In Dying Times – Face Of Inhumanity

Definitiv kein 08/15 Album

Artist: In Dying Times

Herkunft: Grefrath, Deutschland

Album: Face Of Inhumanity

Spiellänge: 52:05 Minuten

Genre: Epic Metal, Symphonic Metal

Release: 14.12.2019

Label: Eigenproduktion

Link: https://www.facebook.com/InDyingTimes/

Bandmitglieder:

Gitarre und Gesang – Justus Schwan
Keyboard und Orchestrierung – Kevin Barthels
Schlagzeug – Niklas Ditgens

Tracklist:

  1. Prologue
  2. Face Of Inhumanity
  3. Innocent
  4. Passion Of The Necrophile
  5. Try To Love You
  6. Unholy Nights
  7. Wrath
  8. In Alle Ewigkeit
  9. Für Mich Allein
  10. Xenophobia
  11. Get Me
  12. Arise
  13. War Is Hell

 

Vor einigen Wochen erreichte mich eine Reviewanfrage, die mich gleich mal in zweierlei Hinsicht neugierig gemacht hat. Zum einen ist die Band In Dying Times im Jahr 2011 als Metalcore-Quintett gestartet und hat im Mai 2014 ihre Debüt-EP Until Dawn veröffentlicht. Damit haben sie mich als Metalcore-Fan ja schon mal gekriegt. Dann haben aber zwei Mitglieder die Band verlassen, und nun hat das Trio im Dezember 2019 mit dem Album Face Of Inhumanity einen ziemlich krassen Stilwechsel hin zum Epic/Symphonic Metal hingelegt. Ich hatte zugegebenermaßen keine allzu großen Erwartungen, als ich zum ersten Mal auf Play gedrückt habe, aber die Jungs haben mich eines Besseren belehrt.

Gleich mit dem Prologue zeigen In Dying Times, dass sie wissen, wie man einen Spannungsbogen aufbaut. Zunächst mal im ersten Drittel „nur“ großes Orchester und Chor, es kommen Bass und Schlagzeug dazu, die wiederum im letzten Drittel von einer Computerstimme abgelöst werden. Erstaunlicherweise ist der gleich folgende Titeltrack kürzer als der Prologue, gleicht aber einem wahren Höllenritt. Sehr rau, fast ein wenig heiser, klingt die Stimme von Justus, was die Wirkung des Songs aber nicht schmälert, sondern ihm im Gegenteil noch mehr Eindringlichkeit verleiht. Fast wie eine Art Hörspiel kommt dann der zweitlängste Track des Albums, Innocent, daher. Er startet passenderweise mit Kinderlachen, erzählt aber die traurige Geschichte eines Vaters, dessen Kind ermordet wurde, und der nun den Mörder jagt und sich ausmalt, wie er sich an ihm rächen wird. Allein hier schon muss ich In Dying Times in Bezug auf die von ihnen genannten Einflüsse Recht geben. Ich hatte mich ja gewundert, da auch den Namen Rammstein zu lesen, aber der passt streckenweise – vor allem, was die Riffs betrifft – genauso, wie Children Of Bodom oder – keine Überraschung – Dimmu Borgir.

Man könnte sich ja bei Epic/Symphonic Metal darauf beschränken, jeden Song mit einem großen Orchester auszustatten, und nur Tempo und Rhythmus zu variieren. Das war In Dying Times aber wohl nicht genug. Bei Passion Of The Necrophile gibt es den Klang eines orientalischen Saiteninstruments zu hören, und schon sehe ich vor meinem geistigen Auge eine Wüstenlandschaft, in der in weiter Ferne die Schemen einer Oase in der Hitze flimmern. Tempo drosseln ist aber weiterhin nicht angesagt, sehr geil!

