Callejon – Eternia

Die liebenswerten Trollaner haben ihren Zauber nicht verloren

Artist: Callejon

Herkunft: Düsseldorf, Deutschland

Album: Eternia

Spiellänge: 43:07 Minuten

Genre: Metalcore, Post-Hardcore, Screamo

Release: 28.10.2022

Label: Warner Music

Link: https://www.facebook.com/callejon

Bandmitglieder:

Gesang – Bastian „BastiBasti“ Sobtzick
Gitarre – Bernhard „Action“ Horn
Gitarre – Christoph Koterzina
Bassgitarre – Thorsten Becker
Schlagzeug – Maximilian Kotzmann

Tracklist:

  1. Eternia
  2. Tor Des Todes
  3. Guillotine
  4. Sternenstaub
  5. Mary Shelley
  6. Emokeller
  7. Scareglow
  8. Ich Komme Niemals An
  9. Hexenhaus
  10. Silver Surfer
  11. Loreley X2p1

Komm, ich nehme dich an die Hand und wir überqueren die Stadtgrenze von Metropolis und reisen gemeinsam gen Eternia. Dort ist nicht nur Prinz Adam aka He-Man zu Hause, sondern auch die Düsseldorfer Vollzeit-Emos von Callejon, die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum feiern. Obwohl das Album den Namen des Planeten Eternia trägt, haben wir es hier nicht mit einem Konzeptalbum der Masters Of The Universe Comics zu tun. Vielmehr verknüpfen die fünf Düsseldorfer um den charismatischen Frontmann BastiBasti ihre eigene Vergangenheit wieder gekonnt mit modernem Metalcore und rechnen mit dem Verfall der Menschheit ab. Dabei gibt es den einen oder anderen Querverweis in Richtung des He-Man Universums und eine eigene Perspektive auf Wandel und Endlichkeit. Bei der Macht von Grayskull, haben Callejon die Kraft?

Der Opener und Titeltrack bringt jedenfalls einiges an schierer Muskelkraft mit. Nach dem düsteren Synth-Intro reißen mächtige Riffs Löcher ins Firmament und BastiBasti tönt: „Dies ist die Geschichte meiner Kindheit.“ Nicht nur deiner, lieber Basti. Texte mit finsteren Zukunftsvisionen und einem Funken Hoffnung, so kennen und lieben Fans ihre Band. Hitpotenzial, das sich auch in der siebten Top-Ten-Chartplatzierung in Folge widerspiegelt – Hut ab! Noch eine Spur härter gehen Callejon in der kurzen Abrissbirne Tor Des Todes zu Werke. Die zweite Folge der Masters Of The Universe Hörspielreihe heißt übrigens Das Todestor. Zufall? Wohl kaum. Die Gitarrenriffs gehen weiterhin erbarmungslos zu Werke. War das schon das Ende der Brech … äh Fahnenstange? Mitnichten. Ich lege meinen Kopf in die Guillotine, während Bernhard und Christoph ihre messerscharfen Streitäxte fallen lassen. Wie von Callejon gewohnt, gibt es einen hochemotionalen Refrain, bei dem Basti seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann. Fantastisches Dreigestirn als Auftakt.

Photo Credit: Chris Dohle

Beim vierten Song ist die Hörspiel-Referenz unübersehbar, trägt er mit Sternenstaub doch denselben Namen wie die erste Folge um den mächtigen He-Man. Davon mal abgesehen beherbergt die Nummer wirklich alles, was ich mir von den Jungs wünsche. Die Riffs knallen wieder gnadenlos und die Lyrics stellen unsere gegenwärtige Situation wie einen übermächtigen Gegner aus dem All dar: „Omicron, Sohn von Delta – erzähle uns von deiner Reise und der Ankunft von Omega“. Basti sagt selbst, dass er seiner Vorstellung von Callejon als Gesamtkunstwerk in 20 Jahren noch nie so nahe gekommen ist, wie mit Eternia. Das spiegelt sich auch in den kunstvollen Coverartworks und den vom Sänger inszenierten Musikvideos wider.

