Artist: Cyant
Herkunft: Aachen, Deutschland
Album: For All I Am
Spiellänge: 40:51 Minuten
Genre: Metalcore, Modern Metal
Release: 06.12.2024
Label: Easthaven Records
Link: https://cyantofficial.com/
Bandmitglieder:
Gesang – Kevin Kearns
Gitarre – Klaus Sommer
Gitarre – David Sehling
Bassgitarre – Markus Ganzmann
Schlagzeug – Malte Jöris
Tracklist:
- Apex Predator (feat. Sebastian Fischer)
- The Pack
- Hope Is My Heroin
- The Violence
- A Part Of You
- My Misery
- The Atomos Pt. 2
- Arising
- For All I Am
- Values
- F41.0
- The Ugly Kid
Die Älteren unter uns werden sich erinnern: In den Neunzigern wurde aus Raider plötzlich Twix, vor ca. 15 Jahren wurde aus Premiere die neue Marke Sky und seit Anfang dieses Jahres nennt sich die aus dem Raum Aachen stammende Band The Legion:Ghost jetzt Cyant. Die alte Besetzung um Sänger Kevin Kearns, der neuerdings auch bei Kalle Wallners Projekt Blind Ego (zum Review des aktuellen Albums The Hunting Party) am Mikro steht, ist geblieben. Laut dem Frontmann wollte man den neuen Bandmitgliedern, die im Laufe der Jahre hinzukamen, eine bessere Identifikation mit „ihrer“ Band vermitteln. Immerhin sind auch schon The Legion:Ghost aus der Asche von Koroded hervorgegangen. Den alten Namen (mit Doppelpunkt!) konnte sich doch eh keiner merken. 😉 Also, frischer Start, alles auf Anfang: Kevin, Markus, Klaus, David und Malte aka Cyant sind bereit, mit ihrem Album For All I Am die Metalcore-Szene aufzumischen. Damit der Neustart gelingt, haben sich die Aachener die Dienste zweier bewährter Szenegrößen gesichert. So ist Daniel Haniß (Electric Callboy, Samurai Pizza Cats) für Mix sowie Produktion zuständig und Christoph Wieczorek (Annisokay) sorgte für das Mastering.
Kurz zurückgespult: Im März 2023 brachten die Jungs noch unter dem alten Banner eine Single namens Guilty (Far From Perfect) auf den Markt, die nicht nur meinen Erstkontakt mit der Band markierte, sondern auch eine großartige Neuentdeckung für mich bedeutete. Kurz darauf sprachen der liebe Kollege Kai und ich im Podcast (zur Folge) mit dem sympathischen Sänger Kevin über Metal-Marken und Dinge, die man braucht, um eine Band zu gründen. Endgültig überzeugen konnte mich die Band dann auf meinem Stammfestival, dem Rockharz im letzten Jahr: Dort rissen TLG schon zur Mittagszeit die Hütte ab.
Nun aber wirklich zum neuen Kapitel namens For All I Am. Das Album befasst sich mit persönlichen Themen sowie Beobachtungen einer Gesellschaft, die wieder einmal vor einem Wandel steht. Für den Auftakt holten sich Cyant weitere Verstärkung aus dem Hause Samurai Pizza Cats ins Boot. Sebastian Fischer liefert das Vocal-Feature. Nur wenige Sekunden pirscht sich das Raubtier namens Apex Predator an seine Beute heran und schlägt dann erbarmungslos zu. Blastbeats, Stakkato-Riffs und markerschütternde Schreie dominieren das Geschehen. Die Textzeile „We are the grim face of nature“ im Refrain sorgt für den ersten Gänsehautmoment, ehe das Gemetzel weiter seinen Lauf nimmt. Auf den ersten Blick (bzw. Hör) ist zu erkennen, dass die Produktion auf höchstem Niveau angesiedelt ist. Nicht nur aufgrund des Vocal-Features fließt der Gesang abwechslungsreich durch meine Gehörgänge. Hier wird gescreamt, geshoutet, gerappt und auch mal klar gesungen. Toller Einstieg!
Das eröffnende Riff in The Pack lässt stark vermuten, dass hier jemand die letzten Parkway Drive Alben genauer unter die Lupe genommen hat. Eine Faust in die Luft und Kopf geschüttelt. Metalcore meets Stadionatmosphäre sag’ ich dazu nur. Ehe hier Plagiatsvorwürfe aufkommen, drücken Cyant der Nummer schnell wieder ihren eigenen Stempel auf. Schöne Gitarrenharmonien und die „Faust gegen die Brust“-Zeile „We are the pack, fuck what they say“ sorgen für ein „Wir gegen den Rest der Welt“ Gefühl. Hier hat sich eine Einheit verschworen. Ein kurzes Break sorgt für die nötige Verschnaufpause und schiebt anschließend die Stadion-Theorie mit Ohohohohoooo-Chören weiter an.
