaum ein Wort verloren. Vergessen der geniale Auftritt von Testament, die für die kurzfristig abgesagten Megadeth eingesprungen waren. Vergessen auch der brillante Gig von Anthrax, die immerhin damals schon ein Teil der The Big Four waren. Nun gut, Treat brauchte niemand, aber da es damals eben noch nicht 10.000 selbst ernannte Metalbands in eben so vielen verschiedenen Genres gab, brauchte man auch nur einen Festivaltag und eine Handvoll Bands, und da schaute man sich als Metalhead eben auch mal Treat an. Dass Great White in den Medien untergingen, darüber kann man hinwegschauen, denn wer bitte hat die Hardrocker zwischen die Thrash Metal Heroen Testament und Anthrax platziert? Doch dann kamen Kiss und knallten den Fans eine sagenhafte Show im US-Format um die Ohren, doch kaum ein Wort von den Plateaustiefel-Herrschaften in der Presse. Vergessen auch die Stunde David Lee Roth Gedudel. David Lee Roth aus allernächster Nähe, das ist für einen Metalfreak nicht soweit von den Egerländer Musikanten oder den Kastelruther Spatzen entfernt, aber was tut man nicht alles für einen Platz in der ersten Reihe bei den Göttern von Iron Maiden. Doch auch von der fast 120-minütigen Iron Maiden Galashow kaum ein Wort in der Presse, aber randalierende Horden von Metalfans, die eine Innenstadt zerlegen, machten sich nun einmal besser.

Aber nein, Iron Maiden wurden tatsächlich erwähnt, sogar in der Titelzeile: „Tote in Schweinfurt bei Heavy Metal Festival! Headiner Iron Maiden erwägten ihren Auftritt abzusagen. Nur durch das Einschreiten starker Polizeikräfte konnte das Festival doch noch am nächsten Tag stattfinden.“ Es dauerte nicht lange, bis sich die Toten von Schweinfurt als Falschmeldung der Medien herausstellten. Beim englischen Mutter-Festival im Castle Donington wurden zwei Fans während des Guns n’ Roses Auftritts in der Menge erdrückt, und die Toten aus England sind nun fälschlicherweise in die Berichterstattung von Schweinfurt gerutscht …, kann ja mal passieren. Fake-News!

Die Bild-Zeitung titelte: „40.000 gewaltbereite Rocker belagern Schweinfurt.“ Man hatte gut recherchiert, denn weiter hieß es: „Um 1300 überfiel der Bischof von Würzburg die Stadt, 1554 zerstörten Soldaten des Markgrafen von Brandenburg das schöne Schweinfurt. Gestern schließlich überfielen 40.000 Rocker die 50.000 Einwohner große Stadt.“ Hat man der Bild glauben wollen, so war Schweinfurt die Hölle auf Erden.

Randale hat es in der Nacht tatsächlich gegeben, einige Metalfans hatten sich am Vorabend des Festivals zum gemeinschaftlichen Umtrunk in die Stadt begeben, und da sie das Campinggelände in der Nacht nicht wieder betreten konnten, hatten sie sich einen Vorgarten, oder öffentliche Grünanlagen, als Nachtlager gewählt und hatten in die Hecken gepinkelt. 4,- DM für 0,4 l Bier auf dem Gelände waren den Jungs eben zu heftig. Je nach Quelle soll es zwischen 35 und 80 Festnahmen durch die Polizei gegeben haben, wegen Sachbeschädigung und wegen Waffen- und Drogenbesitzes. Es gingen ein paar Fenster- und Schaufensterscheiben zu Bruch, ein paar Autos wurden beschädigt und ein paar Gartenzäune wurden zerlegt, da man Holz zum Würstchen grillen brauchte. Das alles war natürlich keineswegs in Ordnung und wirft ein schlechtes Bild auf die Heavy Metal Szene, aber dieses mit dem Überfall der Soldaten des Markgrafen von Brandenburg auf das kleine Städtchen zu vergleichen ist, wie mit Kanonen auf Spatzen schießen.

