Summer Breeze Open Air 2024 vom 14.08. bis 17.08.2024 in Dinkelsbühl – Samstag

Starker Abschluss mit Sodom, Heaven Shall Burn, Myrkur und Cult Of Fire

Veranstaltung: Summer Breeze Open Air 2024

Ort: Flugfeld des Aeroclub, Flugplatzstr. 1, 91550 Dinkelsbühl

Webpräsenz: Website, Facebook, Instagram

Datum: 14.08. – 17.08.2024

Kosten: Festivalticket ab 222 € (inkl. Camping und Vorverkaufsgebühr), Tageskarten 89,99 €.  Parkticket und Frühanreise (Dienstag) kostet extra.

Veranstalter: Silverdust GmbH

Besucher: ca. 45.000

Bands: Aborted, Acranius, Aetherian, Amon Amarth, Ankor, Architects, Asphyx, Before The Dawn, Behemoth, Blind Channel, Bodysnatcher, Brothers Of Metal, Brutal Sphincter, Burning Witches, Carnation, Cradle Of Filth, Crypta, Dear Mother, Delain, Disentomb, Dust Bolt, Dymytry, Dynazty, Eclipse, Einherjer, Enslaved, Ereb Altor, Exodus, Feuerschwanz, Future Palace, Green Lung, Ignea, Imperium Dekadenz, Insanity Alert, Insomnium, J.B.O., Kampfar, Lord Of The Lost, Megaherz, Memoriam, Mental Cruelty, Motionless In White, Nachtblut, Nakkeknaekker, Neaera, Necrophobic, Nestor, Paleface Swiss, Pest Control, Rise Of The Northstar, Robse, Rotting Christ, Samurai Pizza Cats, Spiritworld, Stillbirth, Subway To Sally, The Baboon Show, The Black Dahlia Murder, The Night Eternal, The Ocean, Thron, Unprocessed, Viscera, Warkings

Abgesagt: After The Burial, Spiritworld, Ten56, Evil Invaders

Summer Breeze Open Air 2024 Poster

Übersicht – Direkt zu unseren Highlights vom Summer Breeze Open Air 2024

🎶Alles hat ein Ende nur das Breeze hat … vier, jawoll mein Schatz, gib mir ein Bier🎶Oder so ähnlich. Der letzte Tag vom Summer Breeze Open Air ist angebrochen und hält auf allen vier Bühnen nochmals ein saftiges Programm bereit. Die ersten Menschen bauen bereits fleißig am frühen Vormittag die Zelte ab und hinterlassen – wie anfangs erwähnt – ein sagenhaft sauberes Gelände. Die zahlreichen Wespen denken leider nicht daran, das Summer Breeze zu verlassen und sorgen bei vielen Festivalfans für panisches Herumfuchteln. Wenn Wespen Rauch und damit Zigarettenrauch tatsächlich als Gefahr interpretieren und dadurch aggressiv werden, kann man den fliegenden Plagegeistern nur bedingt einen Vorwurf machen. Denn außerordentlich viele Festivalfans rauchen und vapen. Zahlreich ist in diesem Jahr übrigens auch wieder die Dichte an Rammstein-Shirts. Ab aufs Infield.

Samstag, 17.08.2024

Noch mal richtig Gas geben

Mein Kiefer schmerzt wie Hölle, nachdem mein Kinn am Vortag leider Bekanntschaft mit dem Knie einer Crowdsurferin gemacht hat. Kauen und ordentlich essen funktioniert nicht, aber zum Bier trinken ist das irrelevant. Und wenn ich beim Sprechen die Zähne nicht auseinanderbekomme, nuschele ich eben so wie die ersten Alkoholleichen lallen. Eigentlich wollte ich zu den Sanis, aber Rise Of The Northstar spielen jetzt auf der Main Stage.

