„Euroblast XII vom 30.09. – 02.10.2016 in der Essigfabrik, Köln“
Festivalname: Euroblast XII
Bands: A Dark Orbit, Aliases, All Tomorrows, Amber Sea, Anima Tempo, Animals As Leaders, Ayahuasca, Betraying The Martyrs, Black Crown Initiate, Born Of Osiris, Carcer City, Clawerfield, Cold Night For Alligators, Dead Letter Circus, Deadly Circus Fire, Disperse, Enslaved, Exist Immortal, Ghost Iris, Hibakusha, Humanity’s Last Breath, Intronaut, Invivo, Jinjer, Koronal, Benjamin Lechuga, Masuria, Modern Day Babylon, Ne Obliviscaris, No Consequence, No Sin Evades His Gaze, Novelists, Obsidian Kingdom, Oceans Ate Alaska, Oceans Of Slumber, Omega Diatribe, Port Noir, Promethee, Shields, Shining, Sithu Aye, Skyharbour, [soon], Strains, The Dali Thundering Concept, Veil Of Maya, Verderver, VOLA, Volumes
Ort: Essigfabrik, Köln
Datum: 30.09. – 02.10.2016
Kosten: Tagesticket = jeweils 40,00 €, ansonsten ab 109,00 € VK, 3-Übernachtungen-Festival-Kombi-Ticket = 205,00 € (inkl. Frühstück, zuzüglich Gebühren und Versand)
4-Übernachtungen-Festival-Kombi-Ticket = 237,00 € (inkl. Frühstück, zuzüglich Gebühren und Versand)
Genres: Progressive Metal, Progressive Rock, Progressive Black Metal, Djent, Metalcore, Hardcore, Extreme Metal, Post Metal
Veranstalter: Euroblast Promotion (http://www.euroblast.net)
Link: https://www.facebook.com/events/1648328508717201/
Vom 29. September bis zum 01. Oktober 2016 fand das Euroblast, eines der bedeutendsten Prog- und Experimental-Metal Festivals Europas nun bereits zum zwölften Mal in Köln statt, das vierte Mal in Folge in der Essigfabrik. Dieses Jahr haben sich Szenegrößen wie Animals As Leaders, Skyharbor, Veil Of Maya, Born Of Osiris oder gar Urgesteine wie Enslaved angekündigt. Die vermutlich weiteste Anreise haben dabei Dead Letter Circus und Ne Obliviscaris aus Australien.
Doch es sind nicht nur die Acts von Djent über Prog-Metal bis hin zu Crossover und experimentellem Alternative Rock, die dem Festival seinen besonderen Charme verleihen. Die gesamte Organisation und das Miteinander unter Veranstaltern und dem internationalen Publikum aus der ganzen Welt sind einmalig und außerordentlich familiär. Aftershow-Parties sorgen für neue Freundschaften, Hardware-Stände von z. B. Ibanez oder Kemper bringen ambitionierte oder einfach neugierige Musiker zusammen. Mit zwei Stages – der Main Stage oberirdisch und der Second Stage, der Elektroküche im Keller des Komplexes – ist sichergestellt, dass keinerlei Langeweile aufkommt, und auch die Überschneidungen der Acts sind meist minimal, was es den Gästen tendenziell ermöglicht, sich wirklich alles anzusehen. Wie auch im Vorjahr ist mit Beef Burgers, Suppen, asiatischen Nudelpfannen & Co. auch für das leibliche Wohl vor Ort gesorgt, und trotz einiger bedauerlicher Band-Absagen im Vorfeld wartet das Festival erneut mit einem sehenswürdigen Line-Up auf.
Bereits am Donnerstagabend wurde das Festival mit einem Warm-Up im Underground 2 in Köln eingeläutet. Fall Of Minerva aus Italien, The Dali Thundering Concept aus Frankreich, Monophonist aus Köln und die ebenfalls aus der Domstadt stammenden Reshaper stimmen würdig auf ein Wochenende voller Polyrhythmik und wahnwitziger Fingerakrobatik ein.
Tag 1
Da die ursprünglich für diesen Slot vorgesehene Band Materia aufgrund einer Autopanne während der Anreise ihre Teilnahme am Euroblast absagen musste, rutschen Omega Diatribe von der Second Stage auf die Main Stage und eröffnen hier das Festival. Wie auch bei den meisten anderen Bands, die früh am Tag spielen, haben auch Omega Diatribe nur wenige Zuschauer, die Halle ist nur gut zu einem Viertel gefüllt. Davon lassen sich die Jungs um den sehr auffälligen Frontmann Gergely Komáromi aber nicht abschrecken und können die Anwesenden mit ihrem ziemlich deftigen Metalcore doch überzeugen. Hier und da kann man die ersten Headbanger entdecken.
Die Schweiz hat nicht nur Heidi und DJ Bobo zu bieten, sondern auch richtig gute Bands, die sich den harten Klängen im Metal verschrieben haben. Die Genfer Band Promethee gehört definitiv zu Letztgenannten und konnte auch mit ihrem letzten Album Unrest wieder überzeugen. Die heutige Show ist die letzte der eigenen Summer Tour, nachdem man Anfang des Jahres schon die Band More Than A Thousand auf deren Abschiedstour begleitet hatte. Hardcorelastige Klänge und ein exzessives Stageacting von Frontmann Joshua Orsi bilden heute eine stimmige Einheit und sorgen auch zu dieser frühen Stunde schon für einige Bewegung im Publikum.
Mit argen technischen Problemen kämpfen gerade die vier Jungs von Verderver, als wir zum ersten Mal die Elektroküche betreten. Die mit schwarz-weißem Corpspaint verzierten Gesichter sind einzige Fragezeichen, aber nachdem als letzte Rettung noch das berühmt-berüchtigte Panzertape zum Einsatz kommt, kann der Gig fortgesetzt werden. Teilweise ist es schwer, besonders Sänger Sebastian in der Dunkelheit des Kellers zu erkennen, wenn er ins Publikum hechtet, da teilweise auch Arme und Beine der Musiker komplett schwarz angemalt sind. Für mich [Heike] klingt das, was die Jungs da veranstalten, wie Black Dahlia Murder auf Droge, die Band selbst bezeichnet es auf ihrer Facebook-Seite als „Dance Death Metal“. Ein Stilmittel, mit dem schon We Butter The Bread With Butter für Furore sorgten, ist das rein elektronische Schlagzeug, das irrwitzige Arrangements vom Band gen Publikum knallt.
