Harsh Vocal Camp 2024 – by Britta Görtz – Samstag, der 5. Oktober 2024

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Harsh Vocal Camp 2024 – by Britta Görtz – Freitag, der 4. Oktober 2024

Samstag, 05.10.2024
Harsh Vocal Camp 2024 – by Ben Bloodygrave @benbloodygrave

Der zweite Tag beginnt nicht für alle ganz frisch, doch nach einem stärkenden Kaffee sitzen wir pünktlich auf unseren Plätzen in der Rampe. Toni Linke eröffnet den Tag mit einer Keynote zum Thema „Fry Scream“. Er erklärt anschaulich, wie die eher hohen und lauten Techniken funktionieren und wie ein erster Schritt in diese Gesangstechnik aussehen könnte. Nach einem Überblick über verschiedene Meinungen, die aus mehreren YouTube-Videos zusammengetragen wurden, erläutert Toni den Unterschied und die Verbindung zwischen klarem Gesang und Subharmonien sowie die polyphonen und atonalen Effekte, die im Fry Scream zusammenwirken. Obwohl das Thema zunächst sehr „nerdig“ klingt, ist die Keynote äußerst aufschlussreich und zeigt, dass die Verbindung zwischen Fry Screaming und Harsh Vocals viel komplexer ist, als man auf den ersten Blick – oder Scream – vermuten könnte. Begriffe wie „Creaking“, „Pulsregister“, „Twangy Distortion“, „Hyper-Compressed Distortion“ und „Pushed Distortion“ werden anhand von live vorgetragenen Beispielen erläutert, wodurch sie greifbar und verständlich werden. Besonders gut ist, dass Toni den Vortrag durch hörbare Beispiele und interaktive Mitmachpassagen auflockert und für alle unterhaltsam gestaltet. Faszinierend ist, dass das gesamte Publikum mitmacht – niemand sitzt untätig da. 

Im anschließenden, auf dem Vortrag basierenden Workshop geht es lauter zu, und sicherlich haben die Nachbarn gedacht, ein „Jurassic Park“ sei ausgebrochen. Mit viel „White Noise“, „Aaahhhhs“ „Eehhhhmms“ und „Mmmmhs“ nähert sich die Gruppe den Grundlagen des Fry Screamings. Es ist angenehm, dass wir gemeinsam singen, muhen und zwischendurch auch viel lachen. Toni Linkes lockerer und angenehmer Stil sorgt dafür, dass sich niemand gestresst oder überrumpelt fühlt, selbst wenn Einzelne vor dem gesamten Publikum mal gut und mal weniger sicher performen. Doch genau dafür sind wir hier: Um unsere Stimmen zu erfahren und vielleicht mit einem klareren Verständnis nach Hause zu gehen. Auch das Beobachten anderer in ihrer stimmlichen Entwicklung hilft dabei, die eigenen Grenzen besser kennenzulernen. 

Nach einer Stärkung in einem nahegelegenen Restaurant beginnt der Nachmittag mit einem Workshop zu Konzertgrundlagen. Unter dem Titel „Metal im Konzert“ erklärt uns Nadja Rauchwarger, eine Fachkraft für Veranstaltungstechnik, wie ein Festival oder Konzert abgemischt werden muss und welche Rolle Frequenzen und Soundverwehungen bei einem Event spielen. Sie geht gezielt auf die Frequenzbereiche ein, die jedes Instrument benötigt, um in der Gesamtkomposition seinen Platz zu finden. Am Beispiel eines kleinen Clubs zeigt sie, wie sich der Bass im Raum verteilt und welche Frequenzbereiche sich gegenseitig aufheben. Besonders interessant ist ihr Fokus auf den Soundcheck und die häufigen Fehler, die dabei passieren können, wenn die Vocals nicht richtig im Mix integriert werden. Sie beschreibt es humorvoll mit dem Vergleich zu „Schmelzkäse“. 

