Artist: The Butcher Sisters
Herkunft: Mannheim
Album: Das Weiße Album
Spiellänge: 42:14 Minuten
Genre: Crossover, Rap Metal, Mallorcore, Comedy
Release: 17.01.2025
Label: Arising Empire
Links: Website
Bandmitglieder:
Gesang, MC – Alexander Bechtel
Shouts – Nicklas Stroppel
Gitarre – David Schneider
Gitarre – Manuel Renner
Schlagzeug – Kai Richler
Tracklist:
1. Sonnenbrille
2. Freitag ft. Alligatoah
3. Bierdurst ft. Mehnersmoos
4. Barsch
5. Bauchtasche
6. Zu Viel Nudelsalat
7. Der Nudelsong ft. King Nugget Gang
8. Gruss, Die Oma
9. Mein Stern
10. Zeig Mir Dein ft. 257ers
11. Baggersee
12. TK Pizza
13. Aperol
14. Drachentöter ft. Equilibrium
Nachdem Electric Callboy rata-dio-ta-ta-ta-uglich im Mainstream angelangt sind, braucht die Subkultur neue Helden für rifflastigen Klamauk und intellektuelle Entgleisungen. Willkommen, The Butcher Sisters, aka TBS. Dabei sind die in Mannheim gegründeten Metzgerschwestern schon deutlich länger im Partyverse unterwegs. Bereits auf dem Debütalbum Respekt Und Robustheit (2016) widmete sich die Band dem professionellen Verzehr alkoholhaltiger Getränke, dicken Autos und noch dickeren Schwanzvergleichen. Ja, das war schon ein bisschen peinlich. Aber sehr, sehr lustig.
Jenseits der (gewollt!) prollig-plumpen Nummern und politischer Inkorrektheit lauerte jedoch genug treffsicherer Wortwitz, um den Liedern eine parodistische Qualität zu sichern. Und musikalisch war das alles ordentlicher Beatdown-Hardcore und Rap Metal. Auch Alpha & Opfah (2019) folgte diesem Muster, das sich mit anschließenden Standalone-Singles wie Dosenbier (2020) und Uga Uga Bam Bam (2021) – erstmals mit Nicklas „Stroppo“ Stroppel als Shouter – in Richtung feuchtfröhlichem Comedy Metal verschob. Gleichzeitig entwickelte sich die Band zu einer kleinen Social-Media-Sensation, die ihre Songs mit sympathisch-trashigen Videos zu pushen verstand. Mit zunehmend elektronischen Elementen aus EDM und Eurodance konzentrierten sich TBS endgültig auf mitgrölgeeignete Spaßhymnen und erschufen den Mallorcore.
Exkurs:
- Boah, ist das peinlich, TBS geht mal gar nicht.
- Na und, die machen gut Party. Schau dir an, wie alle feiern, ist doch nice, mega Stimmung.
- Das ist kein Metal. Die Texte sind Müll, das kann jeder mit ChatGPT. Warum spielen die überhaupt hier?
- Jetzt lass denen doch den Spaß.
- Nee, das ist Mallorca-Scheiß für den Mutantenstadl. Das hat auf nem Metal-Festival nichts verloren.
- Ach, du bist doch nur neidisch, weil deine Underground-Bands nicht so viele Leute ziehen.
- Ich hau dir gleich auf die….
- Jetzt mal locker. Ein Dosibier vielleicht?
- Oh, danke. Dosbier, lecker. Hm, hast vielleicht auch einen Aperol-rol-rol, Aper-rol-rol-rol. Ah, verdammt, jetzt hab ich das in der Leber und im Hirn.
Im vergangenen Jahr hauten The Butcher Sisters einen Track nach dem anderen raus (Berichterstattung), die sich nun auf dem insgesamt dritten Studioalbum Das Weiße Album wiederfinden. Ein Gesamtku…äh…kunst…werk, das Gemüter spalten und Festivalcampingplätze für immer beschallen wird. Während die Band weiterhin mit Ironie spielt, haben die Mannheimer die Parodie längst abgelegt und – man glaubt es kaum – ecken in den Lyrics weniger an. Womöglich ein Tribut an den Deal mit Arising Empire? Live entfesselt das neuere Material jedenfalls eine Stimmung, die atmosphärisch zwischen Scooter-Konzert, Fußballstadion und eben Mallorca-Schlager angesiedelt ist. Nur dass es überall (!) Moshpits und mehr aufblasbare Gegenstände gibt. Man mag zur inhaltlichen und musikalischen Qualität der Band stehen, wie man will: TBS-Shows sind Naturschauspiele.
Tracks wie Sonnenbrille, Freitag und Baggersee beweisen, dass The Butcher Sisters wissen, wie man Alltagsgeschehen humorvoll in eingängige Melodien packt und mit Breakdowns und tanzbaren Beats garniert. Tatsächlich sind die Jungs Meister darin, unerwartete Ohrwürmer zu beschwören. Wenn man sich die Lieder allerdings am Stück ohral in den Kanal knallt, bleibt Monotonie nicht aus. Selbst die ulkigste Wortkreation erstickt im Keim, wenn die restlichen Lyrics als plumpe Parolen daherkommen. Die Band hat sich damit zugegeben selbst Narrenfreiheit eingeräumt: Ist doch alles nur Spaß.
Da nahezu alle Lieder im Vorfeld bekannt waren, bietet das Album (zum Zeitpunkt dieser Rezension) wenig Überraschungen. Das Weiße Album fühlt sich vielmehr wie eine Compilation an. Neu sind die hart nach vorne groovende Fischwortspielerei Barsch, zwei wunderbare Oma-Skits im Sekundenformat und das Equilibrium-Feature Drachentöter. Musikalisch vielleicht der anspruchsvollste Track, wieder eingängig (packt die Aufblasschwerter aus!) und noch am ehesten dem (Power) Metal zuzuordnen, sofern das wichtig ist. Textlich ist die Comedyeinlage – ein parodistischer Wettstreit zwischen Held und growlendem Drachen – aber nah am Cringe Castle gebaut. Das hat 2019 mit Path Of Destiny besser funktioniert.
Unabhängig davon sorgen die zahlreichen Features für gute Laune, von denen das kürzlich erschienenen Zeig Mir Dein die Fans der alten Stunde mit einem prächtigen Penis beglückt. Apropos Fans: In den Kommentarspalten sehnen sich einige durchaus nach den „alten TBS“ zurück. Doch die sind zumindest für die nächste Zeit in den Bierkönig ausgewandert. Und dieses Jahr zum Wacken. Seien wir ehrlich: Die Welt kann sinnbefreite Spaßmusik gerade wirklich gut gebrauchen.