Kardashev – The Baring Of Shadows

Eine musikalische Achterbahnfahrt

Artist: Kardashev

Herkunft: Tempe (Arizona), USA

Album: The Baring Of Shadows

Spiellänge: 51:43 Minuten

Genre: Progressive Metal, Deathcore, Shoegaze, Post Rock, Atmospheric Black Metal

Release: 07.05.2021

Label: Metal Blade Records

Link: https://www.facebook.com/Kardashevband

Bandmitglieder:

Gesang – Mark Garret
Gitarre – Nico Mirolla
Bassgitarre – Alexander Adin Rieth
Schlagzeug – Sean Lang

Tracklist:

  1. A Frame. A Light.
  2. Snow-Sleep
  3. Torchpassing
  4. Heartache
  5. A Frame. A Light. (Instrumental)
  6. Snow-Sleep (Instrumental)
  7. Torchpassing (Instrumental)
  8. Heartache (Instrumental)

Als ich in unserem Reviewpool dieses Album von Kardashev entdeckte, musste ich zunächst mal überlegen. Ich hatte mir nämlich beim monatlich stattfindenden Bandcamp Friday im August letzten Jahres die komplette Diskografie dieser Band zugelegt, und da war The Baring Of Shadows schon dabei. Das Album war bereits am 12.05.2020 auf Bandcamp veröffentlicht worden. Aber ein Blick auf die Trackliste genügt, um die Bedeutung dieses Releases zu verstehen. Kardashev haben bislang von allen EPs bzw. Alben immer auch eine instrumentale Version veröffentlicht. Dieses Mal gibt es die instrumentalen Tracks aber nicht als eigenes Album, sondern direkt zusammen mit den „normalen“ Ausführungen auf einem gemeinsamen Album. Das wird dann wohl das erste Album sein, das ich nicht über Bandcamp beziehe. 😀 Es ist auch das erste Album, das Kardashev nach der Vertragsunterzeichnung mit Metal Blade Records veröffentlichen. Die ersten Arbeiten für ein neues Album laufen, geplant ist eine Veröffentlichung im kommenden Jahr.

Seit einem Jahrzehnt sind Kardashev jetzt am Start, wobei von der ursprünglichen Besetzung nur noch Mark und Nico dabei sind. Für Alexander und Sean ist The Baring Of Shadows das erste Album mit Kardashev. Für mich macht tatsächlich auch genau Mark die Songs dieser Band so unverwechselbar. Was er mit seiner Stimme da alles treibt, hat mich gleich beim ersten Mal vom Stuhl gehauen. Trotzdem haben auch die instrumentalen Versionen der Songs von Kardashev ihre absolute Berechtigung. Wenn man dem großartigen Gesang von Mark lauscht, könnte man nämlich tatsächlich den Beitrag der Instrumentenfraktion vernachlässigen, und das wäre sehr schade. In den instrumentalen Versionen kriegen die drei Männer dann die Aufmerksamkeit, die sie definitiv verdienen.

In den vier Songs auf The Baring Of Shadows geht es um Verlust, Schmerz und Trauer aus der Sicht einer einzelnen Person. Auch wenn sie das, was sie hier besingen, nicht selbst erlebt haben, haben Mark und Nico versucht, sich in die Gefühlswelten hineinzuversetzen, die man zum Beispiel durchlebt, wenn man einen geliebten Menschen auffindet, nachdem er Selbstmord begangen hat. Man hat die Zeichen gesehen, aber nicht erkannt, und so kommt man zu spät (A Frame. A Light.).

Wer sich über die vielen unterschiedlichen, teilweise sogar konträren Genres wundert, die ich oben genannt habe und die von Kardashev selbst als Deathgaze zusammengefasst werden, wird vielleicht beim ersten Song, dem sehr getragenen A Frame. A Light. noch nicht so 100%ig fündig. Hier ist der Gesang ziemlich in den Hintergrund gemischt, wobei man die drei Gesangsstile von Mark natürlich schon heraushört. So bewegen sich Kardashev hier musikalisch vorwiegend im Post Rock, woran auch die Growls und Screams eher nichts ändern, weil sie tatsächlich sehr verhalten durch die Klangwand stoßen, die die Instrumentenfraktion aufbaut.

