“Eine musikalische Hommage in Latz- statt Lederhosen”
Artist: Steve ‘n Seagulls
Herkunft: Finnland
Album: Brothers In Farms
Spiellänge: 56:43 Minunten
Genre: Bluegrass, Coversongs
Release: 09.09.2016
Label: Spinefarm Records
Link: http://stevenseagulls.com
Bandmitglieder:
Gesang, Akustikgitarre, Balalaika, Mandoline – Remmel
Schlagzeug, Percussions, Gesang – Puikkonen
Kontrabass, Gesang – Pukki
Akkordeon, Kantele, Mandoline, Tasteninstrumente, Flöte – Hiltunen
Banjo, Gesang, Akustikgitarre – Herman
Tracklist:
- Aces High (Iron Maiden)
- Sad But True (Metallica)
- Wishmaster (Nightwish)
- It’s A Long Way To The Top (AC/DC)
- You Could Be Mine (Guns ‘n Roses)
- November Rain (Guns ‘n Roses)
- In Bloom (Nirvana)
- Symphony Of Destruction (Megadeth)
- Fill Up The Tank
- Burn (Deep Purple)
- The Pretender (Foo Fighters)
- Self Esteem (The Offspring)
- Out In The Fields (Gary Moore)
- Born To Be Wild (Steppenwolf)
Die Festivalsaison ist vorbei und Steve ‘n Seagulls aus Finnland liefern den lupenreinen Soundtrack für bierselige Unterhaltungen und nachbarschaftliche Lautstärke-Kämpfe auf dem Zeltplatz. Brothers In Farms umfasst 14 Hits der Rock- und Metalgeschichte, komplett neu vertont und überaus unterhaltsam im Bluegrass-Gewand.
Trotz aller Unterhaltsamkeit und offenkundigen Witzigkeit der Songs würde man der Band Unrecht tun, ihr Werk nicht einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wie sich herausstellen wird, ist die vorliegende Scheibe keine lediglich auf Bluegrass und Hillbilly getrimmte Version einer Me First And The Gimme Gimmes-Platte, sondern ein ausgefeiltes und cleveres Werk, das mal nicht eben so zwischen Saloon, Kartoffelfeld und Proberaum eingespielt wurde.
Im Fokus stehen instrumental und charaktergebend durchweg Banjo und Mandoline, die jedem Song einen irgendwie unschuldigen Charme verleihen und durch die variable Stimme von Remmel begleitet werden. Quetschkommode, Mundharmonika, Waschbrett, Shaker, Schlagzeugbesen statt Sticks…die Band greift auf ein umfangreiches Repertoire zurück.
Symphony Of Destruction kommt so Dur-esque daher, dass die eigentliche deprimierende Stimmung des Songs sich zur Fröhlichkeit eines Kinderliedes wandelt. Die vermutlich ernsteste Neuinterpretation stellt November Rain dar, der Song Nummer Zwei aus der Feder der “Gunners” auf diesem Album ist. Hier wird nicht wild herumexperimentiert oder das Tempo in schwindelerregende Höhen angezogen, sondern der Fokus auf die Stimmung des Originals gelegt und Melodien werden durch eine Orgel und mehrstimmigem Gesang sehr schön und emotional verpackt – und das so überzeugend, dass ich mich schon beim ersten Durchgang zurück in die 90er versetzt gefühlt habe und die Use Your Illusion-Alben nostalgiegetrieben auf Vinyl bestellen musste…
Sad But True vermittelt durch seinen Galopprhythmus sowie die Vertonung des Pre-Chorus gar eine Western-Atmosphäre, bei der man – schließt man seine Augen – auch kurz die Prärie vor sich sieht. Wenn man etwas Phantasie hat.
Bei Wishmaster greift man dann auch nochmal tief ins Trickkistchen und auf eines der vielleicht klassischsten Instrumente des Wilden Westens zurück – die singende Säge. In Bloom erstaunt mit abgedrehtem Mundorgel(?)-Solo, während The Offsprings Self Esteem gar mit mehrstimmigem Gesang und Spannungsbogen schaffenden Dynamikwechseln glänzt.
Out In The Fields…wie es Puikkonen schafft, auf dem vermutlich minimal ausgestatteten Drumkit (das durch seinen Mickey Maus-Sound extrem sympathisch ist) diesen Beat und die Feinheiten der Fills so präzise zu spielen, ist überragend. Eine fingerverknotende Meisterleistung muss auch Herman am Banjo attestiert werden.
Born To Be Wild verpasst man spontan einen psychedelischen (Pan)Flöten-Part, der in eine Quetschkommoden-Polka überleitet, im Refrain scheut man sich nicht vor Surfrock-Gesängen. Der Terminus “wild” aus dem Songtitel ist hier wahrhaftig Programm.
Es ist schwer zu beschreiben, was hier passiert. Man sollte sich das Album einfach einmal (besser zweimal) selbst anhören und wirken lassen. Dem anfänglichen Schmunzeln folgt Erstaunen – garantiert.
Bisher wurde zum folgenden Song ein Video veröffentlicht:
Aces High: http://www.vevo.com/watch/steve-n-seagulls/Aces-High/FIUV71600050