Hope Is My Heroin, die zuletzt veröffentlichte Single, ist ganz klar im Hitmodus unterwegs. Deutlich poppiger startet die Nummer mit luftigen Synthie-Sounds und Hooks en masse. Der fette Rap-Part, der in einem fiesem Scream mündet, sorgt für herunter klappende Kinnladen. Im Mittelteil geht es noch mal ganz tief in den Keller und im Bauch wird Wut geschürt. Die weicht beim nächsten Thema der Verzweiflung. The Violence thematisiert das Gefühl der Machtlosigkeit bei all der sinnlosen Gewalt auf unserem Planeten. Die Vocals schnauben vor Wut, ehe sich die Hilflosigkeit in den Worten „Now this war is calling. Another soldier has to fall. We can not stop – the violence, the violence“ widerspiegelt. Cyants Trumpf ist, dass sie es zu jeder Zeit schaffen, Lyrics stimmungstechnisch perfekt in die Musik einzubetten.
Weg vom Weltschmerz, hin zu persönlichen Verlusten. A Part Of You trifft mich härter als erwartet. Sänger Kevin drückt den Verlust seines Vaters Dave in so hochgradig emotionalen Worten aus, sodass der geniale Song fast in den Hintergrund gerät. Auch mein Vater ist letztes Jahr von uns gegangen. Ich fühle einfach jede Sekunde.
Die Zeile „Fuck this life, when days are all the same“ gefolgt von einem herzhaften „BLEGH“ eröffnet den Song My Misery. Jetzt heißt es Tränen wegwischen und ein bisschen Frust herausschreien. David und Klaus ziehen an den Gitarren alle Riff-Register und Kevin toppt seine ohnehin schon starke Leistung noch einmal. Mal geht er in die tiefsten Tiefen, dann wieder in flauschige Höhen. Emotionen kann man halt nicht KI-generieren, soviel steht fest. Nervös rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her und erwarte den nächsten Einschlag. Dadurch, dass der Songaufbau immer wieder variiert, kommen auch keinerlei Ermüdungserscheinungen zustande. Two gems in a row!
The Atomos Pt. 2 markiert die Fortsetzung vom TLG-Debütalbum Two For Eternity und trägt erneut eine Menge Verbitterung mit sich. Die melodischen Gitarrenläufe bilden einen starken Kontrast zu den bitterbösen Screams. Riffs und Drums warten auf ihren Einsatz – der Circle Pit kann starten. Gut, dass das Instrumental Arising eine kurze Auszeit für alle „Coreknaben“ parat hält. Was dann folgt, ist einfach nur zum Niederknien. Ich wiederhole mich häufig in Reviews, was den Titelsong eines Albums angeht. Einige Bands „verbraten“ eben diesen bei einem Intro oder gar einem belanglosen Song. Cyant wissen, wie es geht: Der Titelsong ist das verdammte Aushängeschild des gesamten Albums. Und so machen die Jungs hier keine Gefangenen. Ein Statement in Form eines Songs. Jedes Riff wirkt noch tighter, jede Melodie noch ausgefeilter und jedes Wort noch persönlicher. Bin ich der Letzte, der noch steht und kämpft? Diese Frage stellt sich der Protagonist oder besser gesagt der Antigonist. Hier ist nichts weiter als gepflegte Eskalation an der Tagesordnung.
Das anschließende Values ist sicher keine schlechte Nummer, kann aber gegen den Titelsong nur abstinken. Während die Band in den Strophen noch die Fahne hochhält, flacht das Ganze im Refrain für meinen Geschmack etwas zu sehr ab. Deshalb geht’s gleich in den Endspurt. Akustische Klänge ziehen in F41.0 am Horizont auf. Das Lied spielt mit Laut-Leise-Dynamik und hält den Hörer mit zahlreichen Spannungsbögen bei Laune. Das Schlagzeugspiel von Malte ist vor allem in den ruhigeren Momenten mit tollen Fills gespickt – Zucker! Was folgt, ist ein erhobener Mittelfinger an all die Schulhof-Rüpel, denen es Freude bereitet, vermeintliche Außenseiter zu mobben. The Ugly Kid ist noch so ein Song, mit dem ich mich nur zu gut identifizieren kann. Zudem kommt das neugewonnene Selbstbewusstsein des Jungen, der zum Mann geworden ist, in der Musik bestens zur Geltung und liefert die passenden Schlussworte gleich mit: „You can try your best, but still you cannot break me“.