The Seasoning House

“Das Grauen des Krieges“

Film: The Seasoning House

Sprachen: Deutsch, Englisch

Laufzeit: 89 Minuten

Genre: Horror/Thriller

Release: 27.09.2013

Vermarktung: Capelight Pictures

Regisseur: Paul Hyett

Extras: Audiokommentare, Making-Off, Trailer

Link: http://www.imdb.com/title/tt1555093/

Schauspieler:
Roise Day, Sean Pertwee, Kevin Howarth, Anna Walton, Jemma Powell, Alec Utgoff, etc.

Ein Blick über den Tellerand: Bisher gab es neben Musik auch das ein oder andere Spiel in der Bewertung, jetzt folgt erstmalig ein Film. Eines vorweg: Ich kann keine einzige Oscarverleihung nachvollziehen und habe mich – bis auf einmal – jedes Mal gefragt, warum „der beste Film des Jahres“ „der beste Film des Jahres“ sein soll, wundere mich häufig über die ach so tollen Darsteller, die mir dann ebenfalls nicht zusagen und halte dementsprechend prämierte Fime fast nie bis zum Ende durch. Persönlich liebe ich Filme, die andere Menschen als „pervertiert“ bezeichnen, am bekanntesten in meiner Liste der „mag ich“-Filme ist die Saw-Reihe (natürlich vor allem wegen Teil 1), Braindead, Hostel aber natürlich auch Filme wie Pans Labyrinth, God Bless America oder als Kontrast Hangover. Was ich damit sagen will: Ich kann mir jedes Genre angucken, aber am liebsten mag ich das Genre, in dem dieser Film angesiedelt ist. Wer mag, ist herzlich eingeladen über Pro und Kontra von Filmreviews auf https://www.time-for-metal.eu zu diskutieren, ich werde mich auf jeden Fall an er Diskussion beteiligen!

Deshalb schmeiße ich auch direkt die DVD in den Player und lasse den Spaß beginnen. Nach ein paar Minuten ist klar, worum es geht: Während des Balkankrieges werden in einem Waisenhaus für junge Mädchen (so steht es im Film als Untertitel unter dem Waisenhaus) junge Mädchen prostituiert und verhökert. Relativ früh gibt es eine Rückblende, die zeigt, wie die taube und stumme Hauptrolle ins Waisenhaus gekommen ist, zuvor wird neue Ware, sprich: Neue Mädchen angeliefert und der Oberböse demonstriert den wimmernden Mädchen, wer hier der Boss ist, indem er einem Mädchen extrem detailliert und aufwendig dargestellt die Kehle aufschlitzt. Bei der Szene wurde ich zum ersten Mal stutzig: Zwar sieht man Nahaufnahmen der schockierten Ware, allerdings nicht merkbar schockierter als zuvor, wegrennen oder gar eingreifen möchte auch keine. Mir persönlich würden 20 Szenarien einfallen, die wahrscheinlicher sind, wenn vor den eigenen Augen jemand kaltblütig erstochen wird, aber okay, ist halt ein Film, Schwamm drüber.

Dafür ist der Film atmosphärisch zu Beginn extrem stark und sehr ruhig, passend zum taubstummen Mädchen. Nach 20 Minuten fängt das Ganze jedoch an, an die Ausdauer zu gehen und glücklicherweise kommt dann ein „Dialog“ zwischen der taubstummen Dame und dem bösen Viktor, der mich ernsthaft schockiert hat. Originaler Wortlaut: „Also, kannst nicht hören und sprechen kannst du auch nicht. Hast du einen Namen? Nicht mal deinen Namen kannst du sagen. Aber du brauchst einen Namen. (Schaut auf die Kette) Hm, ein kleiner Engel. Ich werde dich Angel nennen.“ WIRKLICH? Er fragt sie nach einem Namen? Die Stimme ist übrigens frei von Ironie… Danach erklärt er ihr auch noch die Regeln, was sie zu tun hat… Und morgen: Wie trainiere ich einer beinlosen Katze das Pfötchen geben an…

Das war für mich der Moment, wo der Film in eine Art „Bringschuld“ geraten ist, frei nach dem Motto „Zeig mir, dass das zwei kleine Patzer waren“. Schön ist, dass er nicht chronologisch abläuft und immer wieder Zeitsprünge zeigt, die dann natürlich eine erhöhte Aufmerksamkeit voraussetzen. Ebenfalls gut ist, dass Angel eine Freundin kennenlernt, die die Gebärdensprache beherrscht, so dass der Protagonist in der Lage ist, ein wenig zu kommunizieren. Gut, dass man die Sprache nutzt, um zu vermitteln, dass man gerne Heroin nehmen möchte (die Kinder wurden vorher angefixt) und dass das am besten mit fremder Hilfe geht.