Als „Some kind of metal“ bezeichnet die Band Aliases ihren Stil. Kann man so sagen, denn so wirklich kategorisieren lässt sich das, was der sehr bewegungsfreudige Frontmann Joe Rosser und seine Mitstreiter da von der Bühne ballern, nicht. Rhythmuswechsel sind genauso an der Tagesordnung wie verspielte Elemente. Dabei macht es besonders Spaß, Leah an der Gitarre genau auf die Finger zu schauen, denn so oft kommt es ja immer noch nicht vor, dass ein hübsches und dazu extrem selbstbewusstes Mädel mal nicht am Mikrofon sondern in der Instrumentalfraktion zu finden ist. Wer 2010 die großartigen Sikth verpasst hat, kann sich hier “wenigstens” mit der Fingerfertigkeit ihres Gitarristen Graham „Pin“ Pinney vergnügen, der Aliases ursprünglich mit Leah gegründet hat.
Extra für das Euroblast sind die Jungs von Carcer City aus Liverpool angereist. Das erzählt der sichtlich begeisterte und extrem agile Shouter Patch, der auch gern darauf hinweist, dass man mit Infinite // Unknown gerade ein neues Album herausgebracht hat. Es ist nach The Life We Have Chosen und The Road Journals das dritte der in 2008 gegründeten Band, die nach einem ziemlich heftigen Busunfall und Besetzungswechseln ihre Erlebnisse auf dem neuen Album verarbeitet. Von diesem gibt es neben dem Titeltrack auch noch den Song Perceptions auf die Ohren.
Im September hatten die Jungs von Modern Day Babylon noch das Pech, dass ihr Tourbus nach einem unverschuldeten Crash ein Totalschaden war, aber heute stehen sie Gott sei Dank rechtzeitig auf der Bühne, um ihre instrumentalen Djent-Songs auf die Meute loszulassen. Nicht zu verfrickelt, teilweise schon fast in Richtung Ambient gehend und mit schönen, fast schon sphärisch klingenden Interludien vom Laptop. Ein angenehmer Zeitvertreib zur besten Kaffeezeit. Dabei ist natürlich Tomáš Raclavský an der Gitarre der unbestreitbare Eye- und Earcatcher.
Nachdem Time For Metal die fünf “Mezcal Metal Mexicans” aus Mexico City einige Stunden vorher bereits im Video-Interview ausgequetscht hat, geht’s nun für Anima Tempo daran, sich neben dem Interview-Mikrophon auch an den Instrumenten auf der Bühne zu beweisen. Gian, der sowohl Gitarre spielt und clean singt, wird durch die Growls des wild umherschreitenden Daniel unterstützt. Eine Augenweide für jeden Prog-Fan ist Pedros Dingwall-Bass. Musikalisch beschreiben sie sich als “Experimental Progressive Death Metal”, was live dann auch – nicht verwunderlich, gab die Band vorher preis, dass sie auch gerne klassische Musik hören – um einige Symphonic-Elemente vom Band bzw. den Synthies ergänzt wird. Ein solider Auftritt einer extrem sympathischen und bodenständigen Band, die mit dem Euroblast-Auftritt den Startschuss ihrer EU-Promotour des neuen selbstproduzierten Albums Caged In Memories gegeben hat.
Die norwegische Band Shining, die wohl für sich in Anspruch nehmen darf, das Genre “Blackjazz” ins Leben gerufen zu haben, spaltet ein wenig die Gemeinde. Trotzdem ist die Essigfabrik gut gefüllt, als die Männer um Frontmann Jørgen Munkeby die Main Stage betreten. Schließlich ist es ja gerade der Blick über die verschiedenen Tellerränder, der das Euroblast ausmacht. Da schaut man sich dann auch gern mal den einen oder anderen nicht zu den persönlichen Favoriten gehörenden Act an. Dabei kann man während der drei Tage doch Bands entdecken, für die es sich lohnt. Shining, für die der heutige Auftritt der letzte ihrer Europatournee ist, gehören für mich [Heike] zu Letzteren, und die Show, bei der sich Jørgen bekanntermaßen immer wieder sein Saxophon schnappt, kann mit alten und neuen Songs bestimmt auch einige Zweifler überzeugen. Nach der Show kommt Jørgen dann noch in den Graben, um sich mit den Fans der ersten Reihen abzuklatschen. Nette Geste!
Die aus Barcelona stammende Band Obsidian Kingdom macht es Musikkritikern und jenen, die um beschreibende Begrifflichkeiten nicht herumkommen, extrem schwer, ihre Musik einzuordnen. Grundsätzlich kann ihr Schaffen als Progressive Rock / Experimental / Post Metal verstanden werden. Aktuell mit Shining und Intronaut auf Promotour für ihr neues Album A Year With No Summer geht’s heute in den Keller der Essigfabrik, in dem man auch den heißesten und gleißendsten Sommer nicht wahrnehmen würde. Neuzugang Eaten Roll I, die eigentlich Irene heißt, an der Gitarre, ist mit ihren 20 Jahren zwar der Blickfang der Band, hat aber heute starke Konkurrenz mit Bassist Om Rex Orale, der mit nacktem Oberkörper, auf dem eine kreisförmig tätowierte, sich in den Schwanz beißende knöcherne Schlange tätowiert ist, und dem sehr präsenten Ride G Omega an Gitarre und Mikro, die auch beide gerne mal durchs Publikum wandern.
Gerade auf großer Tour durch Europa sind die Australier von Dead Letter Circus, und heute machen sie in der Essigfabrik Halt. Unfreiwillig komisch gerät die Aktion von Sänger Kim Benzie, der einen Gitarrengurt auf der Bühne findet, der anscheinend von einer der vorherigen Bands dort liegengelassen wurde. So schmeißt er denn den Gurt ins Publikum, aber kaum ist dieser dort gelandet, reißt – wenig verwunderlich, agiert er doch wie vom Teufel besessen – der Gurt bei Bassist Stewart Hill, der es aber mit allerlei Verrenkungen schafft, die Show kniend und stehend auch ohne Gurt weiter zu spielen, bis nach geraumer Zeit endlich ein Techniker einen Ersatzgurt auftreiben kann. Bei Songs wie Space On The Wall oder I Am vergeht die vierzigminütige Show leider viel zu schnell. Und beim Klassiker Next In Line kann ich [Sebastian] dann auch im Fotograben nicht mehr stillhalten und bekomme jetzt noch Gänsehaut. Dass die neuere australische Musikszene tendenziell eine enge Verbindung zur Natur besitzt – man nehme z. B. die aktuellen Alben von In Hearts Wake oder Singularity von Northlane – zeigt sich auch heute an Sänger Kim, der ein Shirt von Sea Sheperd trägt, die sich für den Erhalt der Meere und gegen den Walfang und die Robbenjagd einsetzen.
