Chaos Blast Meating – Howls From Beyond am 02.12.2023 im Feierwerk in München

Ein Raunen aus der Tiefe - Bands über Bord im Feierwerk

Eventname: Chaos Blast Meating – Howls From Beyond

Headliner: Ahab

Vorbands: Hæresis, The Night Eternal (abgesagt), Valborg, Acid Mammoth (abgesagt), Hierophant (abgesagt), Raging Sloth (Ersatz)

Ort: Feierwerk, München

Datum: 02.12.2023

Kosten: 32,00 € VVK / 40,00 € AK

Genre: Doom Metal, Crust, Black Metal, Stoner

Besucher: ca. 200 Besucher

Veranstalter: Chaos Blast Events

Link: https://www.feierwerk.de

Wenn der Winter mit Macht Einzug hält, Flughäfen schließen, Menschen in Zügen übernachten und die Busse und Bahnen in den Depots bleiben, dann ist das selten ein gutes Omen für Veranstaltungen, deren Protagonisten von fern anreisen müssen. Nichts Gutes ahnend mache ich mich an diesem tiefverschneiten Samstagabend auf den Weg ins Feierwerk München, wenig überraschend auf Umwegen und zu einem guten Teil auf Schusters Rappen. Angekündigt für das Chaos Blast Meating ist eine illustre Mischung aus etablierten Bands und aufstrebendem Untergrund, irgendwo im Spannungsfeld zwischen Sludge, Doom und Black Metal. Eine Schneewanderung später stehe ich überpünktlich vor dem Feierwerk, zusammen mit einer noch eher überschaubaren Meute gutgelaunter, schwarz gewandeter Besucher, die mit dem einen oder anderen Kaltgetränk auf den Einlass wartet.

Im Gespräch wird schnell klar – meine Befürchtungen hinsichtlich der Wetter- und Verkehrslage waren nicht unbegründet. Hierophant und Acid Mammoth haben den Weg ins tiefverschneite München nicht gefunden, der Weg aus Italien bzw. Griechenland blieb durch die weiße Pracht am Münchner Flughafen versperrt. The Night Eternal fehlen ebenfalls, allerdings aufgrund von Krankheit. Nun gut, das verbleibende Line-Up ist noch mehr als hochkarätig, und es hat sich immerhin ein Ersatz angekündigt. Raging Sloth sind aus der Münchner Gegend, und auch wenn sie erst fünf Jahre Bandgeschichte und eine einzige EP vorweisen können – die Live-Performance hat es in sich, wie ich schon bald erfahren werde.

Haeresis – 2023 – München

Zunächst aber vollziehen Haeresis den Auftakt. Das Quintett aus Berlin spielt Black Metal mit Einflüssen von Sludge und Crust und hat bisher eine eher überschaubare Kollektion an Veröffentlichungen vorzuweisen. Um so größer ist die Zahl verflossener Mitglieder, eine Tatsache, die natürlich keineswegs in irgendeinem Zusammenhang mit Qualität oder Können steht und lediglich vermuten lässt, dass die Bandstrukturen eher lose angelegt sind und man vielleicht eher von einem Projekt oder Kollektiv sprechen mag, man verzeihe mir, falls ich hier komplett danebenliege. Sängerin Christin ist seit den Aufnahmen zur aktuellen und bisher einzigen EP To Drown … dabei, und als das Licht ausgeht, wird mir schnell klar, dass der Name Programm ist, denn wir ertrinken schier in Nebel, blauem Licht und Gitarrenfeedback. Der Autofokus sagt „Servus!“, und ich fotografiere auf Sicht. Spielt aber auch irgendwie keine Rolle angesichts der Nebelsuppe, der Stimmung vor der Bühne ist der Budenzauber mehr als zuträglich, und wir fallen in einen endlosen Abgrund. Die Songs wälzen sich minutenlang durchs Halbdunkel, erst langsam initiiert von verträumten Bassläufen und schleppenden Drums, bis dann irgendwann die Hölle losbricht und Tine das einsetzende Riffgewitter niederschreit, als gälte es, den Teufel selbst zu beeindrucken. Viel Schall und Rauch, aber nicht im sprichwörtlichen Sinne, sondern schlicht ein beeindruckender, intensiver Auftritt, der mich tief bewegt zurücklässt.

Raging Sloth – 2023 – München

Nachdem sich die Rauchschwaden verzogen haben, betreten dann zehn nach acht besagte Ersatz-Doomer von Raging Sloth die Bühne, und trotz des Schummerlichts bekommt man nun auch optisch einen guten Eindruck davon, was sich auf der Bühne so abspielt. Die drei Mannen an den Instrumenten huldigen eindeutig den Größen des Genres, nicht ganz so räudig wie Eyehategod vielleicht, aber mit einer Wucht an Drums und Klampfe, die sich definitiv nicht zu verstecken braucht. Roh und treibend, mit immer wieder eingestreuten Lavapassagen, in denen die Zeit stillzustehen scheint, versteht es die Band, die vom okkulten Einstieg aufgewühlte Masse bestens abzuholen, Köpfe nicken, Haare fliegen – niemand denkt hier auch nur im Traum daran, diese Performance gegen das Fehlen der ursprünglich angekündigten Bands aufzuwiegen, eine Dreiviertelstunde voll tonnenschwerer Riffs, die nicht besser verbracht hätte werden können.

