The Flower Kings – By Royal Decree

Zurück in der Welt der Abenteuer

Artist: The Flower Kings

Herkunft: Schweden

Album: By Royal Decree

Spiellänge: CD1 52:18 Minuten, CD2 41:46 Minuten

Genre: Progressive Rock

Release: 04.03.2022

Label: InsideOut Music

Link: http://www.facebook.com/TheFlowerKings

Bandmitglieder:

Gesang, Gitarre und Keyboard – Roine Stolt
Gitarre und Gesang – Hasse Fröberg
Orgel, Piano und Synthesizer – Zach Kamins
Bassgitarre und Backgroundgesang – Michael Stolt
Bassgitarre – Jonas Reingold
Schlagzeug – Mirko DeMaio
Percussion – Hasse Bruniusson

Gastmusiker:

Bassgitarre – Jonas Lindberg
Saxofon – Rob Townsend
Akkordeon – Aliaksandr Yasinski
Backgroundgesang – Jannica Lund

Tracklist:

  1. The Great Pretender
  2. World Gone Crazy
  3. Blinded
  4. A Million Stars
  5. The Soldier
  6. The Darkness In You
  7. We Can Make It Work
  8. Peacock On Parade
  9. Revolution

  1. Time The Great Healer
  2. Letter
  3. Evolution
  4. Silent Ways
  5. Moth
  6. The Big Funk
  7. Open Your Heart
  8. Shrine
  9. Funeral Pyres

Nach neuem Material eines alten Hippies, nämlich Arjen Lucassen mit Star One folgt ein neues Werk eines anderen alten Hippies, Roine Stolt. Sowohl Herrn Arjen als auch Herrn Roine durfte ich schon in Interviews begrüßen. Was soll ich sagen: Wären alle Musiker oder Menschen so wie die beiden, wäre die Welt ein besserer Ort. Bodenständig, authentisch, unglaublich begnadet in ihrem Handwerk und immer mit dem Herzen dabei. Per königlichen Erlass oder By Royal Decree heißt das fünfzehnte Werk der schwedischen Blumenkinder The Flower Kings. Gerade einmal zwei Jahre nach Islands haben es die Mannen um Multiinstrumentalist Roine Stolt geschafft, anderthalb Stunden Material auf zwei CDs zu pressen. Davon stammen einige Ideen sogar aus der Zeit vor den Aufnahmen zum ersten Flower Kings-Album. Das war Anfang der Neunziger, als sie auf die „grandiose“ Idee kamen, eine Retro-Prog-Band zu gründen. Passend dazu kehrt Roines Bruder Michael Stolt nach mehr als zwei Dekaden zurück ins Line-Up und teilt sich den Bass mit Jonas Reingold. Das Besondere am neuesten Album der Schweden ist, dass sie sich tatsächlich die Zeit genommen haben, um alle Ideen geschlossen in einem Raum zu besprechen, auszuarbeiten und gemeinsam zu musizieren – ganz so wie in der Zeit vor der Pandemie und im analogen Zeitalter. Selbst das gemeinsame Kaffeetrinken und Abendessen kam dabei nicht zu kurz. Können The Flower Kings mit der „Anything-Goes-Mentalität“ der 60er und 70er punkten?

Photo Credit: Lillian Forsberg

Vorweggenommen: Was mir nach zahlreichen Durchläufen sofort auffällt, ist der organische „Fluss“ von By Royal Decree. Kaum ein Song spielt den Helden, stattdessen groovt die Band harmonisch durch ihren unverwechselbaren Sound. Ein Stück Eskapismus in dieser verrückten Welt, mit ehrlichen Noten und noch ehrlicheren Texten. Angefangen bei der tollen Leitmelodie des Openers The Great Pretender, die von Keyboards dominiert wird. Die „stoltschen“ Gitarrensoli bekommen später natürlich auch noch ihren Auftritt. Wie man es von den Kings gewohnt ist, teilen sich Hasse Fröberg und Roine Stolt den Leadgesang. World Gone Crazy, ein Titel, der immer und überall passt. Pandemie, Verschwörungstheorien, Krieg – in was für einer Zeit leben wir? Trotz der anklagenden Worte kann mich Roines sanfter Gesang in Sicherheit wiegen: Now, let’s face it, the world has gone crazy. Das Keyboardsolo gegen Ende ist hinreißend und die eingestreuten Percussions der Gastmusiker sorgen für tolle Akzente.