Manche Bandnamen sind ja schon für sich gesehen sehr fantasievoll. Wie man aber nun gerade auf den Namen Cold Night For Alligators gekommen ist, wo es ja in Dänemark ja wohl eher kaum Alligatoren in freier Wildbahn zu finden gibt (kalte Nächte dafür ausreichend), würde mich [Heike] schon mal interessieren 😀 Musikalisch haben die Jungs aus Kopenhagen auch ihrer Fantasie freien Lauf gelassen und mischen Djent, Jazz und groovigen Metalcore mit einer gehörigen Schlagseite in Richtung Hardcore und Death. Cleane Gitarren mit bittersüßen Melodien, Stakkato-Rhythmen auf extrem tiefgestimmten Saiteninstrumenten und ein abartig exaktes Drumming…beispielsweise bei Inconsistent nachzuvollziehen, den sie auch live spielen. Technisch hat das ganz klar Weltklasse-Niveau. Frontmann Johan ignoriert geflissentlich den auf den Monitorboxen aufgeklebten Hinweis, dass man sich eben nicht auf diese stellen soll, und kommt dadurch der Decke in der Elektroküche oft gefährlich nah. Aber es geht sowohl auf als auch vor der Bühne alles ohne Verletzungen ab. Die Qualität der Band liegt ganz klar in der Komposition vertrackter und dennoch poppiger Songs, die durch die massiv variable Stimme von Johan ihren ganz speziellen Charakter erhalten. Ein gutes Beispiel hierfür ist Querencia, das wie eine Poprock-Ballade mit ungeraden Takten beginnt, umschlägt in Tech-Metal und zu allem Überfluss auch noch Super Mario Bros-ähnliche Interludes erhält. Verrückt. Performancetechnisch fehlt Johan hinsichtlich Emotionalität und Hingabe nicht viel zu Arnór Dan von Agent Fresco, liegt er mal hier auf dem Boden, rennt wiederum von links nach rechts, schmeißt dort Handtücher ins Publikum, schreit sich die Seele aus dem Leib, dirigiert sich selbst über die Melodieparts bei Calculated Accident. Ein klares Highlight des Festivals.
Genauso wie die Australier von Dead Letter Circus machen auch Intronaut auf ihrer großen Europatournee (übrigens als Co-Headliner von Shining) Halt in Köln, um ihre gelungene Mischung aus Progressive und Post Metal noch ein wenig bekannter zu machen, als sie ohnehin schon sein dürfte. Das letzte Album The Direction Of Last Things erschien im November 2015 und wird natürlich in der Setlist genauso bedacht, wie ältere Werke. Unter fünf Minuten Spielzeit kommt kaum ein Song aus, aber die braucht es auch, um sich der streckenweise Komplexität der Songs ausgiebig widmen zu können.
Wenn man sich Postings auf der Facebook-Seite von Sithu Aye so durchliest, scheint der Japaner, der in Glasgow lebt, ein sehr fröhlicher Mensch zu sein. Als Info kann man dort nämlich lesen „My name is Sithu and I record happy progressive metal tunes“. Damit hat er aber den Kern getroffen, denn bei seiner Musik und seiner Show kann keinerlei negativer Gedanke aufkommen, es macht einfach Spaß, ihm und seinen Begleitmusikern zuzuschauen und zuzuhören. Dass er Musiker wie Steve Vai, John Petrucci oder Tosin Abasi als Einflussgeber nennt, ist zu verstehen, wobei diese es umgekehrt mit Sithu Aye eigentlich genauso machen könnten, denn der Mann ist ein unbestreitbar erstklassiger Gitarrist. Zudem hat er erst kürzlich sein Songbuch im Mangastil fertiggestellt – selbstgezeichnet. Begleitet wird er übrigens von dem erst 22 Jahre jungen Liam McLaughlin, dem man seine Freude, beim Euroblast dabei sein zu können, den gesamten Gig über ansieht und der sowohl alte wie auch neue Songs des aktuellen Albums Set Course For Andromeda mit einer unglaublichen Leichtigkeit runterspielt. Sehr sympathisch und beispielhaft für das Festival.
Wie mögen sich eigentlich die anderen Bandmitglieder von Animals As Leaders fühlen, wenn es doch im Grunde immer nur wieder um den unbestreitbar überragenden Gitarristen Tosin Abasi geht? Dabei tut er doch wirklich sein Möglichstes, nicht immer nur im Rampenlicht zu stehen, stellt sich auch mal im hinteren Bereich der Bühne auf und überlässt den anderen die vorderen Ränge. Aber natürlich sind auch die Songs überwiegend wie maßgeschneidert für ihn, und es ist schon beeindruckend, ihm mal aus allernächster Nähe dabei zuschauen zu können und zu sehen, wie er scheinbar spielerisch und der Welt entrückt seine Finger über die Saiten fliegen lässt. Das soll aber definitiv nicht vergessen lassen, dass er nicht allein auf der Bühne steht und die Band Animals As Leaders, der eben auch der Vollprofi Javier Reyes und das „Beast On Drums“ Matt Garstka angehören, eine beeindruckende Show liefert, die ihren heutigen Status als Headliner nur unterstreicht.
Aftershow Party:
Der Abend klingt auf der Nebenbühne noch mit zwei weiteren Acts aus. Den Anfang machen Masuria aus Köln, die mit ihrem progressiven Metalcore nochmal die bereits müden Geister wecken. Alle! Stefan animiert am Mikro nicht nur die scheinbar eigens mitgebrachte Hardcore-Fanbase, nochmal die Sau rauszulassen, was dann auch in wildem Pogo, Circle Pits und Stagediving in der doch recht niedrigen Elektroküche gipfelt.