Valborg – 2023 – München

Kurz vor halb zehn betritt dann eine aus meiner Sicht ebenso einzigartige wie chronisch unterbewerte Band die Bühne, ein Trio, das der Infotext zur Veranstaltung absolut treffend mit „sounds like Valborg beschreibt. Wo Genrefloskeln sich die Knöchel an Schubladenkanten brechen, sind die Bonner daheim, und ich spare mir jeden eigenen Versuch, dieses Hörerlebnis in ein Wortkorsett zwingen zu wollen. Es ist laut, es wird geschrien, die Texte sind hauptsächlich auf Deutsch verfasst und zumeist ziemlich wütend. Vielleicht trifft der inzwischen mehrfach von Kollegen bemühte Begriff der „Brachialromantik“ den Nagel immer noch am besten auf den Kopf. Die Protagonisten auf der Bühne geben sich jedenfalls von all diesen Überlegungen unbeeindruckt, die Interaktion mit dem Publikum findet weniger in der großen Geste als in Blickkontakten und still verhalten lächelnder Freude ob des überdeutlichen Zuspruchs statt. Stücke wie Blut Am Eisen, Beerdigungsmaschine, Werwolf oder Ave Maria sprechen in der kompromisslosen Härte ihres Vortrags und dem immanenten Selbsthass auf das lyrisch Unvollendete fast schwerelos Bände, ohne viele Worte verlieren zu müssen. Wie ein Gewitter, das aufzieht, dazwischen Geschichten von Vampiren und von Sternenkriegen vor auf ewig verstrahlter Betonkulisse. Einzigartig, verstörend, wunderbar. Asbach beschließt den Auftritt, und ich beschließe, mir doch wenigstens ein Bier zu genehmigen.

Ahab – 2023 – München

Es ist halb elf, und es steht bereits der letzte Auftritt des Abends an. Ahab sind aus dem Doom Metal nicht wegzudenken, seit vielen Jahren eine feste Größe, haben sie vor allem den Tiefsee-Doom geprägt, mit ausufernden Stories über Seeungeheuer, stürmische Meere und literarische Schiffbrüche sowie weit mehr als nur einer Handbreit Können an ihren Instrumenten, immer getragen von zentnerschweren Gitarren und Daniel Drostes variablem Organ, das die ruhigen Wasser ebenso beherrscht wie die stürmische See. An den Drums fehlt Cornelius, ein mehr als würdiger Live-Ersatz wurde mit Daniel Schwarz gefunden, unter anderem Gründer der Drum-Messe CrashIt in Mannheim. Wenig verwunderlich ziert sein Shirt auch die Reminiszenz an das Black Metal Cover von Venom, in der sich nur Eingeweihten oder Adleraugen erschließenden, regionalsprachlichen Abwandlung „Monnem“, eine Insigne der leider aufgelösten Mannheimer Krachkapelle Black Shape Of Nexus. Ahab setzen, wie so manch andere Band im Zeitlupengeschäft auch, auf ellenlange und ausufernde Stücke, die beginnen wie ein aufziehendes Unwetter. Langsam, fast unbemerkt türmen sich Wolkenberge auf, der Himmel wird zunehmend schwarz, und irgendwann bricht sich der Taifun Bahn. So auch beim ersten Song Further South. Ein wenig kann man anfangs noch dem Eindruck erliegen, der eher zähe und Aufmerksamkeit erfordernde Vorspann erwischt das Münchner Publikum auf dem falschen Fuße, Gespräche branden hier und da auf, die Konzentration der Menge ist beeinträchtigt. Spätestens bei Colossus Of The Liquid Graves ist der Saal aber wieder voll dabei, nach und nach weicht das spärliche Bühnenlicht Blitz- und Nebelausbrüchen, nimmt der Wellengang auf der Bühne zu. Ahab wissen, wie sie ihre Netze einholen müssen, das Feierwerk bebt und ächzt fast anderthalb Stunden lang, The Hunt beschließt kurz vor Mitternacht den Abend.

Ich lasse mich inmitten der Massen in die eiskalte Nacht hinaustreiben, die Musik, die Stimmung, der Sound, die Bands – und auch die Ankunft des Taxis, alles, wirklich alles war einfach exakt auf den Punkt an diesem Samstag. Danke, Chaos Blast Meating!