Wir sind beim letzten Teil unserer kleinen Kolumne zur Underground-Szene und ihren Protagonisten angekommen. Falls Ihr die ersten Teile verpasst habt, die findet Ihr hier (Teil 1), hier (Teil 2) und hier (Teil 3). Also auf zum Endspurt!
Time For Metal, Heike L.:
Zum Abschluss noch drei Fragen ohne irgendein Statement von mir:
Wenn Ihr noch einmal zurück zu den Anfangstagen Eurer Band gehen könntet, würdet Ihr irgendetwas anders machen?
Demise Empire (Death Metal, Essen)
Boah, schwere Frage. Grundsätzlich hinterfrage ich vergangene Entscheidungen ungerne. Schließlich gab es zu jeder Zeit sicher einen guten Grund dafür, dass die Dinge so liefen wie sie eben liefen. Und wenn man etwas als Fehler ansieht, ist nur wichtig, dass man daraus lernt und den gleichen Fehler nicht ständig wiederholt.
Eine Sache, die wir als Band gelernt haben ist, dass du nur Leute in der Band haben solltest, die auch in der Band sein wollen. Das klingt jetzt komisch, ist aber bei uns und einigen Bands, die ich persönlich kenne, oftmals der Grund für extrem langsames Vorankommen oder Rückschläge in der Entwicklung der Band.
RedNight (Hardrock, Aachen)
Ja wir hätten damals viel Geld nicht zum Fenster rauswerfen, sondern für gute Aufnahmen investieren sollen, anstatt ein 5×5 Meter Banner drucken zu lassen 😀 Man hat immer so die Anforderung: „Wir hätten mehr machen müssen“. Naja stimmt eher nicht, immerhin haben wir alle erstmal die Schule beendet und versucht uns abzusichern. Was in der heutigen Zeit wirklich von Vorteil bei der Musikszene in DE ist. Da muss man sich immer wieder etwas zügeln und realistisch bleiben.
Scrawn (Heavy Metal, München)
Hm. Kann jetzt nur für mich (Ecki) sprechen – ich würde weniger Zeit mit sinnlosen Dingen verbringen, nicht mehr jeden Gig spielen, nicht mehr versuchen, bei selbst organisierten Gigs und Festivals alles 100% zu machen mit coolem Design für die Promo, perfekter Bühnenausstattung für alle Bands, warmem Catering für alle vom Omni zum Veganer zum Allergiker usw. usf. … Man stresst sich rein und bekommt wenig zurück.
We Awake (Metalcore, Dortmund)
Wir würden definitiv mit mehr Plan und festen Zielen an alles herangehen. Dadurch hätten wir uns viel Rumgedümpel und Orientierungslosigkeit erspart!
Time For Metal, Heike L.:
Wenn Ihr Euren „Kollegenbands“ etwas ins Gästebuch, oder meinetwegen auch in die to-do-Liste, schreiben dürftet, was wäre das?
Demise Empire (Death Metal, Essen)
„Respekt und Danke, dass ihr allen Bedingungen zum Trotz in der Szene existiert und euren Traum wahrmacht. Lasst uns doch gemeinsam was auf die Beine stellen und unsere Netzwerke teilen. Musik ist kein Wettkampf (auch wenn das im TV gerne suggeriert wird 😉 ) Musikfans können mehr als eine Band gut finden.“
Mantikor (Deutschrock, Düren)
Wir können allen nur ans Herz legen: Macht das, was euch Spaß macht, hört auf, alles zu ernst zu nehmen und vor allem, hört auf mit dem Konkurrenz denken. Für jede Band gibt es das passende Publikum, in der Musik gibt es so etwas wie Konkurrenz nicht.
Scrawn (Heavy Metal, München)
Wenn ihr irgendetwas braucht, mitbenutzen wollt/müsst etc. – sagt es uns doch bitte vorher, nicht 5 Minuten vor eurer Stage Time 😉 Und ein Technical Rider vorab macht mir (Ecki) als meist zwangsläufig Mischer & Techniker das Leben SO viel einfacher – WENN das Dokument nicht 5 Jahre veraltet ist und nix mehr mit dem aktuellen Setup zu tun hat 😉 Ansonsten – versprochene Gegengigs SOLLTEN Ehrensache sein, wir könnten mit der Liste der uns versprochenen und nie geleisteten Gegengigs bald drei Touren organisieren … Auch (leider) ein Learning – wir lassen uns nicht mehr darauf ein. Fester Termin vorab mit allem Drum und Dran, sonst kein Gigtausch mehr. Schade – aber alles andere funktioniert nicht (mehr) …
Spheronaut (Stoner Rock, Neuss/Düsseldorf)
Zum Start erstmal ordentlich Songs schreiben und aufnehmen. Niemand will halbfertigen Mist hören.
