My Dying Bride – The Ghost Of Orion

Die Geschichte geht weiter mit vielen Veränderungen

Artist: My Dying Bride

Herkunft: Halifax, England

Album: The Ghost Of Orion

Spiellänge: 56:21 Minuten

Genre: Doom Metal, Death Metal, Folk Metal

Release: 06.03.2020

Label: Nuclear Blast Records

Links: www.nuclearblast.de/mydyingbride
http://mydyingbride.net/
https://de-de.facebook.com/MyDyingBrideOfficial/

Bandmitglieder:

Gesang – Aaron Stainthorpe
Gitarre – Neil Blanchett (Live Support)
Gitarre – Andrew Craighan
Bassgitarre – Lena Abé
Keyboard, Geige – Shaun Macgowan
Schlagzeug – Jeff Singer

Tracklist:

  1. Your Broken Shore
  2. To Outlive The Gods
  3. Tired Of Tears
  4. The Solace
  5. The Long Black Land
  6. The Ghost Of Orion
  7. The Old Earth
  8. Your Woven Shore

Die drei Jahrzehnte andauernde Geschichte von My Dying Bride fand vor wenigen Jahren beinahe ihr Ende. Nachdem die Band 2015 das allseits gelobte Album Feel The Misery veröffentlichte, erhielt die Tochter von Aaron Stainthorpe mit nur fünf Jahren die niederschmetternde Diagnose Krebs. Zutiefst erschüttert und geschockt, legte Stainthorpe sämtliche Bandaktivitäten auf Eis, um sich mit seiner engsten Familie mit aller Kraft dem zu stellen, was Stainthorpe die „grausamste von Gottes lieblosen und schrecklichen Kreationen“ nennt. Dies war jedoch nicht der einzige Schlag für My Dying Bride. 2018 erklärte Gitarrist Calvin Robertshaw, seinerseits zurückgekehrtes Gründungsmitglied seinen sofortigen Ausstieg. Es gab keine offizielle Begründung oder Erklärung. Nachdem sich My Dying Bride nach der Genesung von Stainthorpes Tochter wieder zusammenfanden, verließ Drummer Shaun Taylor-Steels die Band kurz vor der Studioproduktion in Mark Mynetts Studio, Mynetaur Productions. Zwei Mitglieder ärmer, doch dafür mit einem Gefühl der totalen Erneuerung, setzten My Dying Bride ihre Arbeiten am neuen Album fort und nahmen das Werk The Ghost Of Orion auf.

Alle haben uns mit irgendetwas beworfen, aber irgendwie haben wir es geschafft, auf der anderen Seite anzukommen und nach Rosen zu riechen“, so Stainthorpe in seinem rauen Yorkshire Akzent. „Es zeigt, dass eine Band zahlreiche Herausforderungen bewältigen kann. Wir haben alles geschafft! Von Krebs über quittierende Mitglieder bis hin zu dem Gefühl, dass all Hoffnung verloren ist. Ich glaube, dass andere Bands vielleicht gesagt hätten: ‚Ah, verdammt! Der eine geht, der andere ist nicht erreichbar. Wir lassen es jetzt gut sein.‘ Aber genau das ist nicht passiert. Wir waren stark. Wir haben weitergemacht. Und das Zeugnis dieser Zeit wird nun bald veröffentlicht werden.

Stainthorpe und Gitarrist Andrew Craighan gründeten My Dying Bride im späten Sommer 1990. Über dreißig Jahre hinweg hat sich England trostlosester Export nicht nur von den engstirnigen Konventionen ihrer Heimatstadt Halifax losgesagt, sondern wurde zu einem weltweiten Phänomen – zu den Königen des Doom Death – der virtuose Einsatz von Geige und Keyboard, die Themen der Romantik und die obsessiv-langen Titel zu ihren Markenzeichen. Die Alben Turn Loose The Swans (1993), The Angel And The Dark River (1995), Like Gods Of The Sun (1996), 34,788%…Complete (1997), The Dreadful Hours (2001) und A Map Of All Our Failures (2012) waren nicht einfach nur ausufernde Platten des Leidens, sondern Meilensteine, in denen Verzweiflung, Leiden und Tristesse leidenschaftlich zelebriert wurden. Die Alben von My Dying Bride wurden Lebensereignisse für die Schwermütigen und Sehnsüchtigen. Nur wenige Bands in den Neunzigern klangen wie die Briten.

