Dreißig Jahre „Dead Skin Mask“ – Slayers „Seasons In The Abyss“ hat die fette drei vorne stehen

Wenn du mit den Toten in deinen Träumen tanzt. Die Entdeckung der Heavyness und das Ende der Magie.

1990 war (ensembleeeee :-)) für den Metal schon ein echt starkes Jahr.
AC/DC schmeißen The Razor’s Edge auf den Markt und verleihen dem Wort „Thunder“ einen kometenhaften Aufstieg. Iced Earth stellen meine ganz persönliche Welt mit ihrem Debüt auf den Kopf und Judas Priest veröffentlichen mit Painkiller eine der wichtigsten Referenzscheiben für klassischen Heavy Metal (und stoßen das Drumfill von Phil Collins In The Air Tonight mit ihrem Intro zum Titelsong mit Leichtigkeit vom Thron).
Obituary, Kreator, Iron Maiden, Gamma Ray, Anthrax, Tiamat und Sodom veröffentlichen gute bis sehr gute Alben, sogar Jon Bon Jovi kann mit seinem Blaze Of Glory-Soundtrack bei mir punkten.

War noch etwas?

Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als mein damaliger Schulfreund und Metalbuddy Olli irgendwas von „Ey du Nase, kennste Slayer? Hömma rein“ faselte. Also her mit dem Walkman-Kopfhörer und auf „Play“ gedrückt. Es war eine Liveplatte, und da die Decade Of Aggression erst später rauskam, war es dann wohl die Live Undead von 1984.
Ich muss gestehen: Mich hatte das damals nicht gekickt. Zu wenig Melodie, viel zu hektische Soli und Tom Arayas Gekeife ging mir auf die Nerven.
Thema erledigt.

Erst zwei oder drei Jahre später war es dann eine andere Metal-Klassenkameradin (hallo Simone), die mir schon wieder mit dieser Kapelle kam.

Hey Andi, wie findest du denn das hier von Slayer?“ fragte sie.
Nun, ich fand Simone echt toll, also was blieb mir anderes übrig, als einen auf Pinocchio zu machen?

Ok, ich mag Slayer totaaaaal, was hast du denn da?“

Walkman… Kopfhörer… Play-Taste…

Dead Skin Mask.

(Un)heilige Scheiße, was zum Teufel ist DAS denn bitte?
Dieses ultraböse Gitarrenintro, die nichts Gutes erahnen lassenden Tom-Schläge, die bedrohlich-langsame Double Bass, „How I’ve waited for you to come„.
DAS war heavy, verdammt heavy. „Graze the skin with my fingertipps„.. wie brutal kann man diese Worte eigentlich singen?

Okay, ich musste meine Meinung zu Slayer wohl noch mal überdenken.

Sag mal, Simone, kannste mir die Kassette eventuell mal ausleihen? Und..äh.. wie heißt das Album eigentlich?

Da war sie also nun in meinen Händen: Slayers Seasons In The Abyss. (Nicht Simone, das dauerte noch zwei Jahre)

Kaum zu Hause angekommen, musste ich mich unbedingt genauer mit der Scheibe beschäftigen.

Der Opener War Ensemble klingt eben so, wie man es von Slayer erwartet. Dave Lombardos Drumming ist eben nicht von dieser Welt. Ultrapräzise und schnell, peitschend und so dermaßen auf den Punkt, dass man es manchmal nicht glauben kann. Niemand beherrscht diese Fills und Läufe so gut, wie er.

Blood Red läutet dann die – für mich – stärkste Seite von Slayer ein. Natürlich können die Kalifornier nach vorne losthrashen bis der Arzt kommt. Haben sie spätestens mit der Reign In Blood bewiesen. Und düster-verstörend ist auch kein Problem, siehe South Of Heaven.

Richtig HEAVY wurde es aber erst auf der Seasons In The Abyss. Und auch danach nie wieder so ausgeprägt wie im Jahr 1990.
Nun, den Übersong Dead Skin Mask erwähnte ich ja bereits.

Etwas weiter hinten taucht dann noch Skeletons Of Society auf. Was für ein KILLER!
Das Strophenriff ist gar nicht mal soweit von Metallicas Black Album entfernt, die ja dann auch irgendwann diese trockene, etwas gedrosselte Härte für sich entdeckt haben.
Lombardos minimal nachgezogener, schleppender Rhythmus verleiht dem Song diesen gnadenlosen Groove, der durch das präzise, abgedämpfte Riffing noch mal verstärkt wird. Während ich diese Zeilen tippe, dröhnt es gerade aus den Boxen und ich schreibe jedes Wort gerade mit einer meterdicken Gänsehaut.

Der kleine Bruder Spirit In Black setzt sich genauso fest wie das hypnotische, von den Vocals her an White Zombie erinnernde Expendable Youth.
Erwähnte ich eigentlich schon diesen Mittelteil von Temptation? Der Song weiß anfangs nicht so richtig, wohin die Reise gehen soll, bis er nach etwas mehr als zwei Minuten für eine hundertprozentige Headbanggarantie sorgt.

Hallowed Point lockert die wahnsinnige Heavyness dann durch sein Highspeed-Tempo auf, ähnlich wie die Granate Born Of Fire (BOOORN OF FIIIRE.. was haben wir den „Refrain“ damals mitgegrölt.)

Der Titelsong, mit etwas mehr als sechseinhalb Minuten auch das längste Stück, schleppt sich böse-düster, mit dunklem Sprechgesang und akustischen Gitarren untermalt, unaufhaltsam in Richtung „Ende“ und schließt die Scheibe nach einer knappen Dreiviertelstunde mit einem lang gezogenen Feedback ab.

Für mich endet die „magische“ Ära von Slayer mit genau diesem Song. Die folgende Platte Divine Intervention fand ich, im Gegensatz zu vielen anderen, noch ganz ok, danach habe ich aber irgendwie den Bezug zur Band verloren.

Im Grunde wurde zu diesem Zeitpunkt auch schon alles gesagt. Von den stark von Venom beeinflussten Anfängen, über die Thrash-Referenzscheibe Reign in Blood und die böse South Of Heaven hin zur Seasons In The Abyss. Viel perfekter kann man harten Metal nicht spielen.