Event: Nacht Der Balladen 2025
Headliner: Versengold
Special Guest: Annie Hurdy Gurdy
Ort: Laeiszhalle Hamburg
Datum: 19.03.2024
Genre: Folk Rock
Besucher: Circa 2.000
Ein prunkvoller Saal
Noch bevor man die Pforten der Laeiszhalle durchschreitet, begrüßt einen Musik: Ein Straßenmusikant spielt Geige, während aus den Fenstern der Halle warmes Licht nach draußen scheint. Drinnen empfangen breite Treppen, der rote Teppich schluckt die Schritte, dunkle Holztüren führen in den Konzertsaal: vollständig bestuhlt, restlos ausverkauft und bereits in Nebel und Dunst gehüllt. Unter der geschwungenen, stuckverzierten Decke verlaufen zwei Galerien, beide randvoll mit erwartungsvollen Gästen.
Sie warten auf Versengold, die heute ihre Nacht Der Balladen beginnen. Eine Tour, die nicht auf Festivals oder durch Clubs führt, sondern durch Theater- und Konzertsäle, oft der eleganten und alten Art. Und für diese Tour wurden so einige Balladen entstaubt, die man auf den Festivals im Sommer kaum noch hört.
Gastmusikerinnen veredeln den Klang
Um acht Uhr erklingen dann die ersten Klänge. Auf In Den Wind, ein Duett mit Annie Hurdy Gurdy, eröffnet den Abend. Sie spielte bereits mit Versengold-Sänger Malte Hoyer zusammen das Musik-Hörspiel Dämmerland ein und begleitete die Band auf früheren Touren. An diesem Abend kehrt sie mehrmals mit Gesang und Drehleier auf die Bühne zurück.
Damit ist sie nicht die einzige Gastmusikerin: Vier Streicherinnen, überwiegend aus dem Projekt Eklipse, begleiten den gesamten Abend. Auch ein zusätzlicher Percussionist sorgt für Klangfülle. Der Sound ist erstklassig, so gut wie in der Laeiszhalle hören sich Versengold selten an. Selbstverständlich kommt Sänger Malte Hoyer trotzdem darauf zu sprechen, wie er trotz Spickzetteln direkt einen Texthänger hatte: Er hatte einfach die falsche Seite aufgeschlagen … So sympathisch wie zur Güte bekannt sind große Teile der Moderation, wenn man in den letzten Jahren auch nur einmal auf einem ihrer Konzerte war.
Versengolds Vier Jahreszeiten
Das Konzert selbst ist thematisch zweigeteilt: In Herbst & Winter sowie Frühling & Sommer. In der ersten Hälfte erklingen etwa Die Tochter Der Weiten – laut Malte Hoyer nach der letzten Nacht der Balladen in “erbosten” Nachrichten gefordert – oder Alles Hat Eine Geschichte – der Dämmerland-Beitrag. Als Weihnachtslied angekündigt, mit Glöckchen und einem großen Geigenpart von Florian Janoske eingeleitet, überrascht dann Sally O’Brien – definitiv kein typisches Weihnachtslied, eher ein Gelagelied.
Musikalisch stark, bleibt die erste Hälfte doch unvollständig. Ein typisches, bestuhltes Konzert: Ordentlicher Applaus, doch nur ein Song bringt die Taschenlampen zum Leuchten und das Publikum zum Stehen. Und nur ein einziges Paar tanzt alleine am Rand, auf dem schmalen Streifen zwischen Stühlen und Wand. Gleichzeitig gibt es zu wenige Lieder, die emotional so stark berühren, wie es etwa die Ballade über Tjark Evers kann.
Erst nach der etwa zwanzigminütigen Pause, zu Frühling & Sommer, kommt Bewegung in den Saal. Schon Immer Mal bringt als schwungvolles Liebeslied Energie, Haut Mir Kein Stein getragene Ruhe. Mit Die Blätter, Die Im Frühling Fallen ist als offen gesellschaftskritisches Lied an diesem Abend in der Minderheit. Bei Der Tag, An Dem Die Götter Sich Betranken, steht dann der Großteil des Saales auch endlich und klatscht energiegeladen mit – doch ist das schon fast das Ende, nur gefolgt vom Mondlicht als Zugabe.
Früher war Manches besser?
Also: eine klare Empfehlung? Jein. Wer Versengold liebt, besonders die ruhigeren Stücke und gerne einfach nur zuhören und nicht tanzen möchte – der bekommt hier zweieinhalb Stunden Klang vom Feinsten. Doch gleichzeitig zeigt die Nacht auch, welche Lieder auf den Festivals im Sommer fehlen werden. Stücke wie Schon Immer Mal, zu denen man wunderbar durch die Nacht tanzen könnte, die man aber nur hier hören kann.
Doch vielleicht ist die Vergangenheit der größte Gegner dieser Tour: Pünktlich zum Tourbeginn ist das Album zur vorherigen Nacht Der Balladen im Jahr 2023 erschienen. Ich habe es beim Schreiben dieses Textes gehört und so viele Lieder vermisst, die dieses Jahr nicht gespielt wurden. Sei es Paules Beichtgang zusammen mit dem Ablasstanz, also purer Spaß und eine Leichtigkeit, die auch eine bestuhlte Halle zum Ausrasten bringen könnte – von Nostalgie ganz zu schweigen. Oder die Winterflut 1717, die voll Kummer und Angst direkt ins Herz geht.
Besonders fehlte mir auch das Meer Aus Tränen, wird das Leid von Menschen auf der Flucht doch nicht weniger. Von den Alten Männern, die die Grenzen schließen wollen, gibt es aktuell umgekehrt sehr viele in der Politik. Sie hätten sich ihr Lied sicherlich verdient. Und die Warnung vor dem Krieg, die ebenso in Tod Und Trommeln erklingt, ist keinen Funken weniger dringend als noch vor zwei Jahren. Doch sie alle wurden gestrichen – und ihr Ersatz hat mich weit weniger berührt. So bleibt mir am Ende auch ein kleiner Hauch von Belanglosigkeit als Nachgeschmack. Und das, obwohl es ein wirklich gutes Konzert war.