Eventname: Tour 2025
Band: The Hirsch Effekt
Ort: Backstage München (Club)
Datum: 02.04.2025
Kosten: 30,- € VVK
Genre: Artcore
Besucher: ca. 70
Veranstalter: Backstage München
Mit ihrer einzigartigen Mischung aus Hardcore, melodischem Metal und deutschen Texten sind The Hirsch Effekt ohne Zweifel ein Projekt, das einem im Gedächtnis bleibt, vor allem wenn man das Glück hat, einem ihrer mitreißenden Auftritte beiwohnen zu dürfen. Der Zugang zu der vertrackt-komplexen und corelastigen Grundsubstanz wird dabei – auch das ist ein Kernmerkmal ihrer Musik – immer wieder durch schwelgerische Melodien erleichtert. In Verbindung mit den gern interpretationsoffenen und zum Teil hochemotionalen Lyrics stellt das Trio durchaus einen gewissen Anspruch an seine Hörerschaft, und wenn es einen Preis für die sympathischste Band gäbe, dann ginge er mit ziemlich großer Sicherheit des Öfteren nach Hannover.
Das letzte Mal durfte ich The Hirsch Effekt am selben Ort vor fast einem Jahr im Mai 2024 erleben, damals als Vorband der Australier von Caligula’s Horse, am heutigen Abend spielen die Jungs exklusiv und sind der einzige Act. Die unbenannte Tour führt die Band im März und April 2025 durch insgesamt 17 deutsche Städte, München ist der erste April-Termin und leitet als viertletzter Gig auch fast schon wieder das Ende der Konzertreihe ein. Der letzte Output Urian ist seit zwei Jahren draußen, neue Songs sind also nicht zu erwarten, dafür verspricht die Band die Aufführung von Stücken aus besagtem Album, die bisher nicht live zu erleben waren, zusammen mit einer bunten Mischung aus den zahlreichen Vorgänger-Scheiben.
Ohne Anheizer verwundert es kaum, dass der Start erst für halb neun angepeilt ist. Die junge Frau am Merchstand, die sich später auch noch mit Kamera vor der Bühne einfinden wird, erzählt ein bisschen von den vergangenen Gigs, von denen Köln und Berlin wohl recht gut besucht waren, was jedoch nicht für alle Termine gilt. Ich gönne mir noch ein alkoholfreies August und dann ist es so weit.
Absolut pünktlich entert eine gut gelaunte Band die Bühne des Backstage Clubs, nach dem Intro vom Band gibt’s umgehend mit Fixum vom 2015er Holon : Agnosie ordentlich auf die Zwölf.
Die Enge der Club-Bühne hält Sänger Nils nicht davon ab, unermüdlich in Bewegung zu sein, er wird wie gewohnt die meisten Meter machen, während Ilja nur ab und zu für eine vertikale Nebeldusche auf den Rauchwerfer mit Fußschalter steigt und Moritz natürlich hinter seinen Drums gebunden bleibt.
Nach der gewohnten, anfänglichen Leere im Publikum, die sich bei meinem Eintreffen vor der Bühne breit machte, ist die Menge inzwischen zu einer lockeren, aber flächendeckenden Präsenz angewachsen. Kein ausverkaufter Abend zwar, aber auch alles andere als ein Trauerspiel, für einen Mittwoch keine Selbstverständlichkeit.
Es ist, wie gesagt, nicht der erste Auftritt hier im Backstage Club, Nils freut sich sichtlich über die Resonanz, erinnert zwischen zwei Songs an die vergangenen Gigs hier und erwähnt ein vor Ort aufgenommenes Bild vom zehnjährigen Jubiläum im Jahr 2018, das in seinem Wohnzimmer hängt. Er lässt dabei keinerlei Zweifel an der unaufgeregten Liebeserklärung aufkommen, die dem Münchner Publikum hier gemacht wird. The Hirsch Effekt kommen gern hierher, und diese Liebe beruht nicht nur heute Abend absolut auf Gegenseitigkeit.
Wie angekündigt gibt es Material von Urian, das ich noch in keiner früheren Setlist entdeckt habe, namentlich Stegodon und 2054, während Otus und der Titeltrack inzwischen quasi schon alte Bekannte sind.
Das Stroboskop tut, was es kann, um die wilden Eruptionen der Klangfraktion auch optisch zu untermauern. Auch wenn es das Fotografieren nicht per se einfacher macht – immerhin gibt es für ein paar kurze Momente mehr als genug Licht, und auch der erwähnte On-Demand-Nebel verzieht sich schnell, sodass ein paar ordentliche Schüsse glücken.
Erwartungsgemäß kommen im Verlauf Klassiker wie Berceuse, Lifnej und Agnosie zu Gehör, ebenso wie Tardigrada von der Eskapist-Scheibe. Dafür fehlt Inukshuk, das bei der letzten Tour noch mit am Start war. Kein Grund zur Kritik, der Abend bietet genügend Raum für eine wirklich ausgiebige Werkschau, und es ist für jeden etwas dabei. Dass die Menschen um mich herum immer wieder Teile der Songs mit geschlossenen Augen mitsprechen, macht abermals klar: Das sind nicht nur verirrte Zufallsbesucher, die Fanbase im Süden ist stark!
Als die Band nach Cotard von der Bühne geht, ist klar, dass das noch nicht ganz der Abschied sein wird. Nils kommt mit Akustikklampfe zurück auf die Bühne und performt allein und mit toller Stimme das berührend-traurige Datorie von Holon : Anamnesis, eine Reflexion über getrennte Lebenswege. Gänsehaut!
Mit Agitation endet das Set, und München gibt der Band deutlich zu verstehen, dass man gern noch eine Weile weitermachen könne, mindestens aber recht bald wiederkommen solle.
Wenn ich darf, werde auch ich dann wieder mit dabei sein. Danke an The Hirsch Effekt für einen der kurzweiligsten Mittwochabende, die man sich vorstellen kann!