Bands: Conan, Thra
Ort: Pitcher Rock’n’Roll Headquarter, Oberbilker Allee 29, Düsseldorf
Datum: 08.10.2025
Kosten: 25 Euro VVK, 30 AK
Genre: Doom, Sludge
Veranstalter: Beer&Music
Link: https://www.facebook.com/events/
Heute steht wieder einmal eine etwas längere Anfahrt auf dem Plan: 1 ¾ Stunden, um bis zum Pitcher nach Düsseldorf zu gelangen. Doch diese Strecke nehme ich gerne in Kauf – schließlich gibt es heute Abend Caveman Battle Doom von Conan. Und das in einer der wohl passendsten Locations dafür. Schon im Vorfeld war zu hören, dass es ziemlich voll werden soll. Die Verkehrslage spielt mir diesmal nicht gerade in die Karten: Ich komme recht spät an und sehe bereits beim Vorbeifahren die lange Schlange vor dem Pitcher. Also direkt weiter ins angrenzende Parkhaus – zum Glück ist diesmal ein Platz frei. In nicht mal zwei Minuten bin ich zu Fuß am Club, die Vorfreude wächst mit jedem Schritt.
Vor dem Pitcher entdecke ich etwas Ungewöhnliches: Ein Zelt wurde aufgebaut – das habe ich hier noch nie gesehen. Darin wird der Merch der Vorband Thra angeboten. Conan haben ihren Verkaufsstand wie gewohnt im Innenbereich. Ich stelle mich in die lange Schlange, begrüße hier und da ein paar Bekannte. Unter ihnen ist auch Caspar, Gitarrist von Daevar und Organisator des Hoflärm-Festivals – immer schön, vertraute Gesichter zu treffen. Drinnen finde ich schließlich einen Platz ganz vorne rechts, direkt neben der Bühne, vor den Toiletten. Von hier aus kann ich zwar gut Fotos machen, aber Bewegung ist kaum möglich – der Pitcher zeigt sich heute Abend von seiner engsten, schwitzigsten Seite. Ein ständiges Hin und Her? Unmöglich. Die Höhle ist zum Bersten gefüllt. Aber genau das macht den Pitcher aus: Enge, Nähe, Intensität – die perfekte Bühne für einen Abend voller roher Energie.
Die ersten dissonanten Töne schneiden durch die Luft wie rostige Klingen. Kein langes Intro, kein Herantasten: Thra werfen das Publikum sofort in den Mahlstrom. Flirrende Gitarren durchschneiden die Stille, dann fällt das Riff wie eine einstürzende Betonplatte auf die Menge. Die Drums hämmern roh und präzise, Bass und Gitarre verschmelzen zu einem zähen, vibrierenden Klangteppich aus tiefgestimmter Schwere. Darüber legen sich zwei Stimmen – ein heiserer Schrei und ein knurrender Growl – die sich wie ein Schraubstock um die Brust legen. Das Publikum? Zunächst überrascht, fast überfahren – dann zunehmend versunken, reglos, absorbiert. Hier tanzt niemand. Hier wird nicht mitgesungen. Das ist keine Show – das ist ein Reinigungsritual durch Lärm. Ein auditiver Dreckstrom, der jede Pore flutet. Mit dem Song Flame Lurker legt die Band nach und zündet damit einen wütenden Abschnitt des Abends. Der Song windet sich wie eine Schlangenhaut aus Doom-Riffs und Sludge-Grooves, schwer, düster, zermalmend. Thra sind Meister darin, zwischen schleppender Trostlosigkeit und plötzlicher Raserei zu wechseln – unvorhersehbar, unberechenbar, nie harmlos. Beim Song Ritual Degredation ist der Name Programm. Der Song trägt die Gravitas eines uralten Totengesangs, er wirkt heraufbeschworen, als sei er aus einer dunklen Tiefe gestiegen. Der Pitcher wird zur Höhle, zur (unterirdischen) Kathedrale.
Nach einem intensiven Gig folgt der letzte Schlag: Noch einmal bäumen sich die Riffs auf: breiter, langsamer, tiefer. Der Bass vibriert bis in den Magen, die Gitarren kreisen wie Geier. Thra lassen den Song ausufern, brechen ihn auf, setzen ihn neu zusammen, nur um ihn dann Stück für Stück verklingen zu lassen. Kein triumphaler Schluss. Kein letzter Aufschrei. Nur ein langsames Verbluten des Sounds. Dann Stille. Doch viele im Publikum scheinen das Ende gar nicht zu begreifen. Einige klatschen zögerlich, andere warten gespannt. Doch es bleibt dabei: Der Gig von Thra ist vorbei und Thra verschwinden so, wie sie gekommen sind: wortlos, schwer, kompromisslos.