Das dramatische und etwas verrückte Blinded bereitet den Weg zum ersten Highlight in der sonst so homogenen Masse. A Million Stars ist einfach Flower Kings at its best. Träumerische Folkparts, die warme Stimmfarbe von Mr. Stolt und dazu dieses Gefühl, Lichtjahre entfernt auf dem „Prog-Planeten“ zu tanzen – mehr brauche ich nicht. Trotz des Titels The Soldier zeigt die musikalische Seite fast schon fröhliche Züge. Allerdings zu jeder Sekunde mit einem leicht melancholischen Unterton. Die Dunkelheit gewinnt dann passend zum nächsten Songtitel The Darkness In You die Oberhand. So schwermütig erlebt man die Blumenkinder äußerst selten. Damit muss ich mich erst mal anfreunden. Die bluesigen Soli auf der elektrischen Gitarre zaubern dann allerdings auch bei all der Trauer ein Lächeln auf mein Gesicht. Die Beatles lassen grüßen und We Can Make It Work bringt die steifen Hüften wieder in Bewegung. Unter drei Minuten, aber alles richtig gemacht.

Der Pfau vom Albumcover, das ein Gemälde von Kevin Sloan zeigt, erscheint auf der Bildfläche. Peacock On Parade malt die Leinwand bunt und zieht einige schön vertrackte Akkorde aus dem Federhut. Da lacht das alte Proggerherz beim größtenteils instrumental gehaltenen Stück und ich notiere den nächsten Anspieltipp. Zum Ende von Seite eins ist es noch mal an der Zeit, eine Revolution zu starten. Zunächst muss ich an klassische Barockmusik denken, bevor die E-Gitarre wieder Einzug hält und anfängt zu singen. Ein etwas verträumtes Hinübergleiten zu den nächsten acht Kompositionen mit Zitaten aus A Million Stars.

Photo Credit: Lillian Forsberg

Den Staub von der Platte gepustet und sanft die Nadel gesenkt zum zweiten Akt von By Royal Decree. Time The Great Healer nimmt jeden Anflug von Hektik aus der erzählten Geschichte. Entschleunigung in musikalischer Form. Der Bass sorgt im Mittelteil für eine lässige Angelegenheit, bevor Videospiel-artige Soundlandschaften übernehmen. Mal wieder einen Brief schreiben? Keine schlechte Idee. Genau wie die beschwingte Songstruktur von Letter. Einfach eine Nummer, die direkt für gute Laune sorgt und sich im Kopf festsetzt. Passend dazu sorgen auch die Keys zu Beginn von Evolution für Freude. Bis hierhin habe ich das Gefühl, dass die zweite Hälfte etwas mehr auf den Spaßfaktor setzt. Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen hat in den letzten Tagen auch schon Silent Ways hervorgelockt. Barockig, folkig, zauberhaft. In schlechten Zeiten einfach den Mut nicht verlieren. Die Kraft der Musik ist unverkennbar.

Schluss mit lustig: Moth geht wieder etwas bedrohlicher zur Sache, verfehlt aber mit den minimalistischen Arrangements keineswegs seine Wirkung. Kurzer Cut, denn so spielfreudig habe ich die Band lange nicht mehr erlebt. Obwohl die Vorgabe eigentlich „so wenig wie möglich und so viel wie nötig“ heißen müsste, haben die Kings scheinbar ihren inneren Frieden gefunden. Ehe The Big Funk droht, etwas zu sehr dahinzuplätschern, wendet sich das Blatt nach einem Break. Der mehrstimmige Gesang im Verbund mit Jannica Lund hebt den Song empor. Auch bei Open Your Heart bekommt man dieses Gefühl, was sonst nur bei den guten alten Bands entsteht: Analog ist gut, weniger ist mehr und die Siebziger waren der Höhepunkt des Rock, vor dem man sich nur noch in Ehrfurcht verneigen kann. Das Piano-Intermezzo Shrine rollt den roten Teppich zum königlichen Finale aus. Funeral Pyres zeigt in über sieben Minuten noch einmal auf, warum man The Flower Kings als Fan des Retro-Prog-Genres lieben muss. Die Gitarre reißt den Himmel auf und spielt den Ball rüber zum lässig groovenden Bass. Sowohl Hasse Fröberg als auch Roine Stolt haben einfach so unfassbar viel Charakter in der Stimme, sodass man ihnen jedes gesungene Wort abkauft. Keine Spur von Langeweile in über 90 Minuten, so etwas nennt man dann wohl Hingabe.

The Flower Kings – By Royal Decree
Fazit
The Flower Kings müssen sich nach so vielen Jahren nicht mehr neu erfinden. Sie wollen die bestmögliche Version von sich selbst sein und das haben sie mit By Royal Decree geschafft. Ohne an absolute Glanzzeiten heranzureichen, bieten die 18 Kompositionen genügend Stoff für Liebhaber und die Nadel landet ganz schnell wieder auf dem Anfang. Anderthalb Stunden Eskapismus im musikalischen Gewand der Siebziger.

Anspieltipps: A Million Stars, Peacock On Parade, Letter und Silent Ways
Florian W.
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