Eventname: Arcane Ceremonies 2024
Headliner: Dornenreich
Vorband: Ellereve
Ort: Spitalkirche Pfaffenhofen
Datum: 11.10.2024
Kosten: 25 € VK / 35 € AK
Genre: Alternative, Avantgarde
Besucher: ca. 70
Veranstalter: MetalCrew Kultur e.V. Pfaffenhofen
Setlisten:
- Cosmos
- If Only
- In Infinite Light
- Falling Like Raindrops
- Irreversible
- I Am Enough
- Somewhere
- The Funeral
- Colorblind
- The Empty Chair
- Intro
- Freitanz
- Meer
- Dem Wind Geboren
- Der Hexe Nächtlich’ Ritt
- Der Freiheit Verlangen Nach Goldenen Ketten
- Flügel In Fels
- Innerwille Ist Mein Docht
- Drang
- Aufbruch
- Traumestraum
- Erst Deine Träne Löscht Den Brand
- Dein Knöchern’ Kosen
- Jagd
- Ich Bin Ein Stern
- Reime Faucht Der Märchensarg
- Outro / Untitled
Wenn Kirchen ihre Türen für Musik abseits sakraler Gesänge öffnen, dann ist das – wenn auch heutzutage nicht mehr unbedingt ungewöhnlich – ein Zeichen erfreulicher Offenheit weltlichen Dingen gegenüber und zudem oft ein Hinweis darauf, dass eine ganz besondere Performance bevorsteht, nicht zuletzt aufgrund der besonderen akustischen Gegebenheiten.
Dornenreich sind zum zweiten Teil ihrer Arcane Ceremonies 2024 Tour angetreten, die das Duo nach dem Auftakt in Graz und Wörgl im September nun im Oktober für vier weitere der raren Akustikshows nach Deutschland bringt, zwei davon in Gotteshäusern, einmal in Heilbronn und einmal in Pfaffenhofen an der Ilm, unweit von München. Im nächsten Jahr werden weitere Termine folgen.
Ebenfalls am Start: Ellereve, eine junge Künstlerin, die mit ihren düster-melancholischen Rocksongs bereits aufhorchen ließ, und die zusammen mit zwei Livemusikern an Gitarre und Cello bereits seit April auch mit Hexvessel unterwegs war und bald mit The Vision Bleak wieder sein wird, um stromlose Varianten ihrer Songs zu präsentieren.
An diesem Freitagabend geht’s für uns nun zum vorletzten der diesjährigen Termine in die Spitalkirche Heilig Geist, einer katholischen Saalkirche im Herzen der kleinen Gemeinde Pfaffenhofen an der Ilm, etwa eine Stunde von München entfernt. Eingeladen hat der ortsansässige MetalCrew Kultur e.V., die Stimmung bei Ankunft ist locker und freundlich, eine Handvoll vornehmlich schwarz gekleideter Menschen steht im Eingangsbereich oder sitzt auf Bierbänken neben einem kleinen Getränke- und Snackpavillon.
Der heutige Auftritt ist der Einzige, der weder ausverkauft noch mit einem Hinweis auf knapp werdende Karten versehen war, dennoch sieht es definitiv nicht so aus, als müssten die Kirchenbänke leer bleiben.
Wir dürfen als Erste das Kirchenschiff entern und ergattern einen Platz in der ersten Reihe. Die Kniebänke sind hochgeklappt, trotzdem wird es auch im Sitzen ein auf Dauer schmerzhafter Aufenthalt. Zudem bollert direkt unter der Bank die Heizung fröhlich vor sich hin und meint es – auch wenn es draußen durchaus herbstlich-kühle Temperaturen hat – ein wenig zu gut.
Auf der linken Seite, vor dem Antonius-Altar, ist ein kleiner Tisch mit Merchandise aufgebaut, einen Bierstand sucht man im Gotteshaus wenig überraschend vergebens.
Kurz vor 19 Uhr wird es dunkler, und die drei Ellereve-Musiker betreten den mit grünen Ranken und schwarzen Kerzen geschmückten Chor.