Was ein Kontrast dazu das großartige Snow-Sleep! Auch in eher langsamem Tempo gehalten brilliert der Song mit seinen Wechseln zwischen verträumten Passagen und wahren Death Core-Explosionen mit Growls, Doublebase und Blastbeats. Wie groß der Einfluss von Marks Gesang ist, hört man hier allein in den ruhigen Passagen. Singt er mit seiner wunderbaren Klarstimme, denke ich an den musikalischen Output von Sängern wie Ashe Austin O’Hara (ex-Tesseract, Voices From The Fuselage) oder Ben Harris-Hayes (Enochian Theory, Oceanica). Wechselt Mark in den ruhigen Parts zu Screams, geht der Blick in die weite Welt des Atmospheric Black Metal. Das hierzu veröffentlichte Video erfasst sehr eindrücklich, worum es in Snow-Sleep geht.

Während die ersten beiden Songs noch stramm auf die Acht-Minuten-Marke zumarschieren, lassen es Kardashev mit den beiden folgenden Songs kürzer, aber nicht weniger versiert angehen. Und wie schon Snow-Sleep kommt auch Torchpassing mit einem furiosen Wechsel aus großartigen Soundlandschaften und der Härte des Death Core daher. Hier wurde der Klargesang von Mark teilweise so oft gelayert, dass es klingt, als ob er als Echo zurückgeworfen wird und so fast ein ganzer Chor entsteht. Und der Kontrast zwischen Growls und den parallel erklingen Clean Vocals könnte natürlich größer nicht sein. Der Songtitel ist schon sehr passend für das, womit sich der Song beschäftigt. Man sitzt am Sterbebett eines Elternteils und versucht, der Mutter oder dem Vater die Gewissheit zu geben, dass sie dem Tod nicht mit Angst und Sorge gegenübertreten müssen, sondern mit Gelassenheit entgegensehen dürfen.

Heartache ist der kürzeste, aber zugleich auch der wuchtigste und für mich der intensivste Song des Albums. Hier gibt es wenig Klargesang, die Growls prasseln permanent aus den Boxen, und bis auf eine knapp einminütige, sehr ruhige, sehr reduzierte Bridge tobt hier auch musikalisch ein wahrer Orkan an Wut, Verzweiflung, Trauer und Einsamkeit. Ein gebrochenes Herz hat sicherlich jeder, der seine Partnerin/seinen Partner verloren hat und sein Leben nach dessen Tod allein weiterleben muss. Wenn dann noch Kinder mit zurückbleiben, wird es natürlich ungleich schwerer.

Bei manchen Songs anderer Bands denke ich ab und zu mal, dass eine instrumentale Version schon ziemlich interessant sein könnte. Normalerweise gibt es die selten, aber wie schon geschrieben, Kardashev haben bislang zu allen ihren Veröffentlichungen auch immer die instrumentalen Varianten geliefert. Und so lobend ich mich über den Gesang von Mark auch immer wieder geäußert habe, so wenig muss man ihn hier vermissen. Wenn man Kardashev hier als Post Rock-Band taggen würde, hätten sie aber wohl tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal, denn die Härte, die sie streckenweise in die Songs reinbringen, habe ich bislang noch bei keiner anderen Post Rock-Band gehört.

Kardashev – The Baring Of Shadows
Fazit
Das, was Kardashev machen, ist für mich tatsächlich wahnsinnig schwierig zu beschreiben, denn so virtuos, wie sie hier Genres miteinander verbinden, die sich eigentlich konträr gegenüberstehen, habe ich es bislang noch nicht erlebt. Ich könnte die Songs allerdings nicht nebenbei laufen lassen, und zwar weder die Standard- noch die instrumentalen Versionen. Das ist was für eine Auszeit, in der man alles auf stumm schaltet, was eine Unterbrechung bedeuten würde. Dann Kopfhörer auf, Füße hochlegen und genießen.

Anspieltipps: Snow-Sleep, Torchpassing und Heartache
Heike L.
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