Was eben noch das orientalische Saiteninstrument war, ist jetzt in Try To Love You eine Spieluhr. Ich hatte bei dem Songtitel ja eine Ballade erwartet, aber was den musikalischen Part angeht, ist das eins der variantenreichsten Stücke auf dem Album. Was mir ein wenig auf den Geist geht, ist die ständige Wiederholung einiger Textpassagen. Das fällt durch die sehr eigenwillige Stimme von Justus noch ein wenig mehr ins Gewicht und erinnert mich tatsächlich manchmal an den Versuch, ohne Schlag ein Loch in eine Betonwand bohren zu wollen. Da dreht dann die Bohrmaschine mit Höchstleistung, kommt aber nicht vorwärts.

Vollkommen abgedreht präsentiert sich Unholy Nights, in dem das Keyboard immer mal wieder Trancecore’esque Sounds einstreut, bevor es dann mit dem längsten Song des Albums Wrath wieder zurück auf den von Anfang an eingeschlagenen Weg geht. Der wird musikalisch auch mit den drei folgenden Tracks nicht verlassen. Hier singt Justus dann mal in Deutsch, und wenn auch noch nicht mit In Alle Ewigkeit, so lehnt man sich textlich mit Für Mich Allein doch ein wenig an Rammstein an. Mit Xenophobia greifen In Dying Times dann ein Thema auf, das leider immer aktuell sein wird, nämlich Fremdenfeindlichkeit. In dem großen Symphonic Metal-Konstrukt mal vollkommen verfremdet ein paar Töne aus unserer Nationalhymne einfließen zu lassen, mal Erinnerungen an uralte Computerspiele wachzurütteln und dazu dann die Textzeilen „…und sie marschieren, steh’n vor Eurer Tür. Öffnet sie weit und entfernt das Geschwür…“, darauf muss man erstmal kommen. Mir treibt’s trotz des ernsten Themas ein breites Grinsen ins Gesicht.

Mit mächtig viel Groove kommt dann stampfend Get Me um die Ecke. Der könnte auch als musikalische Untermalung in einem Gruselfilm dienen, da hat Kevin die Orchestrierung mit dem verstärkten Einsatz von Streichern, die das Marschtempo vorgeben, schon wohl gewählt. Aufs Tempo drückt der Song nur vereinzelt mal. Das wird bei dem sehr progressiven Arise wieder anders, wobei ich hier die Duelle, die sich Gitarre, Schlagzeug und Streicher teilweise liefern, sehr spannend finde. Ähnlich spacig wie schon bei Unholy Nights geht’s dann auch beim letzten Track War Is Hell zur Sache, hier wechseln sich großes Orchester und Trancecore-Sounds in schöner Regelmäßigkeit ab, bevor der Song mit Geräuschen direkt vom Schlachtfeld endet, wie er auch begonnen hat. Das sich War Is Hell mit den unzähligen Kriegen beschäftigt, die schon stattgefunden haben und auch immer noch stattfinden, kann man auch in dem Video lesen, das es zu dem Song gibt:

In Dying Times – Face Of Inhumanity
Fazit
Ich weiß zwar nicht, ob In Dying Times zu dritt geblieben sind, weil sie keinen passenden Nachfolger für die freien Positionen gefunden haben, oder ob sie einfach gar nicht gesucht haben. Aber zu dritt ein dermaßen komplexes Album einzuspielen, finde ich sehr bewundernswert. Auch ein Profi am Keyboard braucht ja doch seine Zeit, um das alles zu programmieren, und das ist ja dann noch nicht mal die halbe Miete. Von der Kreativität, diese Songs überhaupt erst mal zu schreiben, will ich dabei gar nicht reden. 08/15-Epic/Symphonic Metal ist das jedenfalls nicht. Und um noch mal auf die Anfänge von In Dying Times zurückzukommen: Gönnt Euch auf der Bandcamp-Seite http://indyingtimesband.bandcamp.com/releases auch die Debüt-EP Until Dawn. Das ist richtig geiler Metalcore!

Anspieltipps: Face Of Inhumanity, Passion Of The Necrophile, Unholy Nights
Heike L.
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