Später dann auf jeden Fall Kontakte knüpfen, denn da geht nichts drüber.
Ansonsten: Verhaltet euch respektvoll gegenüber allen anderen. Ob es Bar-Crew ist, Veranstalter, Techniker oder die anderen Bands. Niemand mag Arschgeigen
the journey of Eric Taylor (Post Rock/Post Metal, Krefeld)
Schaut euch die anderen Bands an, wenn ihr nichts Organisatorisches zu tun habt. Helft euch gegenseitig mit Auftrittsmöglichkeiten und Connection in euren lokalen Bereichen.
Time For Metal, Heike L.:
Und was würdet Ihr Euch vielleicht auch von Euren Fans, und vor allem von solchen, die es noch werden sollen, wünschen?
A Long Way To Fall (Metalcore, Stuttgart)
Verfolgt die Bands, die Ihr gut findet. Unterstützt sie, liked und kommentiert deren Bilder, teilt deren Musik, empfehlt sie an Freunde und Bekannte weiter. Das sind nur Kleinigkeiten, die nichts kosten aber schon so viel helfen können.
Deeper Than Fear (Melodic Hardcore, Berlin)
Passt aufeinander auf in dieser kaputten Welt. Hört zu, wenn eure Freunde euch von ihren Problemen erzählen und helft ihnen, so gut ihr könnt. Selbst zuhören bedeutet manchmal sehr, sehr viel.
Und zu guter Letzt, geht mehr auf Underground Shows, auch wenn wir nicht spielen!!!
Meta Minora (Progressive Rock, Duisburg)
Geht einfach auf mehr kleine Konzerte, die Szene hat einiges zu bieten.
Oneiric (Melodic Death Metal, Aachen)
Wenn ihr eine lebendige Undergroundszene wollt, dann unterstützt sie! Besucht Konzerte, kauft Merch. Sonst gibt es in 10-20 Jahren auch im Metal nur noch Einheitsbrei, wie wir das aus vielen anderen Musikgenres kennen.
RedNight (Hardrock, Aachen)
Lasst die Musik auf euch wirken und habt Spaß. Legt das Handy mal für ’ne Stunde in die Tasche oder Co. Selfies können wir auch danach machen, damit du uns posten kannst. Aber in der heutigen Zeit hat Musik einen ganz anderen Charakter, den man wertschätzen sollte, indem man der Musik Aufmerksamkeit schenkt.
Scrawn (Heavy Metal, München)
Selbst wenn ihr keine der Bands des Abends kennt – kommt vorbei, Eintritt kostet weniger als bei der Mainstream-Disse vor Ort, die Getränke sind billiger, und ich erlebe so oft mal auf Underground-Gigs tolle Überraschungen mit mir bis dato unbekannten Bands, die mehr Laune machen als so manches 50€-Konzert …
Spheronaut (Stoner Rock, Neuss/Düsseldorf)
Seid nicht zu knauserig. Da steckt eine Menge Arbeit hinter. Fünf Euro Eintritt sind NIE zu viel verlangt. Und wenn es euch gefällt, nehmt ruhig mal eine CD oder ein T-Shirt mit, von mir aus auch ein Like auf den Social Media Seiten. Das alles hilft uns enorm, weiter zu kommen.