Das Thema weitet sich auf die Mikrofonauswahl und deren Handhabung aus. Auch wenn manche Aspekte als Basics erscheinen, zeigen die gezielten Fragen der Teilnehmer, dass Themen wie Kompression, der Abstand zum Mikrofon und der Neigungswinkel zum Mund wichtige Punkte sind. Neu für mich ist die Erkenntnis, dass das sogenannte „Cupping“, also das Abdecken der Mikrofonkapsel, ein Stilmittel sein kann – allerdings mit einigen „Dont‘s“, die dabei zu beachten sind. Beim Thema Monitoring und PA-System besprechen wir theoretische Grundlagen, die später im Live-Betrieb im Mephisto-Club praktisch umgesetzt werden sollen. Abschließend geht es um den technischen Rider aus Sicht eines Tontechnikers und wie die Kommunikation zwischen der Band und dem FOH (Front of House) idealerweise ablaufen sollte. 

Harsh Vocal Camp 2024 – by Kai Rath

Ein Szenenwechsel: Mit der Straßenbahn geht es für die Teilnehmer nach dem Vortrag und dem obligatorischen Gruppenfoto quer durch Hannover. Auch die Zeit wird direkt zum weiteren Netzwerken verwendet. Nach wenigen Minuten an der Location angekommen, stellen sich die Kollegen von 30666 – City Of Metal e.V. vor, die so nett waren und die Gastgeberin bei der Organisation des heutigen Konzerts unterstützt hatten.

Der Abend findet seinen Ausklang im Mephisto-Club, wo die Bands For I Am King (Metalcore), Rise Of Kronos (Olympic Death Metal), Torturized (Death Metal) und Human Abyss (Blackened Death Metal) auftreten. Bevor es jedoch so weit ist, haben die Teilnehmer des Harsh Vocal Camps noch die Gelegenheit, live beim Soundcheck der Bands dabei zu sein. Hier kann das theoretisch Gelernte in der Praxis erlebt und direkt angewendet werden. Es ist spannend zu sehen, welche Möglichkeiten es beim Konzertmixing für Harsh-Vokalisten gibt, welche Handzeichen die Techniker erwarten und wie die Musiker auf der Bühne dem Techniker im Raum die nötigen Instruktionen geben können und auch was alles „schiefgehen“ kann. Da die Gruppe am FOH in zwei Kleingruppen aufgeteilt werden muss, entscheiden wir uns, zusammen mit einer Sängerin einer Punkrock-Band, einer A-cappella-Sängerin und einer Zimtschnecke (Insider), eine Zimtschnecke essen und einen Kaffee trinken zu gehen. Der ungezwungene Austausch bringt mal wieder hervor, dass die Personen beim Harsh Vocal Camp nicht nur zum Lernen, sondern auch zum Netzwerken gekommen sind.

Die vier Konzerte lassen den Abend entspannt ausklingen, und es ist schön zu beobachten, dass die Bands, trotz der Unterschiede in den Subgenres, das gesamte Publikum ansprechen. Die Veranstalter haben bei der Auswahl der Bands ein gutes Gespür bewiesen. Ein besonderes Highlight des Abends ist der Auftritt des Dozenten Hrafn Zimmermann, der spontan mit der Band Rise Of Kronos auf die Bühne steigt und bei einem Song mitsingt. Dadurch, dass Hrafn seine Stimme dynamisch einsetzen kann, wirkt es so, als hätte er leichtes Spiel bei den wirklich nicht ganz einfachen Vocalpassagen.  

Auffällig ist auch, dass die Veranstaltung nicht zur „Britta Görtz-Show“ wird. Der Fokus bleibt stets auf dem Hauptfokus des Harsh Vocal Camps, und die Dozenten sind den Abend über präsent und ansprechbar. Immer wieder sehe ich, wie Teilnehmer einzelne Dozenten oder Dozentinnen ansprechen, um persönliche Fragen zu stellen oder dass sogar kurze Mini-Einzelsessions entstehen. Diese lockere Atmosphäre macht den Abend zu einem besonderen Erlebnis.

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Harsh Vocal Camp 2024 – by Britta Görtz – Sonntag, der 6. Oktober 2024