Evanescence am 26.03.2018 in der Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf

“Die Synthese aus Rock, Elektronik und Klassik – ein Experiment

Eventname: Synthesis Tour 2018

Künstler: Evanescence (USA)

Vorband: Orchester

Ort: Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf

Datum: 26.03.2018

Kosten: ab ca. 40,00 EUR (bestuhlt)

Genre: Alternative Rock, Symphonic Rock, Electronic Rock

Veranstalter: Prime Entertainment, Live Nation

Linkhttps://www.facebook.com/events/744793255727786/

Setlists:

01. La Chasse
02. Moonlight Sonata
03. Lacrimosa
04. Sally’s Song
05. Zelda’s Lullaby
06. Together Again

01. Overture
02. Never Go Back
03. Lacrymosa
04. End of the Dream
05. My Heart Is Broken
06. Lithium
07. Bring Me to Life
08. Unraveling
09. Imaginary
10. Secret Door
11. Hi-Lo
12. Lost in Paradise
13. Your Star
14. My Immortal
15. The In-Between
16. Imperfection

Zugabe:
17. Speak To Me
18. Good Enough
19. Swimming Home

Photos im Auftrag für Time For Metal: www.quintenquist.com

Letztes Jahr veröffentlichten Evanescence mit Synthesis ein Album, von dem Sängerin Amy Lee lange geträumt hatte. Zusammen mit David Campbell, der für die Arrangements verantwortlich war und Produzent William Barry Hunt wurden diverse Songs der bisherigen Diskographie der Band im orchestralen Still und angereichert um elektronische Elemente neu vertont und on top gab es zudem zwei neue Nummern. Dieses Ergebnis auch live zu präsentieren stand quasi außer Frage und heute Abend kommt die Landeshauptstadt Düsseldorf als eine von nur drei deutschen Städten neben Leipzig und Stuttgart in den Genuss dessen.

Der Einlassstrom um 18:30 Uhr vor der Mitsubishi Electric Halle am Oberbilker Volksgarten hält sich noch in Grenzen, was auch an den festen Sitzplätzen der hinsichtlich Alter und Erscheinung sehr bunt gearteten Gäste liegen mag. Auch die Schwarzmarktverkäufer sind überschaubar, so hatte doch der Veranstalter kurz vor dem Termin nochmal ein Kontingent an Karten freigegeben. Offiziell läuft der Abend aber unter dem Titel „ausverkauft“. Die Presse darf heute Abend leider entgegen der Info, die Show vom Mischpult aus zu dokumentieren nur von den Rängen photographieren und wer hier nicht entsprechendes Equipment im Gepäck hat, kann sich am Ende nur mit Miniaturabbildungen der Musiker zufrieden geben.

Gegen 20:00 Uhr betritt dann die Dirigentin die Bühne und eröffnet den Abend gemeinsam mit dem Orchester – noch ohne Amy Lee & Co. Die Besetzung umfasst neben Bläsern, Streichern und Pauke auch eine Harfe. Gespielt werden Klassiker wie die Mondschein Sonate oder Mozarts Lacrimosa sowie instrumentale Versionen von Evanescence-Songs. Ein schönes und durchaus geeignetes WarmUp für die nachfolgende Performance der Band gemeinsam mit erwähntem Orchester, das zu einem Pool an Orchestern gehört, welche Evanescence auf dieser Tour lokal bzw. regional begleiten.

Evanescence @ Mitsubishi Electric Halle Düsseldorf, 26.03.2018, Photo: www.quintenquist.com

Nach einer kurzen Pause betritt dann gegen 21:00 Uhr Amy Lee die Bühne nebst ihren Mitstreitern Tim McCord (Bass), Troy McLawhorn (Gitarre), der 2015 zur Band gestoßenen Stuttgarter Gitarristin Jen Majura (die auf dem Euroblast 2017 übrigens den Gewinn des Ibanez-Gewinnspiels überreichte) sowie Schlagzeuger William Martin Hunt. Zusätzlich erklimmt Produzent William Barry Hunt (kein Schreibfehler; es gibt i.d.T. zwei Will Hunts im LineUp) seinen Posten an Synthies und ePercussion. Während Amy Lee erst einmal am Klavier Platz nimmt und Overture vom aktuellen Album spielt, üben sich alle anderen Musiker in Zurückhaltung. Der Song leitet dann auch – wie auf der Platte – nahtlos in Never Go Back über. Nach der Nummer erhebt sich die ganz in Schwarz gekleidete Sängerin und ein Pianist übernimmt ihren Posten, während sie sich an den mittig platzierten Mikroständer begibt und Lacrymosa intoniert. Außer Drummer Will Hunt und der Sängerin sind alle Musiker und die weiterhin anwesende Dirigentin beinahe in Dunkelheit gehüllt und beleuchten ihre Notenständer mit kleinen Klemmlampen.