Die Franzosen haben ein famos buntes Manga-Backdrop aufgehangen und das Schlagzeug mit einem Kirschbäumchen dekoriert. Das macht direkt Laune, selbst wenn das lichte Publikum Verwunderung auslöst. Haben echt nicht mehr Menschen Lust auf ein bisschen Sa-sa-sa-sa-sa – Samurai Spirit? Doch keine Sorge, es füllt sich rascher als ein Bierbecher. Rise Of The Northstar begrüßen das Publikum und stellen sich mit den Worten „We are representing everybody“ vor – sympathisch. Selbst wenn die Fans nach vier bzw. drei Tagen Feiern unter glühender Hitze sichtbar platt sind, dauert es nicht lange, bis der erste Pit formiert und Surfer:innen in der Luft sind. Fronter Victor „Vithia“ Leroy führt routiniert durch das Konzert und tänzelt geschmeidig über die Bühne, muss anfangs aber um mehr Sound auf dem Monitor bitten. Gitarrist Brice Gauthier trotzt den Temperaturen und steht wie immer mit Maske auf der Bühne. Schelmisch schiebt er seine Zunge durch den Mundschlitz und glänzt an den Saiten. Bockt!

Der Ausflug zum Sanitätszelt bringt die beruhigende Auskunft: „Nichts gebrochen, dürfte eine Kieferprellung sein. Aber wir prüfen, ob Sie eine Gehirnerschütterung haben.“ Es folgen Fragen zu meinem Namen (den kenne ich), meinem Wohnort (den auch, hurra) und schließlich: „Welcher Tag ist heute?“ Leicht panisch wühle ich in meinem Hirn. Ist heute Freitag? Nee, ist ja schon der letzte Tag vom Summer Breeze. Also, öhm, Sams…? Samstag! Der Arzt lacht und meint: „Alles gut, aber heute mal besser Wasser als Bier trinken.“

Statt Schmerztabletten darf die Death-Walze Acranius ran, um mich an der Wera Tool Rebel Stage zu beflügeln. Die Rostocker loben das Summer Breeze als geilstes Festival in ganz Deutschland und animieren die Fans zu einem mächtigen Pit.

Bei Unearth an der T-Stage knackt es erst einmal eklig aus den Lautsprechern, was der Stimmung allerdings nicht bedrohlich werden kann. Die Menge hat Bock auf die Metalcore-Urgesteine, die sich an ihre erste Tour mit Heaven Shall Burn vor 24 Jahren erinnern und einen Shoutout an den heutigen Headliner raushauen. Während Band und Extremsportler:innen im Pit alles geben, spielen andere auf dem Boden sitzend gemütlich Karten.

Keine Ahnung, wie sie das machen. Aber Orden Ogan machen auch Spaß, wenn man mit Power Metal wenig anfangen kann. Die Band hat das neue Album The Order Of Fear im Gepäck und lockt eine eindrucksvolle Menschenmasse vor die Main Stage. Sänger Sebastian „Seeb“ Levermann pflegt einen maximal sympathischen Umgang mit dem Publikum, mit dem er scherzhaft schimpft, wenn die Reaktionen nicht laut genug ausfallen, und schmiert den Leuten liebevoll Met ums Maul. Zu Moon Fire teilt er das Publikum in Mond („Ihr schreit jetzt ‚Moon'“) und Feuer („Und was ruft ihr? Genau: ‚Fire‘!“), das generell inbrünstig mitsingt. Überall bilden sich Gruppen aus Headbanger:innen, die wild mit den Köpfen kreisen. Da nicht alle textsicher und Levermann generell zu leise sind, bietet er „Biiiiiiier“ als Platzhaltertext an. Funktioniert! Kollektives Grinsen löst auch die Aufforderung aus, bei Gunman mitzufilmen („Unsere Plattenfirma sagt, wir sind scheiße auf Social Media – filmt mal mit.„).

Spiritbox, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Christian Melchinger.
Spiritbox, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Christian Melchinger.

Es bleibt voll vor der Main Stage, denn die immens populären Spiritbox sind zum Summer Breeze gekommen. Auch Heaven Shall Burn Gitarrist Maik Weichert wird im Publikum gesichtet. Fast unscheinbar betreten Spiritbox die Bühne. Frontfrau Courtney LaPlante kommuniziert zögerlich mit dem Publikum, Gitarrist Mike Stringer blickt finster drein und wirkt unglücklich. Es dauert eine Weile, bis die kanadische Band in Bewegung kommt und die anfangs verhaltene Stimmung herumreißt. Das Publikum goutiert vor allem die härteren, vertrackten Stücke. Flächendeckend will der Funke allerdings nicht überspringen. Vielleicht sind viele Fans mittlerweile dann doch einfach zu kaputt.

