Auri – II – Those We Don’t Speak Of

50 Minuten folkiger Eskapismus

Artist: Auri

Herkunft: Finnland

Album: II – Those We Don’t Speak Of

Spiellänge: 50:24 Minuten

Genre: Folk, Pop, Filmmusik

Release: 03.09.2021

Label: Nuclear Blast Records

Link: https://www.facebook.com/AURlband

Bandmitglieder:

Gesang, Violine, Viola, Keyboard – Johanna Kurkela
Keyboard und Backgroundgesang – Tuomas Holopainen
Gitarre, Bouzouki, Mandoline, Dudelsack, Low Whistles, Aerophon, Bodhrán, Gesang, Keyboard – Troy Donockley
Schlagzeug und Perkussion – Kai Hahto

Tracklist:

  1. Those We Don’t Speak Of
  2. The Valley
  3. The Duty Of Dust
  4. Pearl Diving
  5. Kiss The Mountain
  6. Light And Flood
  7. It Takes Me Places
  8. The Long Walk
  9. Scattered To The Four Winds
  10. Fireside Bard

Der Name Auri dürfte nicht jedem ein Begriff sein. Spätestens wenn die Namen der Bandmitglieder ins Spiel kommen, geht Freunden der wohl erfolgreichsten Symphonic-Metal-Band der Welt ein Licht auf. Die Rede ist von Nightwish, denn Auri bestehen aus sämtlichen Mitgliedern der finnischen Hitgaranten Minus Emppu Vuorinen und Floor Jansen. Am Mikro steht stattdessen Tuomas Holopainens Partnerin Johanna Kurkela. Das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten der Bands. Verfechter von symphonischem Bombast kommen hier ebenso wenig auf ihre Kosten wie beinharte Metaller. Wer sich jedoch folkig cineastischem Eskapismus hingeben möchte, der begibt sich mit mir auf die 50-minütige Reise von Those We Don’t Speak Of. Es handelt sich hierbei um den Nachfolger des 2018 erschienenen, schlicht Auri betitelten Erstlings der Finnen. Nightwish-Drummer Kai Hahto ist neu im Sound der Band.

Der Name Auri basiert auf der gleichnamigen Romanfigur der Königsmörder-Chronik des amerikanischen Schriftstellers Patrick Rothfuss. Bereits 2011 entwickelte man erste Ideen für das gemeinsame Projekt, doch aufgrund anderer Verpflichtungen der Bandmitglieder entstand das Debütalbum erst vor drei Jahren. Für diese Verzögerung dürfte vor allem Tausendsassa Tuomas Holopainen verantwortlich sein, denn dieser hat gefühlt mehr Eisen im Feuer als Tasten auf seinem Keyboard. Umso schöner, dass die Zeit für Auri II gefunden wurde, woran die Auftrittsverbote wieder einmal nicht ganz unschuldig gewesen sein dürften.

Vorhänge zu, Kerzen an und ein gutes Glas Wein oder in meinem Fall eine heiße Tasse Tee bereitgestellt. Diese Musik eignet sich hervorragend, um dem hektischen Alltag zu entfliehen. Der Titeltrack fungiert gleichzeitig als überlanges Intro. Zunächst verbreiten Auri eine eher düstere, melancholische Stimmung, die jedoch im Verlauf des Albums einer unnachahmlichen Leichtigkeit weicht.

Das Lagerfeuer knistert und die akustische Gitarre ist zur Stelle. Der Gesang verkündet den Beginn der Wanderung in The Valley. Die Stimme von Johanna Kurkela ist einfach zum Verlieben. Wie Frodo und Sam einst den Elben in Bruchtal lauschten, lehne ich mich entspannt zurück und laufe in Gedanken barfuß über den moosbedeckten Waldboden. Entschleunigung in seiner reinsten Form.