Ein weiteres Wesen versetzte bereits im 19. Jahrhundert die Menschheit in Angst und Schrecken. 1818 erzählte Mary Shelley die Geschichte des verrückten Wissenschaftlers Viktor Frankenstein, der ein unheimliches Monster erschuf. Geschrieben hatte sie den Roman im „Jahr ohne Sommer.“ Das Stück, das nach der berühmten Autorin benannt wurde, ist allerdings eher eine morbide und nekrophile Vision. Irgendwo zwischen Ekel und Ohrwurm. Schnell zurück in den sicheren Rückzugsort namens Emokeller. Dieser ist wohl die größte Verbeugung der Band vor der eigenen Retrospektive. Ähnlich wie bei den ersten Gehversuchen Mitte der 2000er tänzeln Callejon auf einem Drahtseil aus emotionalen und aggressiven Momenten. Die Vocals werden entweder leidend vorgetragen oder als Stakkato-Feuerwerk herausgeballert.

Zurück nach Eternia: Dort wartet schon Bösewicht Scareglow aka Karak Nul, der zu Skeletors Gefolgsleuten gehört und seine Gegner mithilfe der „Sense des Verderbens“ portioniert. Schade, dass es keinen Song über Stinkor gibt (Gruß an BastiBasti geht raus 😁). Musikalisch gibt es melodischen Metalcore in Moshpit-tauglicher Geschwindigkeit auf die Ohren. Der Refrain „Ich bin gefangen …“ bleibt schnell im Schädel hängen.

Die Ballade tritt auf den Plan: Ich Komme Niemals An sorgt bereits mit den ersten Zeilen für Gänsehaut und beweist einmal mehr, dass die Musik von Callejon als eine Art Auffangstation für geschundene Seelen fungiert. Die visuelle Untermalung im Video verstärkt den Inhalt zusätzlich. Lediglich der Refrain reicht nicht ganz an den Bandklassiker Kind Im Nebel heran.

Schon mit den ersten Anschlägen der Gitarrensaiten in Hexenhaus beschleicht mich das Gefühl, hier einen Deftones-Song mit deutschem Text zu hören. Ähnlich wie bei Ich Komme Niemals An fällt mir der Refrain im Vergleich zum starken Rest des Songs etwas zu sehr ab.

Weg von den Masters Of The Universe hin zu den Marvel-Comics. Wer könnte für eine Band wie Callejon besser als Protagonist herhalten als die tragische Figur des ewig suchenden Silver Surfers. Nach zwei introvertierten Nummern gibt’s hier wieder richtig auf die Fresse. Das typische Riffing ist neben den markanten Vocals schon eine echte Trademark der Düsseldorfer geworden. Der längste Song mit über sieben Minuten markiert den Rausschmeißer und hört auf den Namen Loreley X2p1. Loreley? Da gab es doch schon mal was. Richtig! Auf der 2007er EP Fauler Zauber Dunkelherz, die auch Teil der Retrospektive-Box aus dem letzten Jahr war. „Ein Lied aus alten Zeiten, das geht mir nicht mehr aus dem Sinn“, heißt es passenderweise. Guter, gefühlvoller Abschluss, ohne mit dem hervorstechenden Beginn des Albums mithalten zu können.

Callejon – Eternia
Fazit
Es gibt diese Bands, die sich klammheimlich zu einer Institution im eigenen musikalischen Universum mausern. Sei es ZAHQ, Wir Sind Angst oder Metropolis. Jedes dieser Alben stand im jeweiligen Erscheinungsjahr ganz hoch in meiner Gunst und platzierte sich weit oben in meinen persönlichen Jahrescharts. Auch wenn Eternia zum Ende hin etwas die Luft ausgeht, haben Callejon auch nach 20 Jahren noch mitreißende Geschichten zu erzählen. Öffnet eure Augen, denn alles kehrt zurück – auf die nächsten 20!

Anspieltipps: Eternia, Guillotine und Sternenstaub
Florian W.
8.5
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