Port Noir aus dem schwedischen 64.000 Einwohner-Ort Södertälje, die sich genretechnisch nie richtig festlegen wollten und dadurch immer wieder (positiv) zu überraschen wussten, beginnen ihre Show aufgrund technischer Widrigkeiten ca. 45 Minuten nach offiziellem Timing. Genaugenommen geht die Band damit gegen 01:00 Uhr auf die Bühne und muss daher leider mit einem etwas reduzierten Publikum vorlieb nehmen. Der letzte Slot des Tages steht der Band gut zu Gesicht, bewegen sich die Songs doch in sphärischen, tiefen und schwermütigen Spektren. Sänger Love Andersson, der beim letzten Euroblast-Auftritt noch die zweite Gitarre bediente und diese nun durch den Bass (mit einem handgemalten Aufkleber auf dem Headstock, auf dem “Sandri <3” steht) ersetzt hat, hat sich nach dem Soundcheck noch fix ein neues weißes Hemd mit priesterlichem Rundkragen übergeworfen, Andreas Hollstrand erscheint mit modischen Hosenträgern. Die drei Mann starke Band legt neben ausgetüfteltem Sound auch Wert auf Optik. Was mich [Sebastian] persönlich sehr freut, ist, dass sie auch Neon von selbiger EP spielen. Der Disco-Charakter kommt klanglich vielleicht nicht ganz so rüber wie auf der Aufnahme, das Publikum selbst scheint auch Sehnsucht nach Kopfkissen und Matratze zu haben. Dennoch lässt sich das Publikum hier und da zum Mitklatschen animieren, und neben alten Songs werden auch neue der aktuellen Platte Any Way The Wind Carries gefeiert.
Tag 2
Von so vielen Facebook-Followern wie Intronaut oder Animals As Leaders sie haben, können die Niederländer von Hibakusha nur träumen. Sie eröffnen den zweiten Tag des Euroblast auf der Main Stage und können mit ihrem progressiven und leicht djentigen Metalcore sogar einige der leider nur wenigen Anwesenden zum Headbanging animieren. Die Aftershow-Party am Vortag mit Masuria und Port Noir mag auch dazu beitragen, dass heute gefühlt noch weniger Zuschauer am Start sind, als am ersten Tag. Das ist natürlich bedauerlich für die Band, die sich davon aber in ihrer Spielfreude nicht beeinträchtigen lässt. Fronter Twan shoutet und growlt sich durch die von tiefer gestimmten Gitarren getränkten Songs, und die nicht Anwesenden haben definitiv eine tolle Show verpasst.
Die amerikanische Band Oceans Of Slumber mit ihrer hübschen Sängerin Cammie Gilbert wurde mir im Vorfeld von vielen Leuten wärmstens ans Herz gelegt, so dass ich mit Spannung der Dinge harre, die da kommen mögen. Und bei dieser Show ist gleich mal noch früh am Tage Kräfte sammeln angesagt. Sängerin Cammie kann mit ihrer richtig tollen Stimme überzeugen, die Instrumentalfraktion zieht ebenfalls alle Register, und die Bühnenbeleuchtung setzt die getragenen Songs, wie Suffer The Last Bridge, Sunlight oder …This Road schön in Szene.
Rein instrumental geht es mit Benjamin Lechuga auf der Side Stage in der Elektroküche zur Sache. Begleitet von Bass und Schlagzeug sieht man dem kleinen chilenischen Mann richtiggehend an, wieviel Spaß er hat, während seine Finger über die Saiten flitzen oder er die wildesten Grifffolgen absolviert, bei denen ich mir wohl sämtliche Finger verknoten würde. Teilweise leicht jazzig angehauchte, überwiegend progressive, aber immer wahnsinnig eingängige Klänge schallen durch den Keller. Und wer sonst, wenn nicht dieser absolut sympathische Benjamin Lechuga, kann dann die Anwesenden im Song EvilFunk selbst mit funkigen Rhythmen begeistern, zu denen eigentlich Niemand still stehen kann.
Normalerweise trinke ich um diese Zeit noch meinen Nachmittagskaffee, aber vielleicht können die aus Italien angereisten Invivo das ja in einen Espresso umwandeln. So zumindest meine Hoffnung, als ich [Heike] wieder vor die Main Stage komme. Mit ihrer halbstündigen Show schaffen die drei Jungs das allerdings nur bedingt. Es gibt sehr gediegenen Progressive Rock auf die Ohren, der mich an manchen Stellen ein wenig an Muse erinnert. Mehr oder weniger Easy-Listening also, bei dem man sich entspannt zurücklehnen könnte, und das keine große Herausforderung an die Ohren darstellt. Das soll jetzt nicht gegen die Jungs sprechen, aber ein wenig mehr Bewegung auf der Bühne wäre als Kontrapunkt zu der Musik vielleicht nicht schlecht gewesen.
Die aus Amerika stammende Band A Dark Orbit startet ihren Auftritt mit dem Song Phantom Waves, der auf dem derzeit in Arbeit befindlichen neuen Album enthalten sein wird. Damit ist dann auch gleich mal die Marschrichtung festgelegt, es gibt feinen progressiv gehaltenen Metalcore auf die Ohren, der streckenweise auch Djent-Einflüsse nicht verleugnen kann. Da kann man an einigen Stellen auch durchaus mal an die Band Meshuggah denken. Und nicht zum ersten Mal frage ich mich, wie es fünf Leute schaffen, sich auf der kleinen Second Stage in der Elektroküche nicht ständig gegenseitig ins Gehege zu kommen. A Dark Orbit meistern diese Aufgabe allerdings ebenfalls mit Bravour und verdienen definitiv mehr Beachtung.
So langsam habe ich [Heike] das Gefühl, dass viele Bands ihre Europatourneen rund um das Euroblast organisieren, denn auch Ne Obliviscaris haben ihre Heimat in Australien verlassen, um auf große Tour zu gehen. Heute also Köln, und das ist auch gut so. Dass man unter anderem mit Enslaved unterwegs war, passt, denn auch die Australier vereinen den Black Metal mit progressiven Klängen und zeigen damit auf, was alles möglich ist. So gibt es in den teils mächtig langen Songs feine Gitarrenarbeit, heftige Doublebass-Attacken, die bösen Shouts und Growls von Xen, der in seinem Goth-Outfit mitunter bedrohlich wirkt und seine langen Haare gerne kreisen lässt und den feinen Klargesang von Tim, wobei Letztgenannter dann auch des Öfteren zu seiner Violine greift und den grandiosen Sound um eine zusätzliche Facette erweitert.