Sodom, Summer Breezer 2024, Pic by Mario Toerlitz
Sodom, Summer Breeze 2024, Pic by Mario Toerlitz

Sodom spielen heute Wunschkonzert. Wie beim Party.San Metal Open Air konnten die Fans im Vorfeld ihre zehn Lieblingslieder der deutschen Thrash-Institution einreichen. Die meistgewählten Tracks landeten in der Setlist. Hm, ob das Konzert wohl gut bei den Fans ankam? Fragen wir doch unseren Time For Metal-Fotografen Mario: „Geiler Shit! Unglaublich geil! The Crippler, Jabba The Hut, Bombenhagel, Ausgebombt, Agent Orange, Wachturm! Nur Knaller! Sodom schlagen ein wie eine Bombe und hinterlassen Krater im Moshpit und glückliche Gesichter im Publikum.

Venues sind für die Campsite Circus Stage schon viel zu groß und hätten locker auch die Wera Tool Rebel Stage gefüllt. Aber egal, die Stimmung ist gut. Schon beim Soundcheck johlt die Menge und überfeiert den Tonausfall zu Beginn des Sets der Stuttgarter. Bereits beim zweiten Track ist die Arbeit der Grabenschlampen gefragt, im Publikum lassen die Fans Seifenblasen und Crowdsurfer:innen steigen. Venues bringen ihre harten und ruhigen Stücke gleichermaßen gekonnt ins Publikum. Sängerin Lela Gruber nimmt sich Zeit, um die Bedeutung einiger Stücke zu erläutern und hat eine simple Botschaft mitgebracht. „Habt euch gern, habt euch lieb und tanzt.“ Unterschreiben wir.

Wer gegen Heavan Shall Burn anspielen muss, kann es schon mit der Angst zu tun bekommen. Angstskríg nehmen es sicher mit Humor, denn das dänische Black-Metal-Duo ist überraschend scherzhaft aufgelegt. Wobei das Burzum-Shirt von einem Kerl in der ersten Reihe nicht unbedingt zum Lachen einlädt. Angstskríg verhelfen der unspektakulären Campsite Circus Stage zu einigem Glanz, da die Band auf zwei Bildschirmen Musikvideos und atmosphärische Visuals zeigt. Musikalisch gibt es mitunter punkigen Black Metal, der das gar nicht mal so kleine Publikum wiederholt dazu animiert, die Devil Horns in die frühen Abendstunden zu recken. Sogar ein zaghafter Pit kommt zustande, für den man laut Angstskríg ohnehin nur zwei Personen braucht. Am Schluss des Sets liegt reichlich Pitstaub in der Luft, die Dänen bedanken sich höflich auf Deutsch und wieder einmal bildet sich eine Schlange am Merch.

Heaven Shall Burn, Summer Breeze 2024, Pic by Mario Toerlitz
Heaven Shall Burn, Summer Breeze 2024, Pic by Mario Toerlitz

Auf der Wera Rebel Tool Stage lassen es Dymytry derbe krachen. Die tschechische Modern Metal-Band steht mit Kostümen, Masken, hierzulande mit anderem Sänger und englischen Lyrics sowie effektiven LED-Wänden auf der Bühne. Sie machen für all jene Besuchenden Party, die keine Lust auf den zugegeben pyrogewaltigen Rabatz von Heaven Shall Burn auf der Main Stage haben. Schlagzeuger Miloš „Mildor“ Meier hält die Menge mit einem ausladenden Drumsolo bei Laune, Gitarrist Jiří „Dymo“ Urban schlägt einhändig Räder auf der Bühne. Zum Abschluss erklingt Die Biene Maya Titelmelodie von Karel Gott, zu der alle mitsingen, die nicht gerade Fotos mit der Band knipsen.