Die obligatorischen Vergewaltigungsszenen bringen zum Glück keine Hektik in den Film, der auch nach 40 Minuten noch von der Ruhe lebt, sind aber selbstverständlich nichts für zartbesaitete Blumenkinder, da die Kunden gerne brutalen Koitus vollziehen, was natürlich Probleme mit sich bringt, da das Inventar teuer ist. Alles schön und gut, aber nach der Hälfte der Spielzeit wünsche ich mir, dass der Film von einer Bestandsaufnahme weg und hin zu einer interessanten Geschichte wechselt. Wärend der Wartezeit fällt mir auf, dass die Synchronsprecher erst– bis zweitklassig sind: Viktor wird von Peter Flechtner synchronisiert, der auch Dr. Jack Shepart, die Hauptrolle von Lost gesprochen hat. Oder Goran wird von Jan Spitzer gesprochen, der Dexters Vater bei Dexter oder Lynch bei Kane & Lynch hervorragend gesprochen hat.

Seltsam ist, dass mir das Schicksal der Kriegsopfer nicht leid tut. Ich zucke bei keiner Vergewaltung, keinem Mord zusammen, fiebere nicht mit Angel mit, wenn sie das Gesicht eines Vergewaltigers zerschneidet und in Gefahr gerät. Ich würde mir selber eine relativ ausgeprägte Empathie bescheinigen, die aber während des Films scheinbar im Urlaub ist. Das liegt wohl auch an den immer wieder auftretenden Logikfehlern: Als ein Kollege des zermetzelten Vergewaltigers die angestrengten Geräusche von Angel hört, die so klingen, als ob sie vergewaltigt werden würde, wird ein Bordellbetreiber stutzig und schaut nach. Als das eigentlich zum Missbrauch vorgesehene Kind vergewaltigt wurde (ebenfalls mit Stöhnen), interessiert es niemanden.

Nach einer Stunde wird der Film gradliniger: Angel gerät in Gefahr und wird gejagt, hat aber zum Glück Heroin dabei, um sich zu verteidigen und kann gefühlt 50 Mal durch einen Lüftungsschacht entkommen und wird natürlich nicht von hinterherschießenden Elitesoldaten getroffen und gewinnt ein Duell gegen das Grünohr. Da kurz darauf das Finale beginnt und ich schon genug gespoilert habe, werde ich an dieser Stelle aufhören, über den Inhalt zu reden und zum Fazit übergehen. Eins sei noch gesagt: Das Ende hat eine interessante Wendung parat!

Fazit: Der Film lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück: Das Szenario ist unheimlich interessant und unverbraucht, der Balkankrieg noch nicht lange her und war extrem grausam. Alleine schon die Thematisierung der Misshandlung der Zivilbevölkerung während des Krieges gibt dem Film eine Daseinsberechtigung. Auch die Entscheidung, der Hauptfigur weder Stimme noch Gehör zu geben, ist grundsätzlich interessant. Die Kulissen sind gelungen und auch die Soundkulisse kann sich hören lassen. Andererseits hat der Film viele kleine Mängel: Die Dialoge wirken unbeholfen, die Charaktere bleiben oberflächlich und verleiten nicht zum Mitfiebern, außerdem gibt es einige Stellen im Film, die vor Logiklöchern triefen. Wer damit leben kann und sich bewusst macht, dass es sich um einen sehr ruhigen Film handelt, wird 89 Minuten recht gut unterhalten. Kein Überflieger, aber zumindest ein solider Film. Ich persönlich hätte mir ein paar mehr Bezüge zum Krieg gewünscht, aber wenn Wünsche Schweine wären, gäbe es jeden Tag Speck. Für Fans von: A Serbian Film und Eden Lake
Gordon E.
6.5
6.5