Nicht aus Alaska sondern aus Großbritannien kommen die fünf Jungs von Oceans Ate Alaska, die jetzt auf der Second Stage antreten, um uns allen das Hirn aus dem Schädel zu blasen. Voll auf die Zwölf ballert der Progressive Metalcore, dem die Jungs sich verschrieben haben. Fronter James growlt, singt und shoutet, als ob es kein Morgen gäbe, und die Saitenfraktion dürfte sich fast die Finger verbrennen, so heftig bearbeiten die Jungs ihre Instrumente. Chris Turner an den Drums sitzt vermutlich beabsichtigt mit nacktem Oberkörper hinter der Schießbude, denn das, was er da an der Bassdrum abliefert ist allerfeinster Rhythmussport. Das gesamte Riverdance-Ensemble käme in einem Jahr nicht auf die Anzahl an Schritten, die er sitzend absolviert. Und auch im Publikum hält niemand die Füße still, sondern kämpft sich durch wilde Pits. Da bislang „nur“ zwei EPs und das Debütalbum veröffentlicht wurde, das aber schon mal für mächtig Aufsehen gesorgt hat, ist die Songauswahl begrenzt, aber die vierzig Minuten Spielzeit sind damit gut gefüllt. Mit dieser tollen Show dürften Oceans Ate Alaska ihre Fanbasis deutlich vergrößert haben.
Nachdem Daniel Tompkins die 2008 gegründete Band Skyharbor zugunsten von TesseracT 2015 verlassen hatte, ging mit ihm DIE Stimme der Band. Neuzugang und Charakterkopf (im wahrsten Sinne, hat er doch den Schädel komplett dort tätowiert wo unsereiner – bestenfalls – noch Haare besitzt) Eric Emery tritt die Nachfolge jedoch mit Bravour an. Auch Drummer Anup Sastry verließ die Band 2015 zugunsten von Monuments, die er aber nach einem Jahr wieder verließ, weil das Tourleben einfach nicht sein Ding sei. Der aus Indien stammende Aditya Ashok kann aber auch diese Position zur Freude der Fans würdig besetzen. Wie nur wenige Bands schafft Skyharbor problemlos den Spagat zwischen progressiven, vertrackten, aufwühlenden und fast schon ambient-artigen Songstrukturen. Frontmann Eric erinnert mich [Heike] manchmal ein wenig an Ashe O’Hara (ex-TesseracT, Voices Of The Fuselage), auch der ein oder andere Track könnte durchaus auf einer Setliste von TesseracT stehen.
Aus dem südamerikanischen Staat Chile sind All Tomorrows zu ihrer Europatournee aufgebrochen. Seit sechs Jahren gibt es die Band schon, zwei Alben hat das Quartett veröffentlicht. Nachdem man bereits mit so namhaften Bands wie Hypocrisy, Faith No More und System Of A Down auf den Bühnen stand, will man heute auch auf dem Euroblast daran gehen, sich aus der Nische des Geheimtipps herauszuspielen. Das dürfte gelungen sein.
Vola aus dem dänischen Kopenhagen sind neben Cold Night For Alligators die zweite Band der Stadt auf diesem Festival, die mit ihrem ganz eigenen Sound viele Kiefer runterklappen lassen. Letztes Jahr noch waren sie eine der ersten Bands des zweiten(?) Festival-Tags, und die große Halle war da schon bis zum Zerbersten gefüllt. Dieses Jahr dürfen die vier Jungs, die ihr Album Inmazes kürzlich re-released haben und vom Euroblast-Vater John Giulio gemanagt werden, dann einen Slot in der Mitte des Festivals spielen und ziehen mindestens so viel Publikum wie im Vorjahr. Progressive Rhythmen gepaart mit vorrangig in (Pop-) Melodien verpackten charakteristischen Vocals, Synthies und ordentlich Groove sind hier die Devise. Los geht’s mit Starburn, dem Hit der Band. Aber auch Stray The Skies fehlt natürlich nicht in dem sieben Songs starken Set. Bei aller Konzentration lässt es sich Drummer Felix nicht nehmen, auch mal gen Fotograben zu lächeln 😀 Die Präsenz der Band leidet ein wenig dadurch, dass Asger und Nicolai meist Gitarre, Bass und Mikrophon gleichzeitig bedienen müssen und die Größe der Bühne kaum ausnutzen können. Ebenso bleibt Martin am Keyboard nicht viel übrig, als fest verankert in die Tasten zu hauen. Dennoch wissen Vola vollends zu überzeugen, und man darf gespannt auf neue Songs der Band sein.
Für mich [Heike] völlig unverständlich, aber nun mal so eingeplant, spielt die dänische Band Ghost Iris auf der Second Stage. Die Elektroküche ist dann auch dementsprechend voll, denn zwischenzeitlich dürfte sich herumgesprochen haben, dass die Jungs aus – wieder einmal – Kopenhagen mit ihrem Album Anecdotes Of Science & Soul aus dem Jahr 2015 ein dickes Ausrufezeichen gesetzt haben. Man glaubt auch Frontmann Jesper aufs Wort, wenn er immer wieder betont, wie stolz man sei, beim diesjährigen Euroblast dabei sein zu dürfen. Eine bemerkenswerte Show voller Energie, Crowdsurfern und glücklichen Gesichtern, die mit Songs wie Dreamless State, Phalanx und Parallel Passage leider viel zu schnell vorbei ist. Sehr witzig dann noch, dass man direkt nach Showende den Song All That She Wants von Ace Of Base einspielt und tatsächlich fast alle Metalheads – ich [Heike] eingeschlossen – auf dem Weg nach draußen bei diesem Popsong mitsingen können und fröhlich ihrer Wege ziehen 😀
Durch den kurzfristigen Ausfall von Heart Of A Coward ist die amerikanische Band Black Crown Initiate vom letzten Slot der Second Stage auf eine frühere Spielzeit auf der Main Stage „aufgestiegen“. Der irre epische, melodische und aggressive Progressive Death Metal der erst 2012 gegründeten Band wird noch durch die Optik der Mitglieder unterstrichen. Gott (oder wer auch immer) meinte es gut mit Sänger James (der ohnehin schon eine erhabene Erscheinung ist), dessen lange Spirallocken-Pracht beim Moshen umso beeindruckender wirkt nebst Gitarrist Andy, dessen Bart länger als seine Haupthaar-Mähne erscheint. Drummer Jesse gehört zweifelsohne zu einem der besten Schlagzeuger des Festivals, zeigt er die Fußtechnik bei Doublebass-Läufen doch in Perfektion. Nach dem YouTube Drum Playthrough zu Withering Waves wollte ich [Sebastian] mich von den Live-Qualitäten überzeugen und wurde nicht enttäuscht. Nach der Show darf man sich dann getrost fragen, warum diese Band überhaupt mal für die Second Stage geplant war.
