Cor – Leitkultur und No Warning – Torture Culture

“Hüben wir drüben“

Artist: Cor / No Warning

Herkunft: Rügen, Deutschland / Toronto, Kanada

Album: Leitkultur / Torture Culture

Spiellänge: 39:38 Minuten / 40:56 Minuten

Genre: Antipop / Hardcore

Release: 06.10.2017 / 13.10.2017

Label: Rügencore Records / Last Gang Records

Link: http://www.ruegencore.de / https://www.facebook.com/nowarning666/

Produktion: Chameleon Studio, Hamburg von Eike Freese / Hamilton und Toronto von Chris Creglia

Bandmitglieder Cor:

Gesang – Friedemann Hinz
Gitarre – Christian Fitzner
Bassgitarre – Matthias Arndt
Schlagzeug – Johannes Hinz

Bandmitglieder No Warning:

Gesang – Ben Cook
Gitarre – Matt DeLong
Gitarre – Jordan Posner
Bassgitarre – Ryan Gavel
Schlagzeug – Jesse Labovitz

Tracklist Leitkultur:

  1. Gras
  2. Gift
  3. Das Schöne Leben
  4. Leitkultur
  5. Die Anderen
  6. Vollkontakt
  7. Propaganda
  8. Sauber
  9. Spielverderber
  10. Getötet
  11. Vom Glück Das Alles Endet

Tracklist Torture Culture :

  1. Headless
  2. In The City
  3. Unreality
  4. Beyond The Law
  5. Total Surrender
  6. Hell Realm
  7. Like A Rebel
  8. Alleys Of My Mind
  9. Sanctuary
  10. Animal
  11. No Influence (From The Outside World)
  12. Torture Culture

„Die Welt ist voller Schrecken“ las ich kürzlich in einem 200 Jahre alten Familientagebuch. Und obwohl ich keineswegs schwarzmalen möchte, lässt sich – betrachtet man die Menschheitsgeschichte – doch eine gewisse Tendenz beobachten, dass wir es uns am liebsten selbst und gegenseitig schwer machen. Da kann man schon mal wütend werden. Verständlich.

Der Musikstil, der rohe Wut bis heute am besten zum Ausdruck bringen kann, ist Hardcore, der – entgegen seines brutalen Äußeren – dabei ein toll vernetztes und sehr kooperatives Netzwerk um den ganzen Globus spannt. So verwundert es also nicht, dass dieser Tage – genau wie eigentlich immer, aber eben doch gerade jetzt, in Zeiten von Krieg, Flucht, Trump, Paradise Papers und Klimawandel – auf beiden Seiten des Teiches wütende Botschaften gebrüllt und Fäuste gereckt werden.

Im Nachbarland der (zunehmend mehr) Tellerwäscher und (zunehmend weniger) Millionäre+ schreiten No Warning mit ihrem dritten Album in ihrer fast zwanzigjährigen Karriere zur Tat. Davor hatten sie zehn Jahre pausiert, aber es musste wieder sein: gerade jetzt. Dabei tischen die fünf Torontoer gewohnt hochwertigen, klassischen Hardcore auf. Ballerbeats, Gniedelsolos, wütende Shouts und hohes Tempo: alles dabei.

Ganz ähnlich, aber doch anders: Cor, die immerhin auch schon seit fünfzehn Jahren ihre Meinung vom schönen Rügen aus herüberbrüllen. Hier treffen sich Knatterdrums und Rumpelgitarren immer wieder zum Rendezvous mit akustischen Gitarren und gesprochenem Wort. Dabei verlieren die Songs erfreulicherweise nie an Spannung und der Abwechslungsreichtum ist tatsächlich genau das: ein Reichtum musikalischer Facetten.

Interessant sind auch die textlichen Herangehensweisen der Bands. Während Cor durchaus mal brachial zu Werke gehen, wie beispielsweise in Vollkontakt („Ich schrei euch ins Gesicht: / Fickt euch selbst / Mich fickt ihr nicht! / Vollkontakt / Pur und nackt / Vollkontakt / Und ins Gesicht“), schleicht sich hier durchaus auch hier und da ein Augenzwinkern in die Platte mit dem Friedensbringer auf dem Cover: „Die Sonne steht tief / Wir nähern uns der Wende / Ein Kommen und ein Gehen / Ein Glück, dass alles endet“. Diesen Schritt gehen No Warning nicht mit. Bei ihnen regieren Düsternis und Zorn: „Choked with sorrow as today / becomes tomorrow / I can’t go outside / Now i am become death / The destroyer of our kind“, wie es im Titelsong beispielsweise heißt. Vor lauter sprachloser Empörung flüchtet sich Sänger Ben Cook außerdem merklich häufiger auf eine metaphorische Ebene, um überhaupt Worte für die Schrecken der Welt zu finden.

Fazit: Hüben wie drüben wird dieser Tage gut gebrüllt. Und das gar nicht mal schlecht! Beide Alben können sich wirklich hören lassen und machen Lust auf mehr. Während es bei den Kanadiern von No Warning einseitig das Fressbrett poliert gibt, setzen die Rügener von Cor auf mehr Abwechslung, verteilen ihre Haken auf alle Körperteile und schlagen auch mal hinterrücks zu. Außerdem schaffen sie es, in den Texten wenigstens ein kleines bisschen Optimismus durchschimmern zu lassen, so schwer der auch manchmal zu finden ist. Leitkultur 8/10 - Torture Culture 7,5/10.

Anspieltipps: Gras, Leitkultur, Vom Glück das alles endet / Headless, Sanctuary, Torture Culture
Sören R.
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