Es gibt diese Bands, die sich klammheimlich (was für ein schönes Wort) in die eigene Heavy-Rotation-Playlist schleichen. Ghosther aus Heinsberg in NRW gehören zu dieser Kategorie. Ich bin mit der vorliegenden, selbst betitelten EP in den Bandkosmos eingestiegen und musste mich erst mal rückwärts durch die Diskografie hören. Dabei ist mir sofort aufgefallen, welch enorme Entwicklung die Musiker sowohl persönlich als auch hinsichtlich des Songwritings hingelegt haben. Nicht dass die Alben Through Fire (2019) und Immersion (2022) belanglos sind, aber die zu Recht als Statement Ghosther genannte EP ist eine ganz andere Hausnummer. Die überlagerten Vocals von Frontfrau Jenny sowie Shouter und Gitarrist Andy ergänzen sich hervorragend und sind einfach deutlich variabler als auf den bisherigen Releases. Die Rhythmusfraktion um Stelle am Bass und Ronnie an den Drums darf man gut und gerne als „tight as fuck“ bezeichnen.
Warum finden Bands wie Ghosther immer wieder den Weg zu mir? Ganz einfach, weil sie nicht nur geilen, modernen Metal zocken, sondern dem so wichtigen Thema Mental Health, welches mich schon die Hälfte meines Lebens begleitet, eine Plattform geben. Mindset Baby beschreibt perfekt die Floskel „Ich weiß genau, wie du dich fühlst“. Einen Scheiß weißt du! Wir kämpfen bis ans Ende unseres Lebens gegen die eigenen Dämonen. Musikalisch betritt der erste von vier Hits die Bühne und wartet mit absoluten Gänsehaut-Lyrics auf: „Too far away. We’re heading for another judgment day“ rührt mich fast zu Tränen. Der ruhige Part, der mit der verzweifelt geschrienen Zeile „And now I can see“ endet, gibt mir den Rest. Das famose Undertow gräbt sogar noch tiefer und behandelt die scheinbar nie endend wollende Abwärtsspirale, die mit „Happy pills“ behandelt werden soll. Bedrückende Atmosphäre herrscht in der ersten Strophe, die Jenny mit ihren warmen Vocals auf ihren Schultern trägt. Andys Zeile „It’s just a silent scream“ sorgt erneut für Schauer, die meinen Rücken herunterlaufen. Und dann kommt der Refrain, mit den eingangs erwähnten, teils überlagerten Vocals. Das ist ganz großes Kino, Freunde.
„Sad Songs on repeat“, so könnte man die vier Nummern auf dieser EP umschreiben, doch No Tomorrow macht entgegen dem Titel Hoffnung. Dazu trägt auch der „luftige“ Sound bei, der etwas poppiger (im guten Sinne) daherkommt als das bisher gehörte. Jenny zieht sogar ganz hohe Register ihrer Stimmlage und kann erneut punkten. Paar aufs Maul? Die Thrash-Riffs in Bleed Me Out drücken ordentlich und sorgen für einen schönen Kontrast zum eingängigen Refrain. Perfekter Arschtritt als Rausschmeißer – nuff said.
Produziert wurde die EP von Modern-Metal-Tausendsassa Christoph Wieczorek in Halle an der Saale (Ost-Power!) und klingt schlicht so, wie man sich Modern Metal anno 2024 wünscht. Ghosther haben ihren Weg endgültig gefunden und wenn sie ein Album in dieser Qualität nachlegen können, darf ich sie bald in einem Atemzug mit Bands wie Venues oder Future Palace nennen. Auf der aktuellen Tour darf ich Ghosther als Support von April Art in Hannover live erleben und freue mich schon wie blöd darauf.
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