Nun betreten Conan die Bühne – jene Band, auf die wohl die meisten heute Abend im Pitcher Düsseldorf sehnsüchtig gewartet haben. Das Trio aus Liverpool bezeichnet ihren Sound selbstbewusst als Caveman Battle Doom – und das trifft es auf den Punkt. Wer jetzt an Beatles-Romantik denkt, liegt komplett daneben. Conan haben mit den Fab Four aus Liverpool ebensowenig gemein wie der Homo sapiens mit dem Neandertaler. Der einzige gemeinsame Nenner: Sie machen Musik. Der Rest ist pure Urgewalt.
Was folgt, ist authentischer, druckvoller Höhlendoom, der sich wie Lava durch die Boxen schiebt. Die urwüchsigen Höhlenbewohner, sprich: die Fans, kriechen hervor, lassen sich von der schweren Klangmasse erfassen und beginnen, ihre Köpfe in rhythmischer Trance zu wiegen. Der Sound von Conan ist markant, brachial und ungewöhnlich: eine Mixtur aus zähem Doom, durchzogen von Sludge-Fragmenten, die wie rostige Klingen durch das Klanggeflecht schneiden. Die Band ist mit kurzen Pausen seit 2006 eine feste Größe in der weltweiten Doom- und Stoner-Szene und hat so ziemlich jedes relevante Festival bespielt. Jon Davis, Sänger und Gitarrist, ist das letzte verbliebene Gründungsmitglied – ein Fels in der Urzeitbrandung. Man kann mit Fug und Recht sagen: Man Is Myth – so der Titel ihrer frühen Demo und ein passendes Bild für Davis’ mythische Bühnenpräsenz. An seiner Seite: Johnny King am Schlagzeug und David Ryley am Bass, die gemeinsam mit ihm das aktuelle Album Violence Dimension (2025) eingespielt haben. Die Songs wälzen sich schwerfällig voran, klingen nach prähistorischer Kraft und lassen die Wände des Pitchers erzittern. Zu den neuen Stücken wie Foeman’s Flesh und Desolation Hexx gesellen sich Klassiker aus Conans über die Jahre gewachsenem Repertoire: Sechs Longplayer, diverse EPs, Splits und zwei Livealben sprechen eine deutliche Sprache.
Die Musik von Conan ist roh, kompromisslos und voller archaischer Energie. Ihre Songs entfalten sich langsam, wühlen sich tief ins Gehör – eine Sludge-Doom-Vollbedienung, die im besten Sinne schmerzt. Dissonanzen reiben sich aneinander wie Knochen auf Stein – für manche Fans endet das Konzert in tranceartiger Erstarrung. Noch lange nach dem letzten Ton stehen einige wie versteinert da, als wären sie eben aus einer anderen Zeit zurückgekehrt. Conan zeigen sich nach dem Abriss von ihrer menschlichen Seite. Jon Davis, Johnny King und David Ryley nehmen sich Zeit für Gespräche, signieren Platten, machen Fotos mit ihren Fans. Hier herrscht keine Rockstar-Attitüde – hier zählt echte Nähe.
Nachdem ich mich noch eine Weile mit Jon Davis unterhalten habe – ein angenehmer, geerdeter Typ – und er mir freundlicherweise ein paar Sachen signiert hat, schlendere ich nach draußen zum Merchzelt. Dort treffe ich auf die vier Jungs von Thra, die sich ebenso offen und sympathisch zeigen. Ich komme mit Zach Nixon-Sandberg (Bass), Grey Smith (Schlagzeug), Matt Marquette (Gitarre) und Robert Wolfe (Gitarre) ins Gespräch, und auch hier nimmt man sich Zeit für echte Nähe zur Szene. Natürlich lasse ich mir die Gelegenheit nicht entgehen und nehme ihr aktuelles Album Forged In Chaotic Spew direkt mit. Nach dem wuchtigen Live-Auftritt des Quartetts ist das fast schon Pflicht. Eine Band, die live absolut überzeugt und dabei noch genauso authentisch rüberkommt, wie ihre Musik klingt.
Ein Abend wie ein Ritual. Conan liefern nicht einfach ein Konzert – sie entfesseln ein prähistorisches Beben. Und der Pitcher wurde zur Höhle, nachdem Thra zuvor den Mahlstrom geöffnet haben.