Festivalbändchen – kultiges Sammelobjekt, oder doch nur eklig?

Untersuchungen der University of Panikmache decken auf...

Was bleibt nach einem Metal Festival Wochenende? Erinnerungen an eine geile Konzertparty, dreckige und nasse Klamotten, ein ordentlicher Kater, dunkle Augenringe, ein leerer Geldbeutel und das Festivalbändchen am Handgelenk.

Jeder Festivalgänger kennt und liebt sie, die schmalen, bunten Eintrittsbändchen, die sich in den letzten Jahren immer mehr zum kultigen Sammelobjekt entwickelt haben. Besonders unter Rock- und Metalfans sind sie beliebter denn je und sind fast so etwas, wie unter Waidmännern das Geweih eine Jagdtrophäe ist. Sie sind fast wie ein lieb gewonnener Freund und man verbindet mit ihnen viele schöne Festival- und Konzerterlebnisse. Der eine sammelt sie zu Hause still und heimlich in der Schublade, ein anderer näht sie sich schön säuberlich nebeneinander auf die Kutte, doch die allermeisten Metalheads tragen sie, inklusive all dem Schweiß, Bier, Schnaps und Dreck noch Monate und Jahre nach dem Festival am Arm, bis sie sich dann irgendwann in verfranzte Stofffetzen verwandeln. So werden die Bändchen zu Schmuck, zur Erinnerung an längst vergangene, schöne Zeiten, zur Trophäe, für einige sogar zum Statussymbol. Nur einige wenige schneiden sie sofort ab, wenn sie am Sonntagmorgen das Festivalgelände verlassen und in ihr gutbürgerliches Leben zurückkehren.

Nun werden die allseits beliebten Bändchen aber in ein gar nicht so schönes Licht gerückt, denn laut einer Studie der britischen University of Surrey sind die Jagdtrophäen ein perfekter Nährboden für Keime. Dass unsere Bändchen wohl nicht besonders hygienisch sind, war wohl jedem klar, doch laut Professorin Alison Cottell von der britischen Universität tummeln sich auf den Armbändern die unterschiedlichsten Keime, und zwar 20-mal so viele, wie auf regelmäßig gewaschenen Kleidungsstücken. Die gute Professorin hat ganze zwei (!) Festivalbänder untersucht, die etwa zwei Jahre von Metalheads getragen wurden. Besonders hoch war darauf die Konzentration von sogenannten Staphylokokken, grampositiven, aeroben Bakterien, von denen sie 2000 fand, und Mikrokokken, die der Familie der Bakteriengattung der Micrococcus zugerechnet werden und von denen sie etwa 9000 fand. Sie verursachen typischerweise Hautinfektionen und gelegentlich Pneumonie, Endokarditis und Osteomyelitis und führen häufig zur Abszessbildung. Appetitlich ist definitiv anders, aber es handelt sich doch um die geliebten Festivalerinnerungen. Sind die coolen Schmuckbändchen also doch nur eklig, oder hat die gute Professorin einfach nur eine Drecksau als Studienobjekt erwischt? Ist es wirklich an der Zeit, sich von den lieb gewonnenen Andenken zu trennen?

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kam auch Dr. Nick Coleman, Mikrobiologe der University of Sydney. Für ein YouTube Format nahm er Abstriche von zwei Bändchen, die sechs und sieben Jahre getragen wurden. Nach vier Tagen in der Wärmekammer zählten die Wissenschaftler dann auf dem Abstrich des älteren Bändchens etwa 200 Millionen, auf dem Abstrich des etwas jüngeren Bändchen etwa 600 Millionen Bakterien.

Auch wenn es eklig klingt, ist die Anzahl nicht besonders hoch, betont Dr. Dagmar Müller, Mikrobiologin und Laborleiterin des Dermatologikum Hamburg. 600 Millionen Bakterien sind vergleichbar mit einem verschwitzten T-Shirt. 200 Millionen Bakterien würden auch auf eine Stecknadel passen.

Allerdings befinden sich auch ohne unseren geliebten Armschmuck unzählige Bakterien und Keime auf unserer Kleidung und unserer Haut, jedoch in einer deutlich geringeren Menge und Konzentration. Sie gehören zur normalen Hautflora. Diese sind jedoch harmlos, so die University der Panikmache. Einzig bei offenen Wunden oder Schnitten können sie zu gefährlichen Hautinfektionen führen. Auch können sie eine Lebensmittelvergiftung hervorrufen, wenn sie über die Nahrung aufgenommen werden, allerdings müssten sie in die Nahrung gelangen und sich da entsprechend vermehren, so wird Professorin Cottell von der britischen Tageszeitung The Telegraph zitiert.

Geht also nun von unseren Bändchen eine Gesundheitsgefahr aus, oder ist das alles eine sinnfreie Panikmache einer unausgelasteten Professorin?

Dermatologe Cord Sunderkötter, Professor an der Universitäts- und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie in Halle (Saale), gibt Entwarnung, solange man die verseuchten Bändchen nicht gerade ableckt, oder sie dort weiter trägt, wo strenge hygienische Richtlinien gelten, z.B. bei der Speisenzubereitung in der Gastronomie, oder bei der Arbeit mit Patienten in Gesundheits- und Pflegeberufen. Besonders Staphylokokken der Spezies Staphylococcus Aureus können zwar eine Reihe von Infektionen verursachen, aber dazu müssen sie Lücken in unserer Hautbarriere finden und zudem noch unser körpereigenes Abwehrsystem überwinden. Deshalb macht es in der Regel nichts aus, dass über die Hälfte der Menschheit in Mitteleuropa mit Staphylococcus Aureus besudelt ist, egal ob nun mit oder ohne Festivalbändchen.

Auch Hautveränderungen, wie Reizungen und Rötungen sind nicht auf die Bakterien auf dem Armband zurückzuführen, erklärte Dr. Dagmar Müller. So etwas entsteht nur durch Feuchtigkeit und Reibung auf der Haut. Das kann durch die Bändchen begünstigt werden, aber die Bakterien sind nicht daran Schuld.

Auch Andreas Podbielski, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene in Rostock, gibt teilweise Entwarnung und sieht die Gefahr für eine Infektion als sehr gering an. Aus hygienischer Sicht ist es nur relevant, ob es im Zusammenhang mit Gegenständen oder Tätigkeiten zu Infektionen kommt – und über entsprechende Infektionen, die durch Festivalbändchen ausgelöst wurden, ist in der weltweiten Fachliteratur nichts überliefert. Überhaupt spielt Armschmuck für den Krankenhaushygieniker Podbielski infektiologisch eine sehr untergeordnete Rolle. Andere Schmuckstücke werden im Vergleich zum Wacken Einlassbändchen in der Regel viel länger getragen und die werden ja üblicherweise auch nie hygienisch aufbereitet. Fingerschmuck sieht der Experte dagegen als wesentlich problematischer an – insbesondere im Bereich der medizinischen Versorgung im Krankenhaus oder in Arztpraxen. Während der Fingerschmuck im Normalfall ewig hält, gehen die Festivalbändchen irgendwann sowieso kaputt und damit löst sich das ganze Infektionsproblem eh in Luft auf.

Aus rein biologischer Sicht können die Bändchen also auch noch Jahre nach dem Festival völlig gefahrlos getragen werden. Bändchen tragen, oder nicht tragen, bakterienverseucht bist du sowieso! Es kann also aufgeatmet werden, bis die geehrten Professoren auf die Idee kommen, Band-Schweißbänder, Nietenarmbänder, oder unsere 20 Jahre alten Kutten zu untersuchen…