Was bereits früh auffällt: Für eine orchestral-elektronische Interpretation fehlt es dem Sound irgendwie an Fläche, Druck und Spitzen. Feinheiten des Orchesters gehen im Gesamtsound unter, die Harfe ist nahezu gar nicht zu hören. Einzig der Synthie-Bass von Will B. Hunt, der auch auf eDrum Pads rhythmische Patterns klöppelt und die Stimme von Amy Lee stechen heraus. Sogar das massive Drumkit von Will M. Hunt klingt etwas schwach und hintergründig. Die zwei Bassdrum-Kessel scheinen mehr Dekoration als Notwendigkeit, die Crash-Becken, die entweder modifizierte Metallbecken oder eDrum-Parts zu sein scheinen klingen kaum und verstummen nach wenigen Sekunden.

Evanescence @ Mitsubishi Electric Halle Düsseldorf, 26.03.2018, Photo: www.quintenquist.com

Ähnlich verhält es sich mit der Lichtshow. Man hätte meinen können, Evanescence fahren hier groß auf und stimmen die visuellen Effekte auf jedes entsprechende Detail der Musik ab, wie es heutzutage bereits deutlich kleinere Rock- und Metalbands in vielleicht halb so großen Hallen tun. Stattdessen gibt es einen weißen Vorhang als Hintergrund, der gefühlt mit Standard-Mustern oder Dauerbeleuchtung in unterschiedlichen Farben angestrahlt wird nebst vereinzelten gen Publikum gerichteten Lampen – wenn denn der Hauptstrahler nicht auf Amy Lee alleine gerichtet und der Rest der Bühne relativ spärlich beleuchtet wird. Tim McCord, Troy McLawhorn und Jen Majura scheinen heute alle (kaum hörbar) Gitarre zu spielen (auch nach intensiver Suche konnte ich keinen E-Bass entdecken) bzw. unterstützen die Sängerin aus dem Hintergrund mit Background-Vocals.

Während man sich am Schlagzeug gerne mal mit kleinen Tricks an den Sticks die Zeit vertreibt, tauscht Amy Lee im Laufe des Abends immer mal wieder den Platz am Klavier mit der zentralen Position am Mikrophon, wo sie dann aber auch fest verwurzelt scheint. Das Publikum erlebt die Show sowohl auf den Rängen wie auch im Innenbereich durchweg sitzend, weshalb plötzlich erklingende, lautstarke, fremde Gesangsunterstützung – den männlichen Part imitierend – vom Parkett beim Refrain zu Bring Me To Life das doch recht verhaltene Treiben ein wenig auflockert. My Immortal widmet die Sängerin dem Publikum bzw. den Fans, denn dessen Bedeutung sei ihr erst über die Jahre wirklich bewusst geworden respektive sei sie gewachsen. Man sei „awesome“.

Evanescence @ Mitsubishi Electric Halle Düsseldorf, 26.03.2018, Photo: www.quintenquist.com

Kurz vor Ende der Show wendet sich Amy Lee nochmal ans Publikum mit einer persönlichen Botschaft und ermutigt noch jene, die sich unterdrückt, missachtet, unverstanden oder ausgegrenzt fühlen – sei es wegen Übergewicht oder anderer Punkte – an sich zu glauben und stark zu bleiben.

Nach Imperfection bedankt sich die Sängerin bei ihrem Orchester und der Band und alle verlassen kurzzeitig die Bühne, bis man zur Zugabe zurückkehrt. Die folgenden drei Songs werden einige Gäste nicht mehr erleben, da der ein oder andere bereits enttäuscht den Saal verlassen hat. Und auch nach der Zugabe wiederholt die Mezzosopranistin „Düsseldorf, you’re awesome!“, holt die Band nach vorne, verbeugt sich dankend und das Orchester als Geleit tritt man nach ca. 1,5 Stunden unter Applaus und vereinzelten Standing Ovations ab.

Was bleibt ist ein Gefühl, dass der Abend irgendwie noch nicht so richtig begonnen haben kann. Es gab sicherlich feine Momente bei My Immortal oder Bring Me To Life, die Eindruck hinterlassen haben. Was ausblieb war aber eine den Umständen entsprechend erwartete Gewaltigkeit, akustisch und optisch. Mit einem kompletten Orchester hinter sich ist die Ausgangslage nicht die schlechteste, um einen nachhaltigen Eindruck auch beim größten Zweifler zu hinterlassen. Entgegen den Aufnahmen der aktuellen Platte knödelte/fröschelte Amy Lees Stimme auffällig oft, sie verlor sich gerne in Dynamikexperimenten und man wünschte sich, dass sie einfach endlich Vollgas gibt und mit voller Inbrunst das singt, was sie bewegt, was sie dem Publikum glaubhaft mitteilen möchte. Handwerklich haben alle anwesenden Musiker ihr Bestes gegeben, was angesichts der Abmischung aber leider allzuoft unterging. Ein wenig mehr der Energie, mit der die Band 2003 auf Fallen das Tor zur Musikwelt aufstieß und der Abend wäre sicherlich deutlich imposanter wahrgenommen worden.