The Duty Of Dust hat einen wehmütigen Unterton und fährt die Instrumentierung zunächst komplett zurück. Nach zwei Minuten gesellen sich männliche Chorstimmen hinzu. Tuomas Holopainen schafft es zu jederzeit, die richtige Stimmung zu produzieren. Die Bilder vor meinem geistigen Auge führen wirklich an die entlegensten Orte der realen Welt und zu diversen Fantasielandschaften. Die Drums von Kai Hahto geben im weiteren Songverlauf noch den richtigen Kick. Immer wieder höre ich Parallelen zu Holopainens The Life And Times Of Scrooge, an dem ebenfalls Allzweckwaffe Troy Donockley beteiligt war.

Aufbruchstimmung kommt in Pearl Diving auf. Dieser Titel würde auch aktuellen Disney-Produktionen gut zu Gesicht stehen. Das Plätschern des Wassers, die Flöten, der mitreißende Gesang. Das Paradoxon nennt sich geschmackvoll und gleichzeitig kitschig. Aus der Ferne schleicht sich gar ein Gitarrensolo an und der Song gipfelt in fast schon bombastischen Ausmaßen. Zumindest was den Kontext von Auri betrifft. In Nightwish-Gefilde dringt man zu keiner Zeit vor.

Traumwandlerisch malt Kiss The Mountain weitere Farbtöne auf die Leinwand und jagt mir wohlige Schauer über den Rücken. Im knapp siebenminütigen Light And Flood geben zunächst Streicher den Ton an, was den cineastischen Charakter der Band hervorhebt. Die Überleitung zu fluffig leichten Gitarren und Keyboards wurde geschmackvoll gestaltet. Danach dürfen alle Instrumente gleichberechtigt nebeneinanderstehen und das unbeschwerte Kind tanzt sowohl in der Sonne als auch im Regen. Auch der Einsatz von gregorianisch anmutenden Chören ist ein weiteres schönes Detail auf Those We Don’t Speak Of.

It Takes Me Places ist einer der Songs, die mich an alte Within Temptation erinnern. Minimalistischer Bombast nenne ich diesen Sound mal. Zwar habe ich damals meinen Kumpels erzählt, dass mir die rifflastigen Songs der Niederländer besser gefallen, heimlich liefen dann allerdings Schmachtfetzen wie Our Farewell. Der Titel The Long Walk passt haargenau, denn Spannung kommt erst im letzten Drittel auf. Bis dahin plätschert das Stück mit den Vocals im Stil von Enya etwas vor sich hin. Scattered To The Four Winds braucht ebenfalls eine lange Anlaufzeit, macht durch bezaubernde Gesangsharmonien aber eine deutlich bessere Figur. Herr Holopainen ist einfach ein Meister seines Fachs und vermutlich einer der besten Songwriter der Szene.

Es geht ein letztes Mal ans wohlig warme Feuer. Der Barde, der den Abschlusstrack Fireside Bard intoniert, dürfte Troy Donockley sein, dessen dunkles Timbre einen tollen Kontrast zur Stimme von Johanna Kurkela liefert. Das brennende Holz knistert zu den letzten Takten und die Realität kann ruhig noch ein bisschen draußen bleiben.

Auri – II – Those We Don’t Speak Of
Fazit
Einige Unbelehrbare würden Auri wohl als bessere Fahrstuhlmusik abtun. Wer sich jedoch auf diesen Zufluchtsort vor der sich ständig schneller drehenden Welt einlassen kann, wird mit 50 Minuten voller Folk-Fantasie beglückt. Das Einzige, was für meinen Geschmack fehlt, ist ein absoluter Hit wie I Hope Your World Is Kind vom ersten Werk der Finnen. Einige Songs sind etwas gleichförmig, was aber der gesamten Atmosphäre zugutekommt. Ein Album, das gleichermaßen für Waldspaziergänge in den letzten Sonnenstrahlen des Sommers taugt sowie für verregnete Herbsttage vor dem Kamin.

Anspieltipps: The Valley, It Takes Me Places und Fireside Bard
Florian W.
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