Auf der Sidestage steht nun mit der Band No Sin Evades His Gaze britischer Tech-/ Groovemetal mit Djent-Charakter auf dem Plan. Die Mannen um Shouter James Denton animieren dann auch das Publikum zum Bouncen und selbst ein Crowdsurfer bleibt währenddessen oben auf, was im niedrigen Raum mit greifbar nahem Kabelkanal schon fast ein wenig gefährlich anmutet. Solide.
Auf den Auftritt der norwegischen Black Metal Urgesteine Enslaved hatte ich [Heike] mich besonders gefreut, war es mir bislang doch noch nicht vergönnt, die Männer mal live zu erleben. Und hier ist er dann auch wieder, der Mut des Veranstalters, über sämtliche Tellerränder hinweg zu blicken und auch Bands einzuladen, die nichts bis wenig mit Djent, Metalcore, Progressive Metal zu tun haben. Enslaved danken es auf ihre Weise, indem sie eine sehr stimmige und sich dem Euroblast annähernde Setliste zusammengestellt haben. Die Auswahl dürfte nicht leicht gefallen sein, schließlich feiert man ja in diesem Jahr sein 25. Bandjubiläum und hat eine entsprechende Discographie vorzuweisen. Aber es stimmt einfach alles, selbst der Lichttechniker weiß, diesen Auftritt in Szene zu setzen. Sehr spielfreudig zeigen sich die Männer um Frontmann Ivar und können damit auch die begeistern, die vorher vielleicht ein wenig skeptisch dreingeblickt haben. Die Fans sind sowieso im siebten Himmel, und nach der Show blicke ich nur in glückliche und zufriedene Gesichter.
Die Pariser Djent-Mathcore’ler The Dali Thundering Concept haben dieses Jahr das Privileg, gleich zweimal ran zu dürfen. Zuerst spielten sie das Warmup am Donnerstag und schließen nun die Side Stage der Essigfabrik, nachdem Black Crown Initiate aufgrund des Ausfalls von Heart Of A Coward auf die Hauptbühne wechselten. Diese Chance lässt die Band natürlich nicht ungenutzt, um die Fanbase sukzessive zu erweitern.
Als Headliner des zweiten Tages tritt die amerikanische Band Veil Of Maya auf die Main Stage. Und trotz der mittlerweile ja doch fortgeschrittenen Stunde geht die Party jetzt richtig los. Die Setliste der vier Männer lässt bei Fans und auch Noch-Nicht-Kennern keine Wünsche offen, und der Bewegungsdrang der Band auf der Bühne springt auch auf die Besucher über. Es gibt Circle Pits, ausgelassenes Hüpfen, lauten Jubel und vor allem: Crowdsurfer ohne Ende! Der arme Kerl von der Security muss ganz allein versuchen, der Masse an ankommenden Menschen Herr zu werden und sie sicher in den Graben zu bugsieren. Das gelingt nicht immer, aber sowohl die Crowdsurfer selbst als auch wir Fotografen bleiben trotz einiger „Treffer“ unverletzt. Den Vogel schießt dann allerdings Frontmann Lukas ab, der zum Schluss des Sets Anlauf nimmt und ohne Vorwarnung – über den Fotograben hinweg! – den Stagedive macht. Die ersten Reihen sind wohl genauso überrascht wie ich, schaffen es aber, ihn vor dem Aufschlag auf den Boden zu bewahren und dann sicher über das Publikum surfen zu lassen. Gear-Nerds hatten hier auch dank perfekter Lichtshow eine großartige Sicht auf Marc Okubos pinke Jackson-Gitarre und Dan Hausers weißen Ibanez Siebensaiter-Bass. Auch am zweiten Tag ein würdiger Headliner!
Tag 3
Am dritten und letzten Festivaltag reißen sich wohl alle noch einmal zusammen, die Essigfabrik ist schon erstaunlich gut gefüllt, als die britische Band Shields die Main Stage als Opener betritt. Melodischen Hardcore gibt es jetzt auf die Ohren, wobei Frontmann Joe für die Shouts und Growls zuständig ist, Gitarrist Sam übernimmt die Clean Vocals. Mit zwei EPs im Gepäck kann man die halbstündige Spielzeit gut füllen, und für ihre Show ernten die Briten mehr als nur anerkennende Blicke.
Zum ersten Mal beim Euroblast dabei ist die Hamburger Band [soon], die gerade ihr neues Album Better Days veröffentlicht hat. Bei einer Spielzeit von nur 30 Minuten beschränkt sich Sänger Eric in seinen Ansagen auf das Wesentliche, ansonsten lassen die drei Männer ihre Musik sprechen. Dass Lenny auf der Bühne nur mit der Gitarre alle Saiteninstrumente abbilden kann, hat er ja seit dem Ausstieg des Bassisten schon mehrfach bewiesen. Heute sehe ich dann zum ersten Mal, dass ein weiteres Pedalboard vor Eric und Lenny steht, mit dem auch Keyboard und alle anderen Soundelemente abgerufen werden können. Die Setliste besteht überwiegend aus Uptempo-Nummern, ganz dem Euroblast angepasst, und vom neuen Album gibt es, unter anderem mit dem Titeltrack, natürlich auch was auf die Ohren.
Die Briten von No Consequence sind keine Euroblast-Neulinge, spielen sie nach 2012, 2013 und 2015 nun das vierte Mal auf dem Festival. Bereits an den Tagen zuvor trieben sich die gutgelaunten Jungs auf dem Gelände rum und hatten dabei auch gerne mal die ein oder andere Hopfenschorle in ihren Händen, besser gesagt in der linken Hand, denn man frönte dem Trinkspiel Buffalo. Die selbst auferlegten Strapazen der Vortage merkt man ihnen dann aber auf der Hauptbühne nicht an. Sänger Kaan schreit und singt sich routiniert durch eine exquisite Auswahl Songs ihrer Diskographie.