Stattdessen hätte man die Verantwortlichen im Schweinfurter Rathaus zur Verantwortung ziehen sollen, aber die waren mit der Ausrichtung eines solchen Events ja völlig unerfahren und überfordert und deshalb nicht Schuld an den Geschehnissen. Mit solch einem Ansturm hatte wohl auch niemand gerechnet, aber war es in den Jahren zuvor etwa anders? Unterkünfte für Tausende von Metalfreaks wären nicht schlecht gewesen, dann hätten Fans, die bereits am Vortag angereist sind, ihre Zelte nicht in fremden Vorgärten und auf Verkehrsinseln in der Stadt aufschlagen müssen. Oder auch eine Evakuierung der ortsansässigen Bürger hätten die Verantwortlichen in Betracht ziehen müssen, denn viele fühlten sich allein vom Anblick der langhaarigen, lauten Fans belästigt und bedroht. Das Wacken Open Air gab es damals ja leider noch nicht, sonst hätte man sich dort in Schleswig Holstein einiges über den Umgang mit Metalfans abgucken können. Ein paar Getränkestände an der Straße hätte sicherlich das Plündern der Tankstellen verhindern können. Es hätte für Gastronomen das Geschäft ihres Lebens werden können, stattdessen wurde Kuttenträgern der Zutritt zu Kneipen verboten. Auch am nächsten Morgen gab es in den örtlichen Gaststätten für die Vandalen in Nieten und Leder nichts zu trinken, sodass erneut Tankstellen geplündert werden mussten, um sich mit ausreichend Büchsen-Bier einzudecken. Statt sich auf die Invasion der feierwütigen Metaller vorzubereiten, wurden die Wochen davor besser genutzt, um vor den Teufelsanbetern des Heavy Metal zu warnen und Angst zu schüren. Die CSU warf der Stadt damals grobe Fahrlässigkeit vor.

Fälschlicherweise wurde später behauptet, dass diese Stimmung absichtlich provoziert wurde, damit in Zukunft im Freistaat Bayern kein weiteres Monsters Of Rock mehr stattfinden kann.

Auch das Festivalgelände auf den Mainwiesen stellte sich im Nachhinein als ungeeignet heraus. Die schmale Mainwiese direkt am Fluss, wo Massen an Fans über Stunden durch ein Nadelöhr hineinströmten, konnten die ganz Eiligen nach dem Ende vom Iron Maiden Gig nicht alle gleichzeitig das Gelände verlassen. Nicht wenige versuchten, die rutschige Böschung hoch zur Straße zu kommen, anstatt den offiziellen Ausgang, das Nadelöhr, zu nutzen. Reihenweise purzelten sie zurück auf das Festivalgelände und sorgten so zwar nicht für ein Sodom und Gomorrha, aber für ein völlig sinnfreies Chaos. Danke für nichts!

Das Festival selber ging am Samstag völlig ruhig und störungsfrei vonstatten, und weder Tod noch Teufel waren zu Gast. Dass es damit für die Monsters Of Rock Festivals in Deutschland gewesen ist, ahnte an diesem Wochenende noch niemand, doch was erwarten wir, die Gutmenschen müssen schließlich vor Heavy Metal Monstern geschützt werden. In Schweinfurt fand nie wieder ein kulturelles Ereignis dieser Größenordnung statt und auch andere Stadtverwaltungen wollten es nicht mehr wagen, ein Monsters Of Rock zu veranstalten.

Wider Erwarten wurden die Horden an Fans beim Schwester-Festival am nächsten Tag nicht schon am Hauptbahnhof Bochum von groß aufgestellten Anti-Terror-Einheiten in Empfang genommen. Die Bereitschaftspolizei blieb genauso entspannt wie die über 20.000 Besucher und auch auf dem Festivalgelände an der Castroper Straße wurde nur friedlich gefeiert.

32 Jahre ist die Apokalypse von Schweinfurt mittlerweile her. 1989 wurde das Monsters ersatzlos gestrichen und 1990 und 1992 wurde das Kind dann Superrock benannt. Einzig 1991 gab es noch einmal ein Monsters Of Rock in Deutschland, welches gleich in sieben deutschen Metropolen stattfand, doch die Spielregeln hatten sich verändert. Die Magie des Eintagesfestivals war verflogen – das MOR gestorben. 1988 fand das letzte klassische Monsters statt und dieses ging in die Geschichte ein. Und die Tickets für diesen Spaß kosteten gerade einmal 44,- Deutsche Mark. Monsters Of Rock 1988 ist noch immer Kult, weil die Bands klasse waren und die Fans größtenteils friedlich und gesittet. R.I.P.!!!