Ja, My Dying Bride war und sind immer noch etwas Einzigartiges“, sagt Stainhorpe. „Der Rolling Stone nannte uns Bram Stoker’s Dracula für die Ohren. Wir sind um die ganze Welt getourt, zumindest durch die Teile der Welt, die uns empfangen haben. Und wir haben 14 Alben – The Ghost Of Orion mitgezählt – voll mit Material, auf das wir zurückgreifen können. Für The Ghost Of Orion wollten wir jedoch etwas vollkommen Neues erschaffen. Es ist nach wie vor My Dying Bride. Es ist nach wie vor höllisch schwere Kost. Es ist höllisch leidgetränkt. Es ist jedoch auch ohrgefälliger. Ich lehne mich soweit aus dem Fenster zu sagen, dass wir unsere eingängigen Momente auf The Ghost Of Orion haben. Wir wollten dieses Mal mit einem offeneren Anspruch an die Leute herangehen, anstatt sie mit dem totalen Elend zu erdrosseln. Wir haben versucht, My Dying Bride ein wenig zugänglicher zu machen.

Wie schon Feel The Misery, wurde auch das neue Album von My Dying Bride in kompletter Isolation von Craighan geschrieben. Während die Umstände ähnlich waren – Gitarrist Hamish Hamilton Glencross verließ die Band 2014 und Robertshaw 2018 – ist das Resultat der Solosessions von Craighan dieses Mal vollkommen anders. Der Gitarrist hatte niemanden an seiner Seite. Keinen Studiomusiker. Keinen Bassisten – Viersaiterin Lena Abé war im Mutterschaftsurlaub. Und ganz sicher nicht sein langjähriger Songwriting Partner Stainhorpe, welcher vollkommen darauf fokussiert war, seine Kräfte auf den Kampf seiner Tochter mit der Krebserkrankung zu richten.

Wie schon bei Feel The Misery, war Andrew beim Songwriting ganz auf sich alleine gestellt“, so Stainthope. „Ich bin mir sicher, dass er es genossen hat, trotz der Einsamkeit, die Songs nicht mit mir teilen zu können. Ich meine, wenn er mir Riffs geschickt und mich nach Input gefragt hätte, hätte ich vermutlich die Band verlassen und ihn gefragt, ob er nicht wisse, was in meinem Leben gerade vor sich geht. Er wusste dies offensichtlich. Wir sind schon so viele Jahre miteinander befreundet. Er kennt mich. Also schrieb er die Songs alle ganz alleine. Er schrieb sämtliche Riffs und ich glaube sogar, dass einige Geigenparts ebenfalls von ihm sind. Es steckt viel Andrew in diesem Album. Er ist ein wirklich großartiger Songwriter!

Der Abgang von Schlagzeuger Taylor-Steels, kurz bevor die Band für die Aufnahmen in das Mynetaur Productions Studio von Produzent/Tontechnik Mark Mynett ging, hätte die Band auf Eis legen können, tat es jedoch nicht. Glücklicherweise rettete Ex-Paradise Lost Schlagzeuger Jeff Singer, dessen Schlagzeug bereits in Mynetts Studio stand, die Musiker aus Yorkshire. Von Dezember 2018 bis August 2019 nahmen My Dying Bride mit Singer als musikalisches Fundament The Ghost Of Orion auf.

Die Aufnahmen im Studio waren kräftezehrend“, so Stainthorpe. „Jeden Tag hat irgendetwas nicht gepasst. Ich konnte einfach nicht mehr zu mir zurückfinden. Ich habe immer wieder irgendwelche Fehler gemacht. Jeden Tag musste ich bei jeder Zeile in jedem Song korrigiert werden. Es war, wie als würde man mich immer und immer wieder verprügeln. Irgendwann war ich an dem Punkt, an dem ich dachte: ‚Okay, es muss einen anderen Sänger geben. Ich kann das nicht mehr.‘ Nach all dem, was ich durchgemacht habe, wusste ich nicht mehr, wie ich für My Dying Bride singen sollte. Ich meine: Wir waren seit drei Wochen im Studio und ich war immer noch beim ersten Song! Ich habe vollkommen den Faden verloren. Ich saß in der Aufnahmekabine, habe wie verrückt geschwitzt und an die Wand gestarrt und mich einfach nur gefragt, wo all der Spaß geblieben ist. Ich habe es wirklich gehasst. Wenn ich zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, was ich tue, hätten wir das Album rechtzeitig fertigstellen können.