Mit ihrem Debüt Reminiscence hat sich die Künstlerin, deren Stimme mich stellenweise wirklich frappierend an Emma Ruth Rundle erinnert, bereits letztes Jahr auf dem Wave Gotik Treffen in viele Fanherzen gespielt, und wenig überraschend erleben wir auch hier und heute einen Großteil der Stücke dieses Albums. Ein zweites Album steht für 2025 ebenfalls auf dem Plan, für das entsprechende Crowdfunding liegen auf den Plätzen kleine Kärtchen mit einem QR-Code.
Los geht es mit Cosmos, ein Stück, das auch bei voller Instrumentierung, mit Schlagzeug, Bass und Violinen, zerbrechlich und zugleich intensiv wirkt und nun im reduziert-akustischen Gewand einen gesteigerten Hauch Intimität mitschwingen lässt. Mit Irreversible erlangt dann inmitten des abwechslungsreichen Sets auch ein brandneuer Song Gehör.
Neben Sängerin Elisa Giulia und Cellist Johannes bezaubert uns Gitarrist Chris, den man bereits von Bands wie Asphagor, Agrypnie oder Perchta kennen könnte, an der Akustikklampfe. Die Musiker haben sichtlich Freude an diesem Auftritt, die Spitalkirche ist wie gemacht für diese Art von Darbietung und lässt jede Nuance der gefühlvollen Songs von Ellereve zur Geltung kommen.
Unendlich schade, dass es nicht noch weitaus mehr Gemeinden gibt, die ihre wunderbaren Gottesbauten der profanen Kunst öffnen, geradezu betörend schön sind die leicht verhallten, klaren Klänge, die sich im barocken Tonnengewölbe verfangen, akustisch passt hier einfach alles, und wir sitzen mit geschlossenen Augen im Halbdunkel, gefangen in dieser berührenden Darbietung.
The Empty Chair beschließt den Auftritt, und ich begebe mich zum Merch-Altar, um mir die im letzten Herbst erschienene Akustik-CD Funeral Songs zu holen, die eine konservierte Variante des soeben Erlebten verspricht.
Wenig später ist es Zeit für Dornenreich, die ich zugegebenermaßen sowohl für ihre metallisch-brachialen als auch für die leisen, rein akustischen Auftritte schätze.
Gemein ist den Songs der Österreicher seit jeher die große Bandbreite emotionaler und damit einhergehend auch klanglicher Dynamik, die sich – unabhängig von der Instrumentierung – im Wechselspiel geflüsterter Zurückhaltung und orkanartiger Ausbrüche manifestiert. Die immer präsente Geige Inves schafft es mühelos, dem lyrischen Veitstanz von Sänger Eviga die passenden Streichereinheiten mitzugeben.
In der hörbaren Intimität des sakralen Längsraums, in dem man jedes Atmen und jeden Saitenstrich unmittelbar und nah erlebt, wachsen die Stücke, die von frühen, schwarzmetallischen und zum Teil selten gespielten bis hin zu den aktuelleren, geschliffeneren reichen, zu einer Größe, die auch die lauteste E-Gitarre mit Verzerrer nicht zu erreichen vermochte.
Es erklingen Der Hexe Nächtlich Ritt, Freitanz, Erst Deine Träne Löscht Den Brand, Traumestraum vom Album Freiheit, Flügel In Fels, Meer und Aufbruch von In Luft Geritzt, ebenso wie das frühe Reime Faucht Der Märchensarg und die Herman-Hesse-Vertonung Ich Bin Ein Stern als Zugaben.
Auch dieser Auftritt offenbart einmal mehr die Stärke der Dornenreich-Songs, die auch reduziert auf Akustikgitarre, Geige und minimalistische Percussions nicht das Geringste ihrer Seele einbüßen oder verleugnen müssen, ja zum Teil sogar noch an Intensität dazugewinnen.
Wie zu erwarten, hallt der Beifall dann auch in der etwas zu drei Vierteln besetzten Kirche noch lange nach, stehender Applaus für eine außergewöhnliche Band, an einem außergewöhnlichen Abend.
Danke an beide Bands und natürlich den MetalCrew Kultur e.V. Pfaffenhofen für dieses einzigartige Erlebnis!