Time For Metal, Heike L.:
Und noch eine letzte Frage:
Gibt es jetzt noch eine Frage, mit der Ihr eigentlich fest gerechnet hattet, die ich aber tatsächlich nicht gestellt habe? Dann dürft Ihr sie jetzt selbst stellen und auch gleich beantworten (bitte keine Eigenwerbung) 🙂
Bexy Sitch (Alternative Rock, Marl)
Wir hatten tatsächlich noch mit einer Frage zu social Media gerechnet, zum Beispiel ob wir das Gefühl haben, dass es nur noch möglich ist, wirklich Fuß zu fassen und größer zu werden, wenn die Medienpräsenz stimmt. Das ist nämlich etwas, was uns sehr stark aufgefallen ist. Ohne vernünftige Seiten und hoher Aktivität ist es fast nicht möglich, im Gedächtnis zu bleiben. Nach jeder Show sagen Bands, wo sie zu finden sind, auf Stickern stehen Links zu Profilen oder sogar auf Bannern, damit es so offensichtlich wie möglich ist. Gerade Facebook wird auch bei Veranstaltern sehr gerne gesehen und das ist wirklich etwas, womit wir etwas kämpfen. Niemand von uns ist besonders Medien versiert, unsere privaten Profile sind ziemlich mager, und wir mussten erstmal etwas in das „Social-Media-Game“ reinkommen, weil sich niemand von uns damit jemals auseinandergesetzt hatte, beziehungsweise Interesse vorhanden war. Einerseits ist es eine super Möglichkeit, seine Reichweite weltweit auszubauen, andererseits ist es sehr schade, dass oft nach Likes und Followern entschieden wird, wer den Slot im Programm bekommt. Wahrscheinlich ist das ein Grund dafür, warum die Szene sich etwas verändert. Social Media führt unweigerlich dazu, dass alles etwas kommerzieller wird, da jeder immer im Hinterkopf hat, dass es sich online gut verkaufen muss. Vielleicht liegt deshalb immer mehr der Fokus auf der eigenen Präsenz, als auf der Musik der anderen Bands, weil wir in einer Welt leben, wo Musik nun mal nicht mehr nur das ist worauf es ankommt, sondern das Gesamtpaket stimmen muss.
Johnny Rocky and the Weekend Warriors (Punkrock, Aachen)
Hm, da fällt uns jetzt tatsächlich nichts ein. Aber um trotzdem zu so einer Art Schlusswort zu kommen, möchten wir an dieser Stelle mal festhalten, dass wir insgesamt eine sehr positive Einstellung zur heutigen Underground-Szene haben. Vielleicht liegt das ja daran, dass unsere ersten Live-Erfahrungen schon ein paar Jahre her sind, das war noch in den 1990er Jahren. Damals war es viel (!) schwieriger, überhaupt an Gigs zu kommen. Und wenn man mal irgendwo spielen durfte, kamen nur ein paar Nasen, die hinterher vor allem über den schlechten Sound gemeckert haben. Außerdem hieß es damals auch überall, Rock ist tot, Metal sowieso, in Zukunft hören alle nur noch Hiphop und Techno. Tja, und 20 Jahre später ist die Rock- und Metalszene quicklebendig. Wer hätte das gedacht? Uns passt das jedenfalls ganz gut.
Time For Metal, Heike L.:
Bei den folgenden zwei Antworten habe ich tatsächlich lange überlegt, ob ich sie hier überhaupt drin lassen oder mich einfach still drüber freuen soll. Ich habe mich für ersteres entschieden, denn während und nach Konzerten ist für diese Aussagen wenig bis gar keine Zeit. Die Bandmitglieder sind mit Auf- oder Abbau beschäftigt, stehen am Merchtisch, trinken mit ihren Fans ein Bier oder haben ihren Kopf schlicht woanders. Umso mehr hat es mich dann natürlich gefreut, dass zumindest zwei Bands diese Gelegenheit nutzen, sich auch einmal in meine Richtung zu äußern 🙂
Demise Empire (Death Metal, Essen)
Ja, ich hatte mit der Frage gerechnet, welchen Stellenwert deine Arbeit für uns als Underground Band hat. 😉
Die Frage würde ich gerne beantworten, indem ich mich herzlich bei dir bedanke. Nicht nur für die Möglichkeit, hier zu Wort zu kommen, sondern vor Allem dafür, dass du ein so lebendiger Teil dieser Szene bist. Mit deiner Arbeit und allein durch deine Anwesenheit bei den Shows gibst du mehr, als du vielleicht ahnst.
Echo Appartment (Melodic Rock, Moers)
„Wieso bucht Ihr mich so regelmäßig als Fotografin für Eure Konzerte?“
Antwort:
Weil…
a) die Qualität Deiner Bilder beeindruckend ist,
b) uns Deine Passion und der damit verbundene Aufwand für die Musik-Branche imponiert,
c) wir uns immer freuen, Dich wiederzusehen
So, damit ist diese Kolumne am Ende angelangt. Wie hat es Euch insgesamt gefallen? Habt Ihr irgendwelche Fragen vermisst? Gern wieder Eure Meinung in die Kommentare.