Myrkur, Summer Breeze 2024, Pic by Mario Toerlitz
Myrkur, Summer Breeze 2024, Pic by Mario Toerlitz

Atmosphäre pur beschwören Myrkur hervor. Noch nie war ich so froh, Heaven Shall Burn zu verpassen. Sonst hätte ich dieses Konzert nicht in seiner Gesamtheit genießen können. Ähnlich wie vor Jahren Zeal & Ardor an der T-Stage für offen stehende Münder gesorgt haben, entführen Myrkur das Summer Breeze heute in ein heidnisches Traumland. Das Projekt der dänischen Künstlerin Amalie Bruun mischt nordische Folklore mit Black Metal und wird von ihrer stimmlichen Brillanz getragen. Live unterstützen sie Schlagzeug und Gitarre sowie eine weitere Sängerin am Keyboard. Elfenhafter Ritualgesang wechselt mit heftigen Riffattacken und Blast Beats, doch meist dominiert sphärische Feierlichkeit, die das Publikum dankenswerter gebührend respektiert. So ruhig war es noch nie in diesem Jahr. Ärgerlich, dass sich die Main Stage wie so oft störend bemerkbar macht. Kurz vor Schluss sorgen Myrkur für schräge Gänsehaut, als sie alle anwesenden Heid:innen einladen, um gemeinsam Odin zu huldigen.

Progressive Metal machte sich beim diesjährigen Summer Breeze selten bemerkbar, insofern richten Genrefans die Augen auf Unprocessed. Die junge Band aus Wiesbaden eifert gefühlt Polyphia nach und zelebriert saitenweise Fingerfertigkeit für ein leckeres Gebräu aus Djent, Pop und Synths. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – Korpiklaani gerade die Main Stage rocken, hat sich eine große Feiergemeinde an der Wera Tool Rebel Stage eingefunden, um noch mal richtig gut abzugehen. Es bleibt jedoch auch Zeit für Gefühl, wenn zahlreiche Smartphone-Taschenlampen zu Sacrifice Me einen Sternenhimmel unters Zeltdach leuchten.

Cult of Fire, Summer Breeze 2024, Pic by Christian Daumann
Cult Of Fire, Summer Breeze 2024, Pic by Christian Daumann

Was könnte besser zum Abschluss sein als „Atmospheric Metal with Hindu/Buddhist Themes“ (Eigendefinition)? Das versprechen die Tschechen Cult Of Fire, deren Vorliebe für ausdrucksstarke Shows viele neugierige Zuschauer:innen anlocken. Und Fans sowieso. Das Bühnenbild wird zu einem Tempel, in dessen Mitte ein mit allerlei Devotionalien eingedeckter Altar thront. Dahinter erhöht das Schlagzeug, an den Seiten der Bühne erheben sich bedrohliche Schlangenstatuen. Überall Rauch. Plötzlich sitzt jeweils eine Gestalt unterhalb der Schlangen. Im Publikum wird gerätselt: „Sind das da Puppen? Nee, das ist doch der Gitarrist. Aber das sieht aus wie ’ne Puppe, der andere auch, da zuckt einfach nur die Hand. Doch, das sind Menschen, guck mal, hat sich doch bewegt. Aber sitzen die da echt die ganze Zeit im Schneidersitz? Ich glaub‘ die stehen und die Props verschleiern das.“ So erschafft man Atmosphäre. Mittlerweile ist Sänger Vojtěch Holub hinter dem Altar aufgetaucht und leitet das Konzert ein. Sein bitterböses Gekeife untermalt er mit rituellen Handbewegungen und macht sich am Altar zu schaffen. Aus einem Krug gießt er eine leuchtende Flüssigkeit über eine Figur, umgeben von Rauchschwaden und dem abwechselnd lichtdurchfluteten, neogrün-violetten Bühnenbild. Das Konzert entfacht eine hypnotische Anziehungskraft, das sich fairerweise dem Vorwurf „Style over Substance“ stellen muss. Für uns sind Cult Of Fire jedenfalls ein herrlicher Ausklang von der T-Stage, der noch lange im Gehirn herumwuselt.

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Beteiligte Mitarbeitende

  • Christian Daumann (Text)
  • Christian Melchinger (Bilder) | OutRoar.de
  • Mario Toerlitz (Bilder)