Insomnium – Anno 1696

Schritt zurück nach vorn

Artist: Insomnium

Herkunft: Finnland

Album: Anno 1696

Spiellänge: 50:32 Minuten

Genre: Melodic Death Metal

Release: 24.02.2023

Label: Century Media

Link: http://www.insomnium.net

Bandmitglieder:

Gesang, Bassgitarre – Niilo Sevänen
Gitarre, Gesang – Markus Vanhala
Gitarre, Gesang – Jani Liimatainen
Gitarre – Ville Friman
Schlagzeug – Markus Hirvonen

Tracklist:

  1. 1696
  2. White Christ
  3. Godforsaken
  4. Lilian
  5. Starless Paths
  6. The Witch Hunter
  7. The Unrest
  8. The Rapids

Redet man über die Speerspitze des Melodic Death Metals in Verbindung mit der typischen Melancholie und Melodik finnischer Prägung, kommt man um Insomnium nicht herum. Anfangs – zu Unrecht – als Klon der finnischen Landsleute von Sentenced verschrien, liefern sie seit nunmehr über zwei Jahrzehnten qualitativ hochwertige Alben ab. Das 2014er Shadows Of The Dying Sun oder das letzte opulente Meisterwerk Heart Like A Grave aus 2019 sind ohne Zweifel als Klassiker des Genres zu bezeichnen.

Nun melden sich die fünf Finnen mit einem Konzeptalbum zurück. Anno 1696 behandelt ein dunkles und trauriges Kapitel finnischer Geschichte. Während die große Hexenjagd zu dieser Zeit auch Nordeuropa erreichte und mit grausamen Enthauptungen und Verbrennungen barbarische Spuren hinterließ, kam es 1696/97 zusätzlich zu einer großen Hungersnot, der laut Überlieferungen rund 30 % der finnischen Bevölkerung zum Opfer fiel. Dementsprechend – und so viel sei vorweggenommen – düster fällt auch die musikalische Verarbeitung dieser grausamen Zeit seitens der Band aus.

Bedrohlich startet der Opener und quasi Titeltrack 1696 mit seinen noch in Sicherheit wiegenden akustischen Klängen, bevor pure Raserei das Ruder übernimmt. Im Refrain sind sie dann wieder, die großen Melodien, die in dieser schaurigen Schönheit nur Insomnium schreiben können. Versprühten diese in der Vergangenheit trotz ihrer melancholischen Tristesse immer einen Funken Hoffnung, so sind sie heuer noch molllastiger gestaltet und unterstreichen dadurch die Hoffnungslosigkeit dieser Zeitepoche. Hart & düster – starker Einstieg!

Bei White Christ holte man sich die gesangliche Unterstützung von Sakis Tolis (Rotting Christ). Herausgekommen ist einer der düstersten Tracks in der Geschichte der Finnen. Ein Midtempostampfer, der durchaus auch musikalisch nahe bei den Griechen ist und vom Gesangsduell Sevänen vs. Tolis seine Energie zieht.

Das erste dicke Ausrufezeichen setzt Godforsaken. Hier holte man sich Johanna Kurkela, Ehefrau eines gewissen Tuomas Holopainen (Nightwish) als Gastsängerin mit ins Boot. Der Song lebt von seinen Kontrasten. Hier in den ruhigen Momenten, eine verletzlich leidende Frauenstimme im Wechselspiel mit Raserei und melodisch-düsteren Akzenten, die einem die Gottverlassenheit wahrlich spüren und erleben lässt. Einfach grandios!

Lilian wurde zeitgleich mit der Ankündigung des neuen Albums veröffentlicht und ist ein waschechter Hit. Musikalisch hätte der Song durchaus auch auf dem Vorgänger seinen Platz gefunden und bietet eine Auflockerung im Vergleich zum Rest der Scheibe. Gibt es doch noch ein Licht am Ende des Tunnels, ein wenig Hoffnung? Lilian zeigt sich fast schon fröhlich erleichtert, all den Ballast abwerfend. Eine im flotten Midtempo gehaltene Strophe, ein melodischer, mitreißender Refrain und ein noch ergreifenderer Mittelpart. Genial!

Die Hoffnung erfährt ein jähes Ende mit Starless Paths. Wie bei Godforsaken wird auch hier die Abwechslung großgeschrieben. Ruhige, düstere Parts wechseln sich mit fast schon Black metallischer Raserei ab. Mehr als bei den anderen Songs werden den ergreifenden Melodien etwas mehr Platz eingeräumt. Ein monumentales Meisterwerk.

The Unrest stammt aus der Feder von Jani Liimatainen, der mit seinem Solodebütalbum vergangenes Jahr definitiv zu überzeugen wusste. Ein reiner Akustiksong, der mit seiner Lagerfeuerromantik nicht unbedingt zum übrigen Material passt und mich bei jedem Durchlauf – warum auch immer – an Simon & Garfunkel erinnert …

The Rapids beschließt Anno 1696 würdig, genauso wie es begonnen hat. Düster, knüppelhart, hoffnungslos.

Insomnium – Anno 1696
Fazit
Insomnium schlagen mit Anno 1696 ein dunkles Kapitel ihrer Heimat auf. Musikalisch wurde das Thema entsprechend umgesetzt. Rausgekommen ist das düsterste, abwechslungsreichste und vielleicht sogar härteste Album der Bandgeschichte. Wer Heart Like A Grave aufgrund seiner hohen Melodiedichte geliebt hat, könnte mit dem neuen Album leichte Anlaufschwierigkeiten bekommen. Die Melodien sind hier wesentlich spärlicher gesät, aber dennoch effizient eingesetzt. Anno 1696 ist ein spannendes Album, welches neue Facetten der Band offenbart und mit Interesse verfolgen lässt, welche Richtung Insomnium in Zukunft einschlagen werden.

Anspieltipps: Godforsaken, Lilian & Starless Path
Christian K.
9
Leser Bewertung12 Bewertungen
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