Die Jungs von Amber Sea aus dem französischen Lille geben direkt von Sekunde Eins an Vollgas im Keller des Gebäudes. Der progressive Metal mit klarem Hardcore-Einschlag bläst dann auch den letzten Staub von den Boxen. Laut Facebook-Biografie und Promophotos hat die Band keinen Sänger, was angesichts des zugehackten Frontmanns dann doch irritierend erscheint. Jener ward auch beim Gig von Ghost Iris in der ersten Reihe gesichtet und wird nun auch zeitweise vom Sänger erwähnter Band kurz am Mikro unterstützt. Solide Show!
Die Aufbauarbeiten für die Kölner Band Ayahuasca sind etwas umfangreicher, denn hier stehen gleich neun Männer mit ihren Instrumenten bzw. an den Mikrofonen auf der Bühne. Ob der Bandname sich auch auf das halluzinoge Getränk gleichen Namens bezieht, das unter anderem in Brasilien getrunken wird, um in Trance zu geraten, weiß ich nicht, würde aber Sinn machen. Souverän führt Sänger Sliman durch die sehr rhythmischen, teilweise aufpeitschenden, teilweise besänftigenden aber immer hochmelodiösen Songs. Bei den Klängen, die doch immer mal wieder an eine Mischung aus Sepultura und Orphaned Land denken lassen, braucht man das Gebräu dann allerdings nicht. Ayahuasca sind keine Band, sondern ein akustischer Kult.
Laut der eigenen Facebook-Seite wurde die polnische Band Koronal tatsächlich erst in diesem Jahr gegründet. Dafür liefern die fünf Jungs aber eine richtig geile Show auf der Second Stage ab, bei der anscheinend einige der Zuschauer an eine ganz bestimmte Band denken müssen. Nach dem Auftritt von Koronal fällt jedenfalls öfters der Name Meshuggah, und das passt schon, denn die Saitenfraktion liefert an den zwei Gitarren und der Bassgitarre schon einige sehr gediegene Riffs. Die Ausrichtung von Koronal geht allerdings eher in Richtung Deathcore. Nach der Show verschenkt Fronter Łukasz dann noch einen ganzen Stapel CDs, wobei ich [Heike] da leider nicht schnell genug bin 😀
Mit ihrem Debütalbum Souvenirs aus November 2015 im Gepäck sind die Jungs von Novelists aus Frankreich angereist. In vielen Reviews wurde die Band gern mal als eine Mischung aus Monuments und Periphery beschrieben, die aber die feinen Spielarten des Metalcore bzw. Djent richtig gut beherrscht. Musikalisch also nicht wirklich neue Klänge, aber die energiegeladene Show der fünf Jungs dürfte die Fanbasis doch um einiges erweitert haben. Sänger Matt beherrscht sowohl Rap-ähnliche Shouts wie auch Growls und Melodiegesang und macht trotz seiner agilen Show auch keine Anstalten, dass ihm dabei mal die Luft ausgehen könnte. Ein würdiger Act zur besten Tee-Zeit auf der Hauptbühne.
Die aus dem schweizerischen Thun stammenden Jungs von Clawerfield nennen ihre Musikrichtung Cybermetal, was sich durch orchesterartige Samples gepaart mit progressiven Industrial-Metalriffs, Growls und melodischem Gesang charakterisiert. Gewisse Parallelen zu Fear Factory sind in den Grundzügen nicht zu verleugnen. Live tritt man ohne Bass auf (der vermutlich vom Band kommt), und der sonst von Sänger Adrian bedient wird. Das fällt aber auch nicht weiter auf, da die zwei 8-Saiter-Gitarren ohnehin alles wegdrücken 😀
Angekündigt wird die polnische Band DispersE mit dem Hinweis, dass sie die Band mit den bislang meisten Auftritten beim Euroblast sei, und der Applaus ist der Band auch schon sicher, bevor sie nur einen Ton gespielt hat. Es wird ziemlich progressiv, und als wenn Songs wie Message From Atlantis oder Dancing With Endless Love nicht schon schön genug wären, legt sich auch der Lichttechniker richtig ins Zeug, um insbesondere Rafał am Keyboard ins beste Licht zu setzen. Nötig wäre das nicht, denn er hat eine tolle Stimme, macht aber definitiv was her. Ebenfalls bemerkenswert ist die Arbeit von Jakub an der Gitarre, der seine Flitzefinger manchmal so schnell über die Saiten huschen lässt, dass man sie nur noch erahnen kann.
Aus dem belgischen Opglabbeek stammen Strains, die ihr Euroblast-Debüt auf der Nebenbühne geben. Die fünf Jungs sind gefühlt noch ziemlich grün hinter den Ohren, was sie mit ihrer satten Show jedoch schnell und beeindruckend widerlegen. Nebst separatem Shouter bedient auch der Bassist unterstützend das zweite Mikro, um dem Frust der Band auch ausreichend Gehör zu verschaffen. Bei der Mischung aus Hardcore und Metal wird im Publikum Two-Step getanzt, und auf der Bühne gehen die Musiker bei den Breakdowns buchstäblich kollektiv in die Knie. Zurecht teilten die Jungs erst kürzlich die Bühnen mit While She Sleeps und Polar. Man wird in Zukunft sicher noch einiges von diesem jungen Gespann hören.
Die schwedischen Humanity’s Last Breath aus Helsingborg geben ihrer Musik einen einfachen und verständlichen Titel: “Evil”. Tiefste hasserfüllte Growls, Screams und progressives, atonales Gitarrengehacke verlangen viel ab vom Besucher und lassen auch den optimistischsten Menschen aus seinen Schnürsenkeln umgehend einen Strick knüpfen. Hossa.
Morgens hatte Time For Metal die Jungs von Exist Immortal aus London noch im Video-Interview. Nun steht auf der Nebenbühne, auf deren begrenzter Fläche sogar noch Platz für Sidedrops gefunden wurde, die Promoarbeit für ihr kommendes Album Breathe auf dem Plan. Ihr progressiver Metalcore mit epischem Unterton erinnert zeitweise an Textures und kann auch live überzeugen. Sänger Meyrick mosht mit Vorliebe auf dem Egoriser stehend, immer in direktem Austausch mit dem Publikum. Man sieht ohne Frage, dass die Band Spaß an dem hat, was sie machen und das auch gerne an die Fans weitergeben. Auch die aktuelle Single Follow Alone wird natürlich zum Besten gegeben und findet regen Anklang beim Publikum.