Doch irgendwie wurden sämtliche Widrigkeiten bezwungen. Von Schwächen im Studio über Mitglieder, welche die Band verließen, bis hin zu den lebensverändernden Folgen vom Umgang mit kranken Familienmitgliedern – die Briten bezwangen sämtliche Hindernisse.

Eine lange und intensive Geschichte zu der Entstehung des neuen Longplayers. Nun geht es aber um die acht Tracks. Der Opener nennt sich Your Broken Shore. Der Anfang knattert schön aus den Boxen, es wird auch kräftig geknurrt. Insgesamt ist der Sound etwas runder als das, was man sonst von den Mannen um Aaron kennt. To Outlive The Gods kommt erst mal folkig, mit Geige, um die Ecke. Auch hier – Aaron macht das, was er zum Album sagte. Es ist noch Doom, aber recht eingängig und kompatibler für mehr Gehörgänge als bisher. Tired Of Tears knüpft an seinen Vorgänger an. Melodischer Doom made by My Dying Bride. Allerdings kann mich die Gitarrenarbeit nach wie vor begeistern. Ansonsten läuft der Track mehr oder weniger so durch. The Solace startet erst mal mit dem Gesang von Lindy-Fay Hella (Wardruna). Das Gehörte ist dann schon mehr Folk Metal mit doomigen Einschlag. Mich überraschen die Engländer mit der Nummer schon sehr. Das Ding ist sicher nicht für jedes Ohr gemacht. Sperrig, teilweise leicht orientalisch kommt der Sound rüber. The Long Black Land wird dann wieder etwas rauer und knurriger. Die Gitarren knarren schön vor sicher her, etwas Wut ist dabei, aber auch genügend melancholische Momente. Das bisherige Highlight! Der Titeltrack ist dann wohl das Neue bei Aaron und Mitstreitern. Schwer zu beschreiben – eine akustische Nummer, vom Gitarrenspiel interessant. Sowohl eingängig als auch sperrig. Mein Geschmacksnerv wird jedoch nicht getroffen. The Old Earth ist der Longplayer des Longplayers. Mehr als zehn Minuten gibt es eigentlich alle Facetten, die My Dying Bride so anbieten können. Akustischer Einstieg, intensiver Gitarreneinsatz, Aaron holt alle Facetten seiner Stimme raus. Der zweite Track, der voll und ganz überzeugen kann. Your Woven Shore ist dann der Schlussgong. Das ist für mich mehr oder weniger ein Outro. Hier wird noch mal kräftig gegeigt und zwei Minuten später neigt sich The Ghost Of Orion dem Ende zu.

My Dying Bride – The Ghost Of Orion
Fazit
Nicht einfach, hier ein Fazit zu ziehen. Das Werk ist vielseitig. Es hat eingängige Passagen, sperrige Tracks und verschiedene Einflüsse. Es hat meines Erachtens zwei ganz starke Titel, aber auch einiges dabei, was mich so gut wie gar nicht anspricht. Nach fünf Jahren Schaffenspause und vielen Veränderungen klingen My Dying Bride anders. Eine Veränderung bei einer so langen Geschichte sollte man auch jeder Band zugestehen, gerade auch durch die Ereignisse der letzten Jahre. Es ist ganz bestimmt kein schlechtes Werk insgesamt, aber am Ende stehen ca. 56 Minuten Musik, wo mehr als die Hälfte der Zeit des Gehörten keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlässt. Das ist dann einfach zu viel Durchschnittsware. Die Note hebt aber die Tatsache, das My Dying Bride trotz vieler Rückschläge ein Album geschaffen haben, was sicher nicht der große Klassiker der Bandgeschichte sein wird, aber die Beharrlichkeit weiterzumachen, muss man einfach positiv honorieren.

Anspieltipps: The Long Black Land und The Old Earth
Jürgen F.
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