Event: Ellende – Scherben Tour 2024
Bands: Ellende, Servant, Groza
Ort: Backstage München (Halle)
Datum: 02.10.2024
Kosten: 28,-€ VK
Genre: Black Metal
Zuschauer: ca. 200 Besucher
Veranstalter: Backstage München
Hauptanlass für das heutige Stelldichein im Backstage München sind die kürzlich auf AOP Records erschienenen Alben zweier Bands, die ich schon seit Jahren mit Begeisterung verfolge, und deren letzte Performance, der ich beiwohnen durfte, jeweils schon ein paar Jahre her ist. Die Rede ist von Groza, die gerade mit Nadir ein extrem starkes, drittes Werk herausgebracht haben, und von Ellende, deren zweites Album Todbringer als Neuaufnahme unter dem Titel Todbringerin nach acht Jahren wiederveröffentlicht wurde.
Gerade Groza haben mich von Anfang an mit ihren starken Live-Auftritten überzeugen können, und während der Sound des ersten Albums vielleicht noch etwas zu nah an dem von Mgła, deren erster Output als Namensgeber diente, war, so erfolgte spätestens mit The Redemptive End der Befreiungsschlag hin zu einer eigenen und unverwechselbaren Identität, auch wenn vieles im Habitus der Band Groza natürlich nach wie vor unverkennbar den Idolen huldigt.
Die Eröffnung des Abends obliegt jedoch einer jungen Band aus Hannoversch Münden, deren erstes Demo im Jahr 2021 veröffentlicht wurde. Insofern kann man Servant durchaus als “jung” bezeichnen, mit Ausnahme von Sänger Farago, der bereits seit Mitte der Neunziger in verschiedenen Bands aktiv war, unter anderem bei Andras und Ancient Wargod. Immerhin drei Alben haben Servant seit ihrer Gründung schon auf die Menschheit losgelassen, mangelnden Elan kann man dem Quartett also nicht ankreiden.
Die Backstage-Halle ist dann – wie bei einem ausverkauften Gig zu erwarten – auch zu Beginn schon ziemlich voll, Servant haben ihre Hausaufgaben anscheinend gemacht und ziehen einen beachtlichen Teil der Menge vor die Bühne. Gespannt liege ich mit der Kamera auf der Lauer und lasse die Musik auf mich wirken. Rein optisch und auch im Grundton ihres Sounds sind Servant recht nah am klassischen Black Metal. Mit grimmigen Posen, die Gesichter geschminkt, gibt es ohne Ende Blast Beats und schnelle Riffs zu hören.
Dabei kommen die Songs jedoch wuchtiger und – ohne das auch nur im Ansatz negativ zu meinen – eingängiger daher als man es von so manch skandinavischem Vorbild kennt. Faragos Stimme besitzt dabei außerdem eine gewisse Variabilität, die zwischen Kreischen und kurzen, halbclean-knurrigen Passagen zu wechseln vermag. Insgesamt wirkt das Ganze trotz klassischer Trademarks sehr modern, was manchem Puristen sicherlich auch Anlass zur Kritik geben wird. Auch wenn nicht jeder Song sofort zündet, ich erwische mich beim ausgiebigen Kopfnicken und beschließe, mich genauer mit der Diskografie der Band zu befassen.
Die zumeist spärliche und indirekte Beleuchtung der Protagonisten auf der Bühne lässt auf einen erhöhten Schwierigkeitsgrad beim Ablichten des Spektakels schließen. Dort, wo weiße Schminke und helle Instrumente bei Servant noch ein ausreichendes Maß an Photonen durch die Linse treiben konnten, kommt das Equipment dann bei den kapuzenbewehrten Gestalten von Groza an seine Grenzen. Die Mühldorfer haben die soeben erschienene Platte Nadir im Gepäck, und wenig überraschend wird dem neuen Material eine Menge Raum eingeräumt, angefangen mit dem Nadir-Intro, das auch den heutigen Auftritt einleitet. Fehlen darf auch The Redemptive End vom gleichnamigen, zweiten Longplayer nicht.
Ich bin schwer begeistert von der Entwicklung, die diese Band hingelegt hat. Die handwerkliche Qualität und Bühnenpräsenz sind auf einem extrem hohen Level, und auch wenn man sich hier unverkennbar immer noch im Fahrwasser anderer, großer Künstler bewegt: Es macht einfach Spaß, sich von dieser massiven Soundkulisse umnieten zu lassen. Die Songs leben dabei auch vom Innehalten, von den leisen Passagen, nur um dann um so vehementer nach vorn zu peitschen. Am besten gefällt mir eindeutig Daffodils, der letzte Song auf Nadir, der sich langsam aufbaut, und der den ewigen Wechsel von Leben und Tod beschreibt, eine Hymne wie ein Mittelfinger, den Widrigkeiten des Daseins in Gesicht gespuckt.
Die Texte von Groza waren noch nie leichte Kost, aber auf Nadir (übersetzt: der ultimative Tiefpunkt, das Gegenteil des Zenits) erreichen sie definitiv eine neue Qualität von Schwärze, und man kann nur erahnen, dass der viel zu frühe Tod des letzten Bassisten Mike dabei eine Rolle spielt. Nicht nur einmal an diesem Abend wird dem verstorbenen Freund gehuldigt und auf ihn angestoßen.
Inzwischen ist es schwierig, auch nur irgendeinen freien Platz in der Halle zu finden, eng an eng stehen die schwarzen Gestalten, und nur ein paar Mutige wagen es, sich auf ein neues Bier bis zur Bar durchzuschlagen. Immerhin – die erhöhte Position vor dem Merch bietet eine gute Sicht für den Fotografen.
Das Licht geht zum dritten Mal aus, und Ellende (eigentlich ein One-Man-Project des Frontmanns Lukas) entern das Schummerlicht. Visuell ist bereits der ganz eigene Stil des Corpsepaints unverwechselbar, und auch mit geschlossenen Augen hat man kaum Mühe, Songs wie Ballade Auf Den Tod oder Der Blick Wird Leer zu erkennen. Die tiefe Emotionalität der Themen wird von den melodiösen Riffs perfekt transportiert, es ist Musik, die keine komplexen Arrangements braucht, um zu funktionieren.
Hätte ich nicht die Kamera vor der Nase, ich hätte die Augen wahrscheinlich bis zum Schluss nicht mehr geöffnet, so sehr versinke ich in diesem Strudel aus Elend und Trauer.
Ein wunderbarer Abend, danke an drei wirklich durchweg großartige Bands!