Als die Mitglieder der Band Volumes auf die Bühne gelaufen und gehüpft kommen, kann ich [Heike] mir ja ein Grinsen nicht verkneifen. Alle ganz in weiß gekleidet, erinnert mich doch insbesondere Myke Terry in seiner Latzhose eher an Super Mario denn an den Sänger einer überaus erfolgreichen Band. Myke und Gus, die beiden Herrschaften an den Mikros lassen keinen Zentimeter der Bühne unerkundet und haben das Publikum mit ihrer sehr energiegeladenen Show natürlich voll im Griff. Insbesondere Myke zeigt sich sehr fannah, klettert immer wieder auf die Absperrung zum Fotograben, schüttelt Hände und singt gemeinsam mit den Fans. Ihrem Aufruf, dass der verrückteste Crowdsurfer nach der Show ein Geschenk am Merchstand erhält, kommt das Publikum dankend nach, und die Security hat alle Hände voll zu tun, die Fans von der Menge oben abzufischen. Generell versteht es die Band, das Publikum zu dirigieren, denn auch ein Lichtermeer aus Feuerzeugen und Smartphone-Lämpchen wird blitzschnell initiiert. Man könnte fast meinen, hier gerade eine Headliner-Show zu erleben.
Nach sieben Jahren hatte Sänger Adam die britische Band Deadly Circus Fire erst Ende August verlassen. Die drei verbliebenen Londoner Musiker hinderte das jedoch nicht daran, sich aus dem Vereinigten Königreich auf den Weg nach Köln zu machen und kurzerhand alle Songs, die irgendwo zwischen Progressive Rock, Groove-/Alternative-Metal und vereinzelten Stoner- und Doom-Anleihen pendeln, instrumental zu performen. Bassist Mike findet dann auch die passenden ironischen Worte, um aus der Situation das Beste zu machen und verkündet sinngemäß, dass man auf Musik scheiße, ebenso wie auf Fans und überhaupt. Die Vocal-Auditions sind derzeit in vollem Gange, und nach dem sympathischen Auftritt der Briten sind sicher noch ein paar E-Mails potentieller Anwärter eingetrudelt. Wir drücken die Daumen.
Auch wenn die Band Betraying The Martyrs mit Keyboard arbeitet, gibt es hier aber garantiert keine verfrickelten und verschnörkelten Spielereien, sondern schlicht und ergreifend ordentlich was auf das Fressbrett. Apropos Keyboard, heute hat Victor Geburtstag, und von dem auf die Bühne gebrachten Tablett mit vielen Gläsern Jägermeister bedienen sich alle gern. Aaron ist dann noch so nett, das Tablett ans Publikum weiterzureichen, denn einige Gläser sind doch übrig geblieben. Das Geburtstagskind gönnt sich dann auch noch eine Runde Crowdsurfing und hat dabei sichtlich seinen Spaß. Natürlich findet sich in der Setliste auch Man Made Disaster aus dem Jahr 2011, und die Bühnenshow heute ist eigentlich fast eine perfekte Kopie des damaligen Videos. Am Schlagzeug sitzt allerdings mittlerweile Boris. Frontmann Aaron kommt zunächst noch mit Hoodie auf die Bühne, das ist aber definitiv zu warm, also schnell runter damit. Aber selbst das aus ziemlich wenig Stoff bestehende Shirt muss noch weg, so dass er dann irgendwann mit freiem Oberkörper performt – liebend gerne auf dem Egoriser stehend oder von dort ambitioniert mit dem Ziel, springend das Gebäudedach zu erreichen. Vom anstehenden neuen Album gibt es noch The Great Disillusion auf die Ohren, das dazugehörige Video wurde ja bereits vor geraumer Zeit veröffentlicht.
Die ukrainischen Jinjer sind derzeit der Shooting-Star der Progressive Metal-/Hardcore-Szene und werden im Keller der Essigfabrik bereits sehnsüchtig erwartet. Sängerin Tatiana, deren facettenreiche Stimme gut und gerne das Gros der männlichen Genrekollegen in die Schranken weist, ist ihren Bandkollegen noch unauffällig beim Soundcheck behilflich, bevor das Crossover-Feuerwerk dann losgeht. Bassist Eugene knallt dem Publikum Tappingläufe und Slap-Attacken um die Ohren, Gitarrist Roman friemelt sich durch wilde Riffs und Drummer Vladislav unterlegt das Ganze mit vertrackten und punktgenauen Grooves. Die unscheinbare Strickjacke der Frontfrau wird durch die in den Ansätzen gebleichten Dreads, die sie gekonnt kreisen lässt, schnell revidiert. Gefühlt könnte der Sound etwas satter sein, da der Stimme ein wenig die Präsenz fehlt, die man von den Aufnahmen der Band her kennt.
Gegründet im Jahr 2003, der Durchbruch kam im Jahr 2006, ab Ende Oktober geht es für Born Of Osiris auf große 10 Years In The Black-Tour. Aber heute erstmal ein äußerst routinierter Headliner zum Abschluss des Euroblast XII. Die Männer, die ihr Handwerk aus dem Effeff beherrschen, wissen, wie sie die großen Erwartungen der Fans erfüllen, wenn nicht sogar übertreffen können. Das Wetter draußen ist zwar kühl und ungemütlich geworden, aber die Temperaturen in der Halle steigen mit jeder Minute. Zum allerletzten Mal ist in der Essigfabrik ordentlich Abfeiern angesagt, der Funke springt von der Band aufs Publikum und wieder zurück, alles ist eins.
John und sein Team haben auch in diesem Jahr wieder ein Händchen für eine tolle und abwechslungsreiche Mischung aus Urgesteinen, Überfliegern und Unbekanntem aus den Bereichen Prog, Djent, Metal, Experimental und Hardcore bewiesen. Das Euroblast schickt sich nicht an, durchweg große Namen auf die Bühnen zu bringen, sondern ermöglicht es auch kleineren Acts, die mit Leidenschaft und Talent performen, neue Fans zu erreichen. Bunt gemischt aus aller Herren Länder von Amerika bis Australien treffen hier Bands und Fans drei bzw. vier Tage in familiärer Umgebung aufeinander und können sich untereinander austauschen. Einmalig.
Time For Metal sagt vielen Dank, dazuzugehören und freut sich bereits jetzt schon auf die 13. Ausgabe des Festivals in 2017. Der Vorverkauf der limitierten Early Bird-Tickets zum Sonderpreis von 91,00 EUR ist bereits gestartet und die Karten sind hier erhältlich.
Bericht und Fotos